"Günther Jauch" zu Michael Schumacher:Spannender Spagat

Günther Jauch zu Michael Schumacher

Die Managerin von Michael Schumacher, Sabine Kehm, zu Gast im Gasometer.

(Foto: dpa)

Günther Jauch wollte über medienethische Grenzen im Fall Schumacher diskutieren - in seiner Talkshow. Ein Widerspruch? Die Runde um Schumacher-Managerin Kehm meistert die Herausforderung mit überraschend ehrlichen Antworten.

Eine TV-Kritik von Lena Jakat

Frank Plasberg lässt an diesem Montag über die Pflegereform diskutieren, bei ZDF-Kollegin Maybrit Illner ging es am Donnerstag um die Energiewende - Kulthits der öffentlich-rechtlichen Talkrunden. Günther Jauch dagegen hatte für seine Sendung am Sonntag ein heikles Thema gewählt: "Wie geht es Michael Schumacher? - Prominente und Grenzen der Berichterstattung."

Schon im Titel wird die Herausforderung deutlich: Wie gut kann diese Frage jemand stellen, der selbst zu den Medien gehört und damit Teil des Problems ist? Und ist es nicht das große Interesse am Schicksal des Formel-1-Rennfahrers, das dieser Frage überhaupt erst die Bühne verschafft? Ohne das Schlagwort "Schumacher" wäre schließlich angesichts des Quotendrucks auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen am Sonntagabend wohl kaum Platz für medienethische Diskussionen.

Günther Jauch diskutiert nun also im Fernsehen über die Medien, die über Schumacher berichten (darunter die SZ). Und diese Medien (darunter ebenfalls die SZ) berichten nun über Jauch. Und am Ende werden viele Leser wohl auch wegen Michael Schumacher in diesen Artikel geklickt haben.

Die Bild-Zeitung, deren Vertreter während der Sendung Zurückhaltung predigt, titelt am Sonntagabend jedenfalls online nur Minuten später: "Eindringling gab sich als Schumis Vater aus" - mitsamt dem Porträt eines traurig dreinblickenden Michael Schumacher. Gelang Günther Jauch und seiner Runde der Spagat zwischen konkretem Fall und Meta-Ebene, zwischen Medienkritik und eigener Sensationsgier?

Melancholische Klavierklänge, Schumacher-Managerin im Einzelinterview

Wer nach den ersten zehn Minuten der Sendung weggeschaltet hat, würde wohl die sorgenvolle Antwort geben: eher nicht. Günther Jauch moderiert zu Beginn mit Worten über den "sicherlich schwersten Kampf seines Lebens" einen Einspiel-Film über Michael Schumacher an, der mit melancholischen Klavierklängen und weichen Blenden auf Leben und Karriere des Rekordsportlers zurückblickt.

Danach kommt zunächst Sabine Kehm im Einzelinterview zu Wort. Schumachers Managerin wiederholt den vertrauten Statusbericht zum Gesundheitszustand des Formel-1-Stars: "Es gibt kleine Fortschritte, kleine Momente der Bewusstheit und des Erwachens", sagt sie. Erklärt geduldig den Unterschied zwischen "wach" und "bei Bewusstsein". Betont, dass selbst die Ärzte keine Prognosen abgäben. Bedankt sich bei den Fans für deren Anteilnahme. Das sei "überwältigend", sagt sie. "Das gibt der Familie wirklich Kraft."

Kehm spricht aber auch über das Medienphänomen Schumacher, darüber, wie jede angebliche Nachricht über Schumachers Zustand "jedes Mal aufs Neue einen Kampf mit der Öffentlichkeit" nach sich ziehe, wie sich dann stets eine "virtuelle Wirklichkeit" manifestiere, die mit der Realität nichts zu tun habe. Kehm leitet damit über in die Diskussionsrunde, die in den kommenden 50 Minuten den ihr auferlegten Spagat so spannend und sachlich meistert, wie es in solchen Runden selten der Fall ist.

Natürliche Konfliktlinien sind gar nicht vorhanden

Unter den Gästen herrscht erstaunliche Einigkeit. Die vermeintlich natürliche Konfliktlinie "Bild-Zeitung vs. Betroffene" stellt sich als nicht vorhanden heraus. Alfred Draxler, Sportbild-Chefredakteur und langjähriger stellvertretender Chefredakteur der Bild-Zeitung betont, wie wichtig es sei, verantwortungsvoll mit Informationen umzugehen und sagt: "Ich glaube, das gelingt uns." Es ist niemand da, der widerspricht.

