Kochanleitung für Gemüse:Grünkohl ohne Worte

Gemüsekochbuch für Flüchtlinge

Gemüsekochbuch für Flüchtlinge: Laura Sirch hat ein Gemüselexikon für Flüchtlinge entworfen

(Foto: Laura Sirch)

Grünkohl, Schwarzwurzel oder Rote Beete? Schon als Einheimischer kann man damit wenig anfangen. Für Flüchtlinge sind diese Sorten noch fremder. Die Designstudentin Laura Sirch hat deswegen ein Gemüselexikon entworfen. Das überwindet neben kulinarischen auch sprachliche Barrieren.

Von Eva Limmer

Wie viel Kilo Gemüse beim Fotoshooting dran glauben mussten, das kann Laura Sirch nicht mehr genau sagen. "Mein Fahrradkorb war auf jeden Fall richtig voll, als ich die Kohlsorten eingekauft habe. So ein Wirsing wiegt ja gleich auch mal ein Kilo, da musste ich schon ganz schön schleppen". 43 Gemüse- und Kräutersorten hat sie für ihr Lexikon abgelichtet - vom Blumenkohl bis zur Schwarzwurzel.

"Ways to taste" heißt das Werk, das wie ein edlerer Papp-Schnellhefter aussieht. Es soll so etwas wie eine Gebrauchsanleitung für Gemüse sein. "Auf drei Wegen sollen die Benutzer auf den Geschmack kommen: Durch Vorbereitung, Verarbeitung und Zubereitung. Jede Kochanleitung ist dreigeteilt", sagt Laura Sirch. Ein DIN A4-Blatt pro Gemüsesorte reicht als Erklärung: Eine Fotostrecke zeigt Schritt für Schritt wie man das Gemüse schält und schnippelt. Auf der linken Seite erklären Piktogramme wie ein Kochtopf oder Herd mit einer Uhr daneben, wie und wie lange das Gemüse gegart oder gekocht werden soll. Text braucht Laura für ihre Anleitungen nicht.

Gemüselexikon Kochbuch für Flüchtlinge

Kein Designheft, sondern klare Anleitungen: "Ways to taste" von Laura Sirch.

(Foto: Laura Sirch)

In der unteren Hälfte sind Fotos von anderen Gemüsesorten als Kombinationsmöglichkeiten aufgedruckt. Bildzeichen von Kuh, Schwein oder Fisch veranschaulichen, welches Fleisch dazu passt. Nudel- und Gewürzpiktogramme zeigen, was zum Gemüse schmeckt. Auf komplette Rezepte hat die Münchnerin bewusst verzichtet. "Die Geschmäcker sind so verschieden. Ich wollte niemanden durch Rezeptvorgaben bevormunden. In dem Heft geht es vorrangig ums Erklären und Kennenlernen."

Ein Blick reicht und der Koch versteht die Symbolik. Bis das so hinhaute, hat Laura Sirch ein halbes Jahr rumprobiert. "Die Piktogramme, die Anordnung und die Bildsprache waren sehr schwierig. Man muss es ja ohne Sprache verstehen können - unabhängig vom kulturellen Hintergrund. Schon die Überlegung, welche Leserichtung man wählt, war kompliziert", sagt sie. Die Anleitungen werden jetzt von oben nach unten gelesen. Nur der Name der Gemüsesorte steht von Deutsch bis Persisch in sechs Sprachen am Heftrand.

"Zuerst waren sie zurückhaltend"

Gemüselexikon Kochbuch für Flüchtlinge

Schnippeln, Kochen, Zubereiten - ganz einfach auf einem DIN A4-Blatt erklärt.

(Foto: Laura Sirch)

Die Idee zu einer Gebrauchsanleitung für deutsches Gemüse kam der Designstudentin, als sie mit einer Freundin sprach. Die bringt überschüssiges Gemüse von einem Biobauernhof in die Bayernkaserne. Dort sind in München Flüchtlinge untergebracht. Die Freundin erzählte ihr, dass die Bewohner oft nicht wissen, was sie mit Kohl oder Rote Beete kochen sollen. Daraufhin hat die Designstudentin sich im Rahmen ihrer Bachelorarbeit überlegt, wie man eine Kochanleitung ohne Sprache kreieren könnte.

Das Heft ist vorrangig für Menschen mit Migrationshintergrund gedacht, die noch nicht gut Deutsch sprechen. Ihr Konzept hat Laura Sirch auch einigen Flüchtlingen gezeigt, um zu testen, ob es funktioniert. "Zuerst waren sie zurückhaltend. Man konnte aber sehen, wie ihnen ein Licht aufgegangen ist, als sie sich das Heft näher angeschaut haben."

Der Designstudentin ist der soziale Aspekt ihrer Arbeit sehr wichtig. Obwohl es ein aufwendig designtes Heft ist, kommt es auf Recycling-Papier und in Schwarz-Weiß daher. Das Heft soll möglichst wenig kosten. "Dadurch, dass die Blätter einzeln abgeheftet sind, kann man sie einfach kopieren. Im Copy-Shop kostet das dann um die drei Euro." Schon bei der Planung hat sie mit Leuten der Inneren Mission gesprochen, ob überhaupt Bedarf nach so einem Heft besteht.

Gerade wird ihr Heft bei einem kleinen Verlag in Berlin verlegt. Der Erlös der verkauften Exemplare soll zum Teil Gratis-Exemplare finanzieren, die dann sozialen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. "Gerade schauen wir, welche Institutionen überhaupt Interesse an einem solchen Heft haben könnten. Der Verkauf läuft aber noch nicht." Bisher habe sie das Heft schon an einzelne Personen herausgegeben, die mit Flüchtlingen arbeiten.

Weitere Projekte in Richtung Kochanleitung hat die 25-Jährige bisher nicht geplant. Die Welt in Bildern erklären, dass könnte sie sich auch in Zukunft vorstellen. "Eine Freundin meinte, man könnte ja auch versuchen, die deutsche Bürokratie in Piktogrammen zu erklären. Da wäre bestimmt auch manchen deutschen Bürgern geholfen."

Das Heft erscheint demnächst bei possible books.

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