Schwangerschaften bei Teenagern:Kindlicher Kinderwunsch

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Mit Babysimulatoren sollen Teenager-Schwangerschaften verhindert werden. Jugendliche müssen dabei mehrere Tage lang rund um die Uhr eine lebensecht wirkende Puppe versorgen. (Foto: dpa)

Wenn Kinder Kinder kriegen: Im Osten Deutschlands bekommen doppelt so viele Teenager Babys wie im Westen. Das liegt nicht nur an einem Mangel an Aufklärung.

Von Ulrike Heidenreich

Der Baby-Simulator ist eine nervenaufreibende Erfindung: 600 Euro kostet die speziell präparierte Puppe. Dafür schreit sie die ganze Nacht, und nach dem Füttern will ewig kein Bäuerchen herauskommen. Viele Familienberatungsstellen haben die teuren Quälgeister angeschafft. Sie wollen damit Minderjährigen in Kursen vermitteln, dass diese besser an ihre Ausbildung denken sollten, anstatt früh schwanger zu werden. Das funktioniert mal mehr, mal weniger - und mit deutlichen regionalen Unterschieden. Dass in Sachen Babybäuche Ost und West immer noch nicht zusammengewachsen sind, legt jedenfalls eine Analyse des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) nahe: Im Osten bekommen doppelt so viele Teenager Babys wie im Westen.

In Ostdeutschland stellten die Forscher seit Mitte der 1990er-Jahre einen Anstieg von Teenager-Schwangerschaften fest. Von 1996 bis 2010 ist dort die Zahl der Geburten pro 1000 Frauen zwischen 15 und 19 Jahren gewachsen - von acht auf stattliche 13,9. Im gleichen Zeitraum sank die Geburtenziffer in Westdeutschland von zehn auf sechs Babys von Frauen in dieser Altersgruppe. Insgesamt gehört Deutschland nach wie vor weltweit zu den Ländern mit einer sehr geringen Zahl von Teenager-Schwangerschaften. Allgemein werden in Europa nur wenige Kinder vor dem 20. Lebensjahr ihrer Mutter geboren.

Überraschende Zahlen

"Die neuen Zahlen überraschen. Denn Ost und West nähern sich immer stärker an, etwa beim Anstieg des Gebäralters und der Scheidungshäufigkeit", sagt der Bevölkerungswissenschaftler Jürgen Dorbritz vom BiB. Zwar gab es schon immer mehr schwangere Ost-Teenager. 1970 waren 18 Prozent der jungen Mütter im Osten unter 19 Jahren alt, im Westen waren es nur neun Prozent. "In der weniger katholisch geprägten DDR wurden diese Schwangerschaften mehr akzeptiert", so Dorbritz. Zudem war die Familienpolitik dort auch bewusst auf die soziale Absicherung Alleinerziehender gerichtet - im Gegensatz zur Bundesrepublik von einst.

In den folgenden zwanzig Jahren dann sank die Kurve kontinuierlich auf beiden Seiten, dank der Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln und der wachsenden Einstellung, erst später ein Baby haben zu wollen. Die Teenager-Geburtenziffer erreichte 1995 in den neuen Bundesländern einen Wert von 7,3. Das lag sogar unter den Zahlen im Westen: Hier waren es 9,8 Geburten je 1000 Frauen unter 19 Jahren.

Wenn Kinder Kinder kriegen, liegt das nicht nur an mangelhafter Aufklärung. Den rasanten Anstieg im Osten kann sich Dorbritz nur so erklären: "Es lag an fehlenden Zukunftsaussichten." Beim BiB vermutet man, dass schlechtere Chancen auf eine gute Ausbildung in den neuen Ländern junge Frauen verstärkt zum Kinderkriegen bewogen haben. "Wer auf dem Arbeitsmarkt weniger Möglichkeiten sieht, Fuß zu fassen, wählt den Rückzugsraum Familie." Jürgen Dorbritz nennt das eine "Flucht in die Mutterschaft" mangels anderer Perspektiven. Wie es mit dem Babysegen weitergeht? 2011 und 2012 sind die Werte in den neuen Ländern leicht gesunken. Die Forscher führen das auf den Erfolg intensiver Programme für mehr Ausbildungsplätze zurück - und darauf, dass viele jüngere Frauen aus dem Osten wegziehen.

© SZ vom 10.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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