Letterman-Nachfolger:Colbert trennt sich von Colbert

File photo of comedian Stephen Colbert at the Time 100 Gala in New York

Stephen Colbert während der Time 100 Gala (Bild aus 2012).

(Foto: REUTERS)

Der amerikanische Sender CBS hat einen Nachfolger für Late-Night-Talker David Letterman gefunden. Stephen Colbert wechselt von "Comedy Central" und übernimmt die "Late Show". Ist das wirklich eine gute Idee?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Stephen Colbert hat sich also durchgesetzt. Gegen all die Kandidaten, die in der vergangenen Woche als mögliche Moderatoren der "Late Show" genannt wurden, nachdem David Letterman ein wenig überraschend seinen Abschied angekündigt hatte.

Als Konkurrenten galten Craig Ferguson (Moderator der "Late Late Show"), Chelsea Handler ("Chelsea Lately"), Neil Patrick Harris ("How I Met Your Mother"). Der Einzige jedoch, der eine Chance hatte gegen Stephen Colbert, das war Stephen Colbert.

Es gibt zwei Stephen Colberts, und die Ankündigung des amerikanischen Fernsehsenders CBS ließ zunächst offen, welcher denn nun mit einem Fünf-Jahres-Vertrag ausgestattet wurde. "Stephen Colbert ist eine der innovativsten und am meisten respektierten Persönlichkeiten im Fernsehen", sagte CBS-Präsident Leslie Moonves in einem Statement lediglich.

Das freilich sorgte für Verwirrung und Spekulationen: Selbst die Moderatorenlegende Larry King erkundigte sich via Twitter, welcher Colbert denn nun Anfang 2015 nach 21 Jahren Letterman ablösen wird.

Dazu muss man wissen: Es gibt den 49 Jahre alten Schauspieler und Komiker Stephen Colbert - und es gibt die Satirefigur Stephen Colbert, die er vier Mal die Woche im "Colbert Report" bei Comedy Central verkörpert. Letzterer ist selbstherrlich, selbstgerecht, selbstverliebt. Ein politischer Journalist, der sich als erzkonservativer, schlecht informierter Trottel gibt und seinen Gästen regelmäßig die Frage stellt: "George W. Bush: großartiger Präsident - oder der großartigste Präsident?"

Colbert persifliert damit Fox-Moderatoren wie Bill O'Reilly, Sean Hannity und Lou Dobbs - und ist dabei so gut, dass die fiktive Figur längst nicht mehr nur im Fernsehen existiert. Sie trat 2006 beim White House Correspondents' Association Dinner auf, sie wollte 2008 um das Amt des amerikanischen Präsidenten kandidieren, sie besuchte 2009 amerikanische Soldaten in Bagdad, sie war in einem Werbefilm während des Super Bowl 2014 zu sehen.

Colbert, der Schauspieler und Komiker, musste deshalb kurz nach der Ankündigung für Klarheit sorgen: "Ich werde die neue Sendung nicht als diese Figur machen. Wir werden also alle herausfinden, wie viel von ihm tatsächlich ich war." Zu weiteren Details wie Aufzeichnungsort (derzeit bewerben sich New York und Los Angeles), Ausrichtung der Sendung und möglichen Produzenten wollten sich auf Anfrage weder CBS noch Colbert äußern.

Wird die Figur Stephen Colbert verschwinden?

Nun rätseln Fans, was aus der Figur Stephen Colbert wird. Wird sie tatsächlich verschwinden? Das ist eigentlich nur schwer vorstellbar, sie ist ein fester Bestandteil der amerikanischen Unterhaltungsindustrie und wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Primetime-Emmy im vergangenen Jahr. Eine Mitteilung von Comedy Central deutet jedoch genau das an: "Wir sind stolz, dass der unglaublich talentierte Stephen Colbert fast zwei Jahrzehnte lang ein Teil unserer Familie war. Wir freuen uns auf die kommenden acht Monate vom bahnbrechenden Colbert Report und wünschen Stephen das Allerbeste."

Der Abgang Colberts stellt zunächst einmal Comedy Central vor ein veritables Problem: Natürlich gibt es Colberts Förderer Jon Stewart und dessen geniale Satiresendung. Stewart war immer wieder mit Late-Night-Shows der großen Kabelsender in Verbindung gebracht worden, hatte jedoch stets verzichtet. John Oliver, der im vergangenen Jahr kurzzeitig Stewart vertreten und dafür gelobt worden war, ist mittlerweile zum Pay-TV-Sender HBO gewechselt. Comedy Central braucht nun nicht nur einen Nachfolger für Colbert, der Sender braucht eine neue Figur.

Ob es eine gute Entscheidung Colberts ist, seine Kunstfigur nicht in die neue Sendung mitzunehmen, lässt sich noch nicht absehen. Jimmy Fallon etwa beerbte kürzlich Jay Leno als Moderator der "Tonight Show" und übernahm quasi alle Elemente seiner alten Sendung: Fallon blieb der naive Lümmel, dessen Auftritt eine Mischung aus Slapstick, Improvisationstheater und Ganzkörperkomik ist. Ein Freund der Promis, die als Gegenleistung für freundliche und harmlose Produktplatzierungs-Interviews bei den zahlreichen Varieté-Elementen (während der ersten Sendung etwa zeigten Fallon und Will Smith "The Evolution of Hip-Hop-Dancing") mitmachen. Das Prinzip funktioniert: Die Einschaltquoten der ersten Monate sind immer noch herausragend.

Auf dem Markt der amerikanischen Spätunterhaltung konkurrieren derzeit noch der Streichespieler Jimmy Kimmel ("Jimmy Kimmel Live!"), dem zuletzt mit dem Besuch von Torontos Bürgermeister Rob Ford ein Coup gelang. Es gibt Seth Meyers ("Late Night"), der seine bei "Saturday Night Live" entwickelte Stärke als Sketch-Schauspieler in seine Sendung integriert und kürzlich mit einer "Mad Men"-Parodie glänzte. Und es gibt den herrlich verrückten Craig Ferguson, der sich mit dem Roboter-Skelett Geoff unterhält.

All diese Moderatoren verbindet, dass sie sich deutlich von den Late-Night-Dinosauriern Jay Leno und David Letterman unterscheiden, die jahrzehntelang die Nachrichten des Tages sarkastisch kommentierten und sich danach gut gelaunt (Leno) oder bitterböse (Letterman) mit prominenten Gästen unterhielten.

Sie eint aber auch die Tatsache, dass sie in gewisser Weise sie selbst sein dürfen. Nur: Stephen Colbert war schon lange nicht mehr er selbst. Er war, nun ja, Stephen Colbert, der ignorante und arrogante Narziss. Das zeichnete ihn aus, das machte seine Interviews mit Gästen derart brillant. Colbert gilt als brillanter Schauspieler, als Meister der Improvisation, als herausragender Autor. "Er kann nun viel mehr zeigen", sagt sein Förderer Jon Stewart.

Es bestehen kaum Zweifel daran, dass Colbert in der Lage ist, die Nachfolge von Letterman anzutreten - auch als er selbst. Wer auch immer das sein wird.

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