Berufsbildungsbericht 2014:Betriebe finden keine Azubis, Schulabgänger keine Lehrstelle

Kaum noch Schwärze an der Hand: Drucker steuern Maschinen

Insbesondere den Handwerksbetrieben gehen die Lehrlinge aus.

(Foto: dpa-tmn)

Die Situation ist paradox: Im vergangenen Jahr blieben dem jüngsten Berufsbildungsbericht zufolge mehr als 33 000 Lehrstellen unbesetzt. Gleichzeitig ist die Zahl der jungen Menschen gestiegen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen.

Die Industrie sucht dringend Fachkräfte. Doch diejenigen, die die vakanten Stellen besetzen könnten, finden teilweise keinen Ausbildungsplatz. Diesen paradoxen Negativtrend bestätigt auch der jüngste Berufsbildungsbericht, über den das Kabinett heute in Berlin beraten hat. Demnach blieben im vergangenen Jahr abermals Tausende Lehrstellen unbesetzt, gleichzeitig fanden Tausende junge Leute keinen Ausbildungsplatz - betroffen waren insbesondere Schulabgänger mit mittlerem oder ohne Schulabschluss.

Die 174 Seiten des Berufsbildungsberichtes enthalten im Wesentlichen aktuelle Daten zur Ausbildungssituation und legen die Schwerpunkte für die Berufsbildungspolitik der kommenden Jahre fest.

Dem Bericht zufolge wurden 2013 530 700 Neuverträge mit Auszubildenden abgeschlossen. Das ist ein Rückgang von mehr als 20 000 Verträgen im Vergleich zum Vorjahr. Die Zahl der mit einem Ausbildungsplatz "unversorgten" jungen Menschen stieg um mehr als 5000 auf 21 000. Parallel blieben etwa 33 500 Lehrstellen vakant, das sind immerhin 40 Prozent der ausgeschriebenen Stellen. Immer mehr Unternehmen bieten deshalb keine Lehrstellen mehr an, die Zahl der Ausbildungsbetriebe ist auf dem tiefsten Stand seit 15 Jahren.

Nachwuchsprobleme in bestimmten Regionen und Branchen

Für die paradoxe Entwicklung gibt es mehrere Gründe. So haben vor allem Firmen in bestimmten Regionen und Branchen Nachwuchsprobleme. In der Gastronomie beispielsweise brechen zwischen 42 und 50 Prozent der Azubis ihre Lehre frühzeitig ab, bei Köchen sind es 48 Prozent. Daneben erscheint eine Ausbildung gerade Schulabgängern mit einem höheren Schulabschluss zunehmend unattraktiv: Wer heutzutage Abitur hat, besucht in der Regel eine Universität. Im vergangenen Jahr nahmen in vielen Bundesländern - auch aufgrund von doppelten Abiturjahrgängen - erstmals mehr Schulabgänger ein Studium auf als eine Ausbildung.

Der Konstanzer Politikwissenschaftler Marius Busemeyer sprach gegenüber Spiegel online von einer strukturellen Krise der dualen Ausbildung. Kleinen Betrieben falle es zunehmend schwerer, Jugendliche vor allem für Handwerksberufe zu begeistern. Die Berufsbildungspolitik habe zu sehr die Interessen der exportorientierten Großindustrie im Blick. "Das führt dazu, dass Ausbildungsberufe immer anspruchsvoller werden", sagte Busemeyer.

Axel Pünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft warnte angesichts der Zahlen davor, das duale System unterzubewerten. "Die Wirtschaft benötigt sowohl die Akademiker als auch gut qualifizierte Fachkräfte", sagte er Spiegel online.

Neben Studium und Ausbildung markiert das so genannte Übergangssystem einen weiteren Weg in den Beruf. Zahlreiche Maßnahmen sollen vor allem bildungsfernen Jugendlichen den Einstieg in die Arbeitswelt erleichtern. Die Autoren verzeichnen hier eine Stabilisierung seit dem Jahr 2011. Nicht für alle jungen Menschen im Übergangsbereich, der ursprünglich für Schulabbrecher gedacht war, bestehe Handlungsbedarf, heißt es. Von den 260 000 Jugendlichen haben nur 19 Prozent keinen Schulabschluss, 77 Prozent hingegen Haupt- oder Realschulabschluss, 33 Prozent streben gar einen höheren Schulabschluss an.

Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) signalisierte Problembewusstsein: "Das betriebliche Angebot und die Nachfrage der Jugendlichen zusammenzuführen, wird eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre sein", kündigte sie an.

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