FDP-Kampagne für die Europawahl:Mit Look und "Kleems" gegen Kleinstparteien

Alexander Graf Lambsdorff, Europawahl

Alexander Graf Lambsdorff: Will ein besonderes "Näheverhältnis" zum Wähler.

(Foto: dpa)

Besonders wichtig ist der Look. Und die "Kleems". Spitzenkandidat Alexander Graf Lambsdorff und Generalsekretärin Nicola Beer stellen die Kampagne der FDP vor und kritisieren seltsamerweise den Wegfall der Drei-Prozent-Hürde.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Drei Sitzreihen mit jeweils sechs Stühlen. Und nicht mal die sind alle besetzt. Im Thomas-Dehler-Haus in Berlin-Mitte hat die FDP zur Pressekonferenz geladen. Der Raum, in dem sie stattfindet, ist kaum größer als ein Wohnzimmer. Es ist die Bibliothek im Walter-Scheel-Zentrum, einer Art Mini-Museum zu Ehren des früheren Bundespräsidenten und bis dato zweiten FDP-Mann in diesem höchsten Staatsamt. Es kann für 250 Euro am Tag gemietet werden.

Vorne im Museum stehen Alexander Graf Lambsdorff, Spitzenkandidat der FDP für die Europawahl. Und Nicola Beer, FDP-Generalsekretärin. Sie stellen die Wahlkampagne der Partei vor.

Die beiden scheinen erleichtert zu sein, dass überhaupt jemand gekommen ist. Seit neustem sind sie in der FDP-Zentrale schon froh, wenn sich überhaupt noch eine Handvoll Journalisten in die Parteizentrale verirrt. Die früher üblichen montäglichen Pressekonferenzen nach den Gremiensitzungen haben sie mangels Beteiligung inzwischen eingestellt. Nutzt ja nichts.

Die FDP ist gerade in einer Art Zwischenwelt gefangen. Raus aus dem Parlament heißt auch raus aus den Medien, raus aus weiten Teilen der Öffentlichkeit. Was wiederum die Chancen auf einen neuen Wahlerfolg schmälert.

Neu ist der "Look". Vier Mal nimmt Beer das Wort in den Mund. Muss also wichtig sein, die Sache mit dem Look. Der neue Look der FDP sieht so aus: Spitzenkandidat Lambsdorff sitzt auf den Plakaten auf einem Hocker, Oberkörper nach vorne gebeugt, Ellenbogen auf den Knien. Die Hände sind auf dem einen Plakat zusammengelegt, auf dem anderen geöffnet. Lambsdorff trägt blaues Jackett, keine Krawatte und den Hemdkragen offen. Aber: Manschettenknöpfe. Sagen wir mal so: So richtig der Kracher ist der Look nicht.

Was die Sitzposition widerspiegelt

Beer macht den Eindruck, als habe sie nichts dem Zufall überlassen. Der Stuhl auf dem Lambsdorff sitzt, sei ein Hocker, "der in jedem Haushalt gefunden werden könnte". Die Sitzposition von Lambsdorff spiegele ein besonderes "Näheverhältnis" des Kandidaten zum Betrachter wider. Die Botschaft ist klar, findet Beer: Europa muss menschlicher werden.

Sie eröffnet den Journalisten, Lambsdorff sitze unschwer zu erkennen vor einer "physisch sehr harten Betonwand". Was dafür sprechen soll, dass die FDP im Wahlkampf "knallhart" ihre Themen ansprechen werde. Nur fällt es schwer, die Wand hinter Lambsdorff als Beton zu identifizieren. Irgendwer scheint sie mit blauer Schwammtechnik betupft zu haben, was dem Beton die sichtbare Knallhärte nimmt. In den Achtzigern war das mal in den Praxen von Heilpraktikern modern - allerdings eher in Orange als in Blau.

Vielleicht hätte Beer mal auf der Internetseite der FDP-Europaabgeordneten Nadja Hirsch aus Bayern vorbeischauen sollen, was neuer "Look" auch bedeuten kann. Die FDP heißt dort "NEUE FDP" und die Farben Gelb und Königsblau sind auch verschwunden. Stattdessen begrüßt einen die Seite in poppigem Lila und Blassblau.

Wichtig sind natürlich auch die "Kleems", wie Beer phonetisch leicht verrückt mitteilt. Also die "Claims", oder altdeutsch "Wahlwerbesprüche" auf den Plakaten. Vom Look und vom Kleem her trete die FDP klar pro europäisch auf. Irgendwas für "unser Europa" steht auf den Plakaten. Und dazu eingängige Sätze wie: "Mehr Chancen statt Schulden". Oder "Chancen für jeden statt Regeln für alles". Oder "Freies Netz statt Schnüffelei". Oder einfach nur "Alexander Graf Lambsdorff".

Bescheiden sind sie geworden, die Liberalen

Letzteres dürfte besonders wichtig sein. Die älteren Semester können mit dem Namen Lambsdorff wahrscheinlich noch was anfangen, meinen aber Otto Graf Lambsdorff, den langjährigen FDP-Chef, Wirtschaftsminister und verurteilten Steuerhinterzieher. Im Jahr 2009 gestorben, gehörte er einer FDP an, die noch was galt. Alexander Graf Lambsdorff ist sein Neffe.

Und? Was ist das Wahlziel? Parteivize Wolfgang Kubicki hat mal fünf Prozent ausgegeben. Parteichef Christian Lindner will sich nicht festlegen. Und Lambsdorff? Der auch nicht. Dann aber kritisiert er, dass das Bundesverfassungsgericht die deutsche Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl gekippt habe. Weil jetzt auch Kleinstparteien ins Europaparlament einziehen würden, koste das auch der FDP Mandate.

Moment mal. Sollte die FDP nicht froh sein? Jetzt muss sie am Wahlabend wenigstens nicht wieder zittern, ob sie es ins Parlament schafft.

Lambsdorff sieht das so: In Umfragen "oszilliere" die FDP um vier Prozent. Er jedenfalls hoffe deshalb, dass seine Partei nicht in die Nähe der alten Drei-Prozent-Hürde komme. Na, das ist doch auch ein Wahlziel: Auf keinen Fall zu nahe an drei Prozent. Bescheiden sind sie geworden, die Liberalen.

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