Debatte um Bundeswehr-Reform:Die überforderte Armee

Kampfschwimmer

Vielseitige Aufgaben: Kampfschwimmer der Bundeswehr bei der Arbeit

(Foto: dpa)

Seit Ende des Kalten Krieges ist es so gut wie unmöglich, mit begrenzten Mitteln die Bundeswehr nachhaltig für künftige Bedrohungen auszurüsten. Es gibt nur einen Weg aus dem Dilemma: Europa braucht mittelfristig eine gemeinsame Armee.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann, Berlin

In der Bundeswehr, so weit darf man gehen, war die Stimmung schon mal besser. Das liegt in der Natur der Sache, schließlich bleibt bei der Reform dieser Institution nicht allzu viel so, wie es war - mit sehr konkreten Folgen für den größten Teil der Soldaten. In diesem Klima der Ungewissheit und der Verunsicherung präsentieren die Sozialdemokraten jetzt Vorschläge zum "Nachsteuerungsbedarf" der Reform, stellen also getroffene Entscheidungen zur Disposition und stiften damit beim einen und anderen Betroffenen womöglich endgültig Verwirrung. Da fragt man sich schon: Dürfen die das?

Ja, das dürfen die. Das bedeutet nicht, dass jede Forderung der SPD richtig wäre. Über die Frage etwa, welche Standorte geschlossen oder verlagert werden sollen, könnten Militärplaner, Ministerpräsidenten und Bürgermeister bis zum Ende aller Tage streiten. Und an manchen Punkten des sozialdemokratischen Forderungskatalogs ist doch deutlich erkennbar, wozu er eben auch gedacht ist: dazu, einer medial übermächtigen Verteidigungsministerin mal etwas entgegenzusetzen.

Aber eine Reform, auch eine derart umfassende, darf nie unantastbar sein. Die Bundeswehr wird nach dieser Reform weiter reformbedürftig sein - und zwar über die Frage hinaus, wo nun Fallschirmjäger ausgebildet werden. Mehr noch: Ihre Zukunft muss ein Zustand permanenter Reform sein.

Europa braucht eine gemeinsame Verteidigungspolitik

Seit Ende des Kalten Krieges konnte man hierzulande beobachten, dass es so gut wie unmöglich ist, mit begrenzten Mitteln eine Armee nachhaltig für künftige Bedrohungen zu planen und auszurüsten. Dazu wechseln die (vermeintlichen und tatsächlichen) Bedrohungen und damit die sogenannten Einsatz-Szenarien zu häufig: Gerade ist die Bundeswehr mit Ausrüstung und Ausbildung auf Afghanistan eingestellt, da steht das Ende dieses Einsatzes bevor - und derart groß angelegte Missionen soll es erst einmal nicht mehr geben.

Zugleich stellen geübte kalte Krieger von einst schon die Frage, ob es angesichts der Ukraine-Krise nicht eine Fehlentscheidung war, Panzer verschrotten zu lassen und aus der Bundeswehr eine mobile Eingreiftruppe zu machen. In Afrika soll die Bundeswehr militärische Hilfe zur Selbsthilfe leisten, auf dem Meer sollen ihre Schiffe Piraten abschrecken. Was als Nächstes kommt? Niemand weiß es. Zumindest nicht so sicher, dass man die Truppe jetzt schon darauf ausrichten könnte.

Es gibt nur einen Weg aus dem Dilemma: Europa braucht eine gemeinsame Verteidigungspolitik, die diesen Namen verdient, und mittelfristig eine gemeinsame Armee. Statt alle militärischen Fähigkeiten mühsam aufrechtzuerhalten und im entscheidenden Augenblick die entscheidenden Dinge doch nicht zu können, könnte Deutschland sich dann auf einige Disziplinen konzentrieren - und das, was man noch nie gut konnte, anderen überlassen. Nur so kann Europa sicherheitspolitisch zum Akteur werden. Das Prinzip heißt Arbeitsteilung oder auch: Spezialisierung. Das Grundprinzip der aktuellen Reform heißt allerdings: "Breite vor Tiefe".

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