Betäubungsmittelkonsum:Allianz für ein liberales Drogenstrafrecht

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Strafrechtler an deutschen Universitäten werben in einer Resolution für eine Liberalisierung des Drogenstrafrechts

(Foto: dpa)

Gegen die "Auswüchse der Kriminalisierung": In einer ungewöhnlichen Aktion setzen sich 122 Rechtsprofessoren für eine Reform des Drogenstrafrechts ein. Grüne und Linke wollen die Resolution als Basis für einen Vorstoß im Bundestag nutzen.

Von Heribert Prantl

Zwanzig Jahre nach dem Haschisch-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts soll das gesamte deutsche Betäubungsmittelrecht auf den Prüfstand gestellt und fundamental reformiert werden: Mittlerweile 122 Professorinnen und Professoren des Strafrechts an deutschen Universitäten werben in einer Resolution für eine Entkriminalisierung des Drogenstrafrechts.

Die Oppositionsfraktionen im Bundestag, die Linke und die Grünen, wollen nun auf der Basis dieser Resolution im Bundestag einen gemeinsamen Antrag auf Überprüfung des Drogenstrafrechts einreichen und sich dafür auch um die Unterstützung der SPD bemühen. Das Betäubungsmittelgesetz stammt aus dem Jahr 1981; es basiert auf strafrechtlicher Prohibition.

Diese Politik des Verbietens und Strafens, so steht es in der Professoren-Resolution, sei "gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch". Sie sei erstens schädlich für die Gesellschaft, weil sie die organisierte Kriminalität und den Schwarzmarkt fördere; und sie sei zweitens schädlich für die Drogenkonsumenten, die in "kriminelle Karrieren getrieben" würden. Der Staat dürfe aber "die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen".

Ungewöhnliche Gemeinschaftsaktion

Initiator der Resolution ist der emeritierte Bremer Rechtsprofessor, Kriminologe und Psychologe Lorenz Böllinger; er verweist darauf, dass Rechtslehrer jedweder politischer Couleur, konservative ebenso wie liberale, unterschrieben haben; der Zahl nach ist das die Hälfte der deutschen Professorenschaft in den Fächern Strafrecht und Kriminologie. Eine solche Gemeinschaftsaktion der üblicherweise eher individualistischen Rechtsprofessoren gilt als sehr ungewöhnlich.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1994 das damals (und heute immer noch) geltende Recht für noch verfassungsgemäß erklärt: Es sei, so die Karlsruher Richter seinerzeit, verfassungsrechtlich noch "hinzunehmen", wenn der Gesetzgeber bei seinem alten Konzept der Repression bleibe. Die höchsten Richter ermahnten allerdings zum zurückhaltenden Gebrauch des Strafrechts; beim Eigenverbrauch von Haschisch solle mehr als bisher von Strafe abgesehen werden. Ein größeres Nach- und Umdenken im Drogenstrafrecht hat der vorsichtige Richterspruch von damals aber nicht bewirkt.

Es war Wolfgang Nešcović (damals Richter am Landgericht, später Richter am Bundesgerichtshof und noch später Bundestagsabgeordneter erst für die Linke, dann fraktionslos), der seinerzeit die Sache in Karlsruhe vorgelegt hatte. In einem abweichenden Votum rügte Verfassungsrichter Bertold Sommer damals, das Betäubungsmittelrecht sei viel zu weit gefasst, es genüge nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips.

Paradigmenwechsel in anderen Ländern

Daran knüpfen nun die Reforminitiativen an. Die Liberalisierung des Drogenrechts etwa in den Niederlanden, der Schweiz, in Spanien und Portugal habe gezeigt, dass die befürchtete Ausweitung des Drogenkonsums unterbleibe. Die Reformer beklagen "Auswüchse der Kriminalisierung": Der Taliban-Terrorismus in Afghanistan werde "über den Schwarzmarkt mit Heroin und Haschisch" finanziert. Die Regierung Obama in den USA habe deshalb schon den Paradigmenwechsel vom "Krieg gegen Drogen" hin zu gesundheitspolitischen Strategien gezogen.

Uruguay hat vor Kurzem - weltweit viel beachtet - als erstes Land der Welt ein Gesetz erlassen, in dem der Staat Anbau, Verkauf und Konsum von Marihuana regelt, um so dem organisierten Verbrechen den Markt zu entziehen und zu verhindern, dass die Menschen zu härteren Drogen greifen. Es könnte sein, dass die globalen Debatten ein Reformklima beim Drogenstrafrecht in Deutschland befruchten: Zahlreiche Reforminitiativen in den vergangenen Jahrzehnten waren schnell versandet.

Schon 1993 hatten die deutschen Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte bei ihrem ersten Bundestreffen erklärt: "Die staatliche Drogenpolitik ist gescheitert", sie betrachteten die Kriminalisierung von Süchtigen als einen Irrweg. Die 122 Strafrechtsprofessoren, begleitet von den Grünen und der Linkspartei und womöglich Teilen der SPD, wollen nun, dass der Gesetzgeber einen Weg aus dieser Verirrung findet.

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