Mutmaßlicher Mörder:Die Angst geht um in Liechtenstein

Hermann Frick Banker Mord

Er nannte sich der "Robin Hood von Liechtenstein": Der mutmaßliche Mörder Jürgen Hermann

(Foto: AFP)

Hat sich der mutmaßliche Mörder des Bankers Jürgen Frick wirklich das Leben genommen? Oder geht noch Gefahr von ihm aus? Selbst die Polizei im Fürstentum Liechtenstein scheint an der These vom Freitod zu zweifeln.

Von Uwe Ritzer, Vaduz

Zur Beerdigung des Opfers kamen auch Angehörige des mutmaßlichen Mörders. Das war vorab zwischen beiden Familien so besprochen worden. Als "Zeichen der Christlichkeit und Mitmenschlichkeit", wie es hieß. Etwas anderes wäre auch schwierig gewesen im kleinen Fürstentum Liechtenstein, wo viele der 36 000 Einwohner irgendwie miteinander verwandt sind. An der Trauerzeremonie in Balzers zu Ehren des ermordeten Bankiers Jürgen Frick nahmen zudem das Staatsoberhaupt Erbprinz Alois sowie fast die komplette Regierung des Landes teil - und vor allem viele Sicherheitskräfte. Denn seit den tödlichen Schüssen vom Montag voriger Woche geht die Angst um im Fürstentum Liechtenstein. Vor allem die Finanzwelt ist erschüttert und fürchtet sich.

Am Morgen des 7. April, kurz nach 7 Uhr, wurde der 48-jährige Jürgen Frick, Gründer und Chef der Privatbank Frick, in der Tiefgarage des Geldhauses in Balzers erschossen. Mutmaßlich von Jürgen Hermann, 59. Das legen Bilder aus einer Überwachungskamera nahe und auch ein Geständnis Hermanns. "Ich habe ihn erschossen, wie er es verdient hat. So ist das Leben", hatte Hermann in englischer Sprache in seinen Reisepass geschrieben.

Den und andere persönliche Habseligkeiten Hermanns fand ein Suchhund am Rheinufer bei Ruggell, 25 Kilometer vom Tatort entfernt am anderen Ende Liechtensteins. Von Jürgen Hermann aber fehlt seit der Bluttat jede Spur. Die Polizei erklärt, sie gehe von einem Suizid aus, Hermann habe seinem Leben vermutlich im Rhein ein Ende gesetzt. Der Fluss führt um diese Jahreszeit zwar wenig Wasser, an der bewussten Stelle gibt es aber lebensgefährliche Strudel.

Alles nur Show?

Die Polizei stützt ihre Suizid-Theorie vor allem auf einen Abschiedsbrief. "Lebt wohl meine Liebsten. Es war eine wunderbare Zeit mit Euch", hatte Hermann geschrieben. "Um Euch zu retten habe ich den Freitod gewählt." Alles nur Show?

"Die meisten hier glauben nicht an einen Selbstmord", sagt eine alteingesessene Liechtensteinerin, "sondern daran, dass Jürgen Hermann geflohen ist und seine Flucht gut geplant und inszeniert hat." Die Frau kennt Hermann gut. "Er war überaus intelligent, hatte eine extrem hohe Meinung von sich, sah sich als gerechter Rächer und hatte eine ungeheure Wut. So jemand bringt sich nicht einfach um." Ganz abgesehen davon, dass Jürgen Hermann seit frühester Jugend als exzellenter Taucher gilt, der sich auch in schwierigen Gewässern zurecht findet. Viele in Liechtenstein trauen ihm zu, seine Flucht und sein Untertauchen raffiniert geplant zu haben.

"Nun hat er erreicht, was er wollte: Das Gefühl der Sicherheit und Harmonie ist weg."

Jürgen Hermann war Finanzmanager. Er legte vor einigen Jahren zwei Fonds auf, die zusammenbrachen, als die Finanzaufsicht sie wegen angeblich zu marktschreierischer Werbung an die Kandare nahm. Seither focht Hermann einen immer wütenderen Kampf gegen die Behörde, die Politik, die Justiz, das Fürstenhaus sowie die involvierte Bank Frick und ihren (nunmehr getöteten) Gründer.

Liechtenstein sei ein Schurkenstaat, so Hermanns Lesart. Aus seiner Wut wurde Hass, zumal er mit Klagen juristisch scheiterte. Er sah oder sieht sich als Opfer eines Komplotts der Liechtensteiner Elite, er fühlte sich um ein Millionenvermögen geprellt. "Auge um Auge, Zahn um Zahn", hatte er in einer seiner letzten E-Mails Gegnern angedroht. Drei Tage vor der Tat.

"Nun hat er erreicht, was er wollte", sagt ein ehemaliger Würdenträger des Landes. "Das Gefühl der Sicherheit und Harmonie in Liechtenstein ist weg." Das Fürstentum findet sich in diesen Tagen in einem Albtraum wieder. Ausgerechnet dieses kleine Land, dem nichts heiliger erscheint als die Ruhe, in der man seinen diskreten Geldgeschäften nachgehen will.

Die Nervosität ist greifbar. Die Regierung lässt sich laufend und teilweise mehrmals täglich über den Stand der Ermittlungen informieren. Die Pforten vieler Banken und anderer Einrichtungen sind stärker gesichert als sonst. Weithin sichtbar steht vor dem Regierungsgebäude in Vaduz der einem Polizeiauto ähnliche Kombi einer privaten Sicherheitsfirma, denn die Polizei schafft es alleine nicht mehr, alles und jeden zu bewachen. Richter, die mit dem Fall Hermann zu tun hatten, aber auch Politiker oder andere Beteiligte baten die Polizei um Schutz. Und so nachdrücklich diese auch die Version vom wahrscheinlichen Freitod Hermanns verbreitet, so sehr scheint sie selbst daran zu zweifeln.

"Die Bevölkerung ist verunsichert"

Gleich nach seinem Verschwinden wurden ein Dutzend Menschen, die als Haupt-Feinde Hermanns identifiziert wurden, gewarnt und zu erhöhter Vorsicht aufgefordert. Einem soll sogar geraten worden sein, in Urlaub zu fahren. Die Polizei hat auch Interpol eingeschaltet und Hermann auf die Fahndungslisten setzen lassen. Offen räumte Polizeichef Jules Hoch in einem Interview mit der Vaduzer Zeitung Vaterland ein: "Wir haben ein Sicherheitsproblem, die Menschen fühlen sich bedroht. Die Bevölkerung ist verunsichert."

Fünf Tage lang hatte die Polizei am Rhein ebenso intensiv wie ergebnislos nach Spuren Hermanns gesucht, doch nur gefunden, was sie offenkundig finden sollte. Fein säuberlich hatte Hermann am Rheinufer Jacke, Schlüssel, Führerschein, Pass und persönliche Notizen drapiert. Die Tatwaffe aber, eine Pistole, und sein Handy sind verschwunden. Hermann gilt als Mann mit guten Kontakten ins Ausland, vor allem in die USA, wo der Liechtensteiner 18 Jahre lang gelebt und es zu Reichtum gebracht hatte. "Wer ihn kennt", sagt jemand aus dem Justizapparat, "traut ihm mühelos zu, dass er sich eine falsche Identität organisiert hat."

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