Haushaltsdebatte im Bundestag:"Große Verschiebe-Koalition"

Federal budget debate at the German Bundestag

Allen Grund zur Freude: Finanzminister Wolfgang Schäuble stellt seinen Haushaltsplan vor.

(Foto: dpa)

Finanzminister Schäuble präsentiert im Bundestag stolz die ersten ausgeglichenen Haushaltspläne seit mehr als 40 Jahren. Bei der Debatte darüber feiert sich die große Koalition selbst. Die Opposition findet das "ziemlich dreist".

Von Benjamin Romberg, Berlin

Auf den Schulterklopfer hätte er vermutlich verzichten können. Als Wolfgang Schäuble an seinen Platz zurückkehrt, empfangen ihn die Kabinettskollegen demonstrativ herzlich. CSU-Verkehrsminister Alexander Dobrindt nickt ihm anerkennend zu, Andrea Nahles, Arbeitsministerin von der SPD, legt Schäuble die Hand auf die Schulter. Als wollte sie dem altgedienten Politiker sagen: Schau, so schlimm war es doch gar nicht.

War es auch nicht. Selten zuvor konnte ein Bundesfinanzminister unter solch angenehmen Umständen vor dem Bundestag über seine Haushaltsplanungen sprechen. Für 2014 präsentiert Schäuble einen strukturell ausgeglichenen Haushalt. 6,5 Milliarden Euro soll der Bund an neuen Krediten aufnehmen. Rechnet man ein paar Posten heraus, etwa die Einzahlung in den Euro-Rettungstopf ESM in Höhe von 4,3 Milliarden Euro oder die Konjunktureinflüsse, dann steht unter dem Strich sogar ein leichter Überschuss. 2015 will der Bund dann gar keine neuen Schulden mehr aufnehmen - im Haushaltsplan steht für diesen Zeitraum eine echte schwarze Null, auch ohne Rechnerei.

Über ein solches Zahlenwerk im Parlament diskutieren, das ist eine dankbare Aufgabe für den Finanzminister, sollte man meinen. Die erste schwarze Null seit 1969 - das sollte sich doch mühelos als Erfolg verkaufen lassen. Sollte man meinen. Doch Schäuble holt ziemlich weit aus.

Jetzt bloß nicht zurücklehnen

Er spricht über eine stagnierende europäische Wirtschaft, über mangelnde Innovation auf dem Kontinent bei gleichzeitig hohen Sozialausgaben. Ja, es gebe Fortschritte in den Krisenländern. "Aber diese Erfolge sollten uns nicht glauben lassen, dass wir bereits über den Berg sind", sagt Schäuble. Und was hat das mit Deutschland zu tun? Läuft es in der Bundesrepublik nicht vergleichsweise gut? Doch, das schon, glaubt Schäuble. Nur: Wie lange könne Deutschland seine Führungsrolle in Europa noch behaupten?

Die Bevölkerung hierzulande schrumpfe in den kommenden Jahren deutlich - und damit auch die Wirtschaft, sagt der CDU-Politiker. "Wir dürfen uns nicht zurücklehnen." Das sei immer die Gefahr bei Erfolgen. Schäuble tritt als Mahner auf, er zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft. Er tut das, um deutlich zu machen, wie wichtig ein ausgeglichener Haushalt seiner Meinung für diese Zukunft sei. "Genau darum haben wir den Bundeshaushalt Schritt für Schritt saniert", sagt Schäuble.

Und lobt sich doch noch ein bisschen selbst: "Ganz von alleine ist das ja auch nicht gekommen." Das ist es auch nicht. Schäuble profitiert als Finanzminister von einer günstigen Konjunktur, sprudelnden Steuereinnahmen und von außergewöhnlich niedrigen Zinsen für neue Kredite. Genau das macht ihm die Opposition nun zum Vorwurf. "Sie haben einfach Glück gehabt, Herr Schäuble", sagt Sven-Christian Kindler von den Grünen. Deshalb sei das Selbstlob nun "ziemlich dreist".

Das findet die SPD zwar nicht, die Sozialdemokraten sonnen sich eigentlich auch ganz gerne in Schäubles Erfolg. Haushaltspolitiker Carsten Schneider gibt lediglich zu Bedenken, dass der heutige Erfolg auf den Entscheidungen der rot-grünen Regierung vor 2005 beruhe. Um zu garantieren, dass die Einnahmen auch wirklich wie geplant kommen, will die SPD zudem den Kampf gegen Steuerhinterzieher verstärken.

Denn Steuererhöhungen hatte die Union im Wahlkampf ausgeschlossen. Deshalb musste Schäuble viel mit dem Rechenschieber herumwerkeln, um die teuren Wahlversprechen zu finanzieren, ohne seine schwarze Null zu gefährden. Das Ergebnis: Die Mütterrente - geschätze Kosten pro Jahr: 6,7 Milliarden Euro - wird aus der Rentenkasse bezahlt, die Zuschüsse in die gesetzliche Krankenversicherung 2014 und 2015 um sechs Milliarden Euro gekürzt. Schäuble plündere die Sozialkassen, kritisiert die Opposition. "Den Preis Ihrer schwarzen Null zahlen zukünftige Generationen", sagt Dietmar Bartsch von den Linken.

Die "große Verschiebe-Koalition"

Ein weiterer Kritikpunkt: Schäuble schiebe fällige und zum Teil bereits angekündigte Ausgaben in die Zukunft. "Sie werden als große Verschiebe-Koalition in die Geschichte eingehen", sagt der Grünen-Abgeordnete Kindler.

Tatsächlich fallen etwa die Investitionen in die Infrastruktur mit zusätzlichen 500 Millionen Euro im laufenden Jahr und einer weiteren Milliarde im kommenden Jahr vergleichsweise niedrig aus. Berücksichtigt man die Inflation, gibt der Bund 2015 weniger für Brücken und Straßen aus als vor zehn Jahren. Die versprochene Entlastung der klammen Kommunen fällt mit jeweils einer Milliarde Euro in den kommenden Jahren zudem noch gering aus. Erst ab 2018 sollen fünf Milliarden jährlich fließen - mit der Finanzierung muss sich dann die nächste Bundesregierung beschäftigen.

Der Finanzminister verkaufe ein Auto, verschweige aber Mängel wie kaputte Bremsen, den rostigen Auspuff oder das Leck in der Ölwanne, sagt Kindler von den Grünen: "Hauptsache, die Karre ist vom Hof." Schäuble als zwielichtiger Gebrauchtwagenhändler? Jetzt könnte er einen Schulterklopfer schon eher gebrauchen.

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