Die Bild-Zeitung ist nicht gerade dafür bekannt, ein Vorbild an Seriosität und ethischen Handelns zu sein. Auch das bei Jauch zitierte Springer-Dogma "Wer mit der Bild im Karriere-Fahrstuhl nach oben fährt, darf sich nicht beschweren, wenn sie auch abwärts dabei ist" ist moralisch nicht eben unproblematisch.

Doch in dem an diesem Sonntag diskutierten Fall steht das Springer-Blatt erhaben über der Regenbogenpresse und einigen fragwürdigen Online-Portalen. Draxlers Undschulsbeteuerungen setzt niemand etwas entgegen. Schumachers Managerin und Rolf Hellgardt, Monica Lierhaus' Lebensgefährte, loben die Bild-Zeitung sogar dafür, sich insgesamt stets "sehr gut" verhalten zu haben.

Interessante Fragen, ehrliche Antworten

Spannend bleibt es für den Zuschauer dank des Moderators, der interessante Fragen aufwirft, und dank der Gäste, die diese auch tatsächlich beantworten.

  • Welche Berichte ärgern Schumachers Familie am meisten? - "Die Ferndiagnosen, die da angestellt wurden", sagt Kehm.
  • Wie versuchen Reporter an Informationen zu kommen? - Sie verkleiden sich als Priester, geben sich als Schumachers Vater aus oder kamen - in Lierhaus' Fall - als Polizist.
  • Ist die Jagd auf das erste Foto schon eröffnet? - Kehm berichtet auf Jauchs Frage von "sehr vielen obskuren Gestalten", die sich anfangs in der Klinik aufgehalten hätten. Von Leuten, die Verwandten anderer Patienten auf der Intensivstation Geld geboten hätten. Davon, wie die Familie wechselnde Anfahrtswege wählte und Security-Mitarbeiter die Position der Reporter-Pulks vorab durchgaben.
  • Würden die Bild-Blätter ein Foto von Michael Schumacher drucken? - "Niemals", sagt Alfred Draxler.
  • Gibt es Prominente, die Paparazzi selbst Tipps für ein gutes Foto geben? Draxler und Paparazzo Hans Paul (hier im SZ.de-Interview) bestätigen das und sprechen von "kontrolliertem Abschuss".
  • Gibt es in Redaktionen wirklich den "Giftschrank" von unveröffentlichten Geschichten über Prominente? - "So voll ist er nicht", sagt Bild-Mann Draxler.
  • Warum wählte Monica Lierhaus 2011 die Verleihung der Goldenen Kamera, um in die Öffentlichkeit zurückzukehren? - Seine Lebensgefährtin habe gefürchtet, als "Monster" wahrgenommen zu werden, sagt Hellgardt. Sie habe vielen Leuten auf einen Schlag zeigen wollen: "So bin ich heute, und so ist es."
  • Wer liest eigentlich Yellow Press? - Frauen über 70 - und davon viele Millionen. Medienblogger Moritz Tschermak erklärt in der Sendung die Strategie der People-Blätter.
  • Warum war kein Vertreter dieser Blätter in der Show? - Weil niemand gekommen ist. Die Redaktion hatte zahlreiche Gäste aus der Regenbogenpresse angefragt und blendet eine gefühlte Minute lang die Titel der Blätter ein, die Jauch einen Korb gegeben haben. "... Frau mit Herz - Woche der Frau - Neue Woche - Schöne Woche - Prima Woche ..."

Am Ende schlägt Jauch den Bogen zurück zur Eröffnungsfrage des Abends, der nach Michael Schumacher. Ob sie denn auch künftig die Öffentlichkeit über entscheidende Entwicklungen informieren werde, will er von Sabine Kehm wissen. Die Sprecherin nickt und fügt hinzu: "Unser Wunsch wäre schon, dass ab dem Moment, in dem Michael in eine Reha-Klinik gehen könnte, dass wir dann die mediale Begleitung unsererseits einstellen." Es wird nicht lange dauern, bis diverse Interpretationen dieses Satzes in diversen Medien nachzulesen sind.

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