Rente mit 63:Koalition uneins über "Flexi-Rente"

Der Wirtschaftsflügel der Union will ältere Menschen gern länger arbeiten lassen, das Ministerium lehnt Erleichterungen jedoch ab. In der Union sind nun manche "irritiert".

Von Robert Roßmann, Berlin

Das Schreiben des Arbeitsministeriums ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten. Und es ist nicht gerade eine Liebeserklärung an den Wirtschaftsflügel der Union. "Konkrete Vorschläge zur Weiterbeschäftigung von Rentnerinnen und Rentnern" würden im Ministerium derzeit "nicht diskutiert", heißt es lapidar in der Antwort auf eine Grünen-Anfrage.

Dabei ist die leichtere Beschäftigung von Rentnern über die Altersgrenze hinaus eine zentrale Forderung des Wirtschaftsflügels. Dieser lehnt die Rente mit 63 ab, weil er eine neue Frühverrentungswelle befürchtet. Da er die Rente mit 63 aber nicht mehr verhindern kann, verlangt er zum Ausgleich eine "Flexi-Rente" für Ältere. Menschen sollen, wenn sie denn wollen und können, leichter über die Altersgrenze von derzeit 65 Jahren hinaus arbeiten können.

Die "Flexi-Rente" hat der Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann (CDU), auf die Agenda gebracht. Inzwischen genießt sie auch das Wohlwollen von Unionsfraktionschef Volker Kauder. Derzeit muss ein Arbeitgeber, wenn er beispielsweise einen 66-jährigen Facharbeiter beschäftigt, für diesen Beiträge zur Renten- und zur Arbeitslosenversicherung zahlen, obwohl der Angestellte davon nichts hat. Denn seine Rente steigt durch die zusätzlich gezahlten Beiträge nicht mehr. Und in den Genuss von Arbeitslosengeld kommt der Facharbeiter selbst dann nicht, wenn er entlassen wird. Dann gilt er nämlich wieder als Rentner - und nicht als Arbeitsloser. Neben diesen Versicherungsbeiträgen gibt es eine zweite Auflage für Arbeitgeber: Sie dürfen Menschen jenseits der Altersgrenze nur unbefristet einstellen.

Benachteiligung der Jungen?

Für Linnemann sind diese Regeln ein Beschäftigungshemmnis. Er will sie abschaffen und älteren Arbeitnehmern damit einen flexibleren Übergang in die Rente, die "Flexi-Rente", ermöglichen. Das Arbeitsministerium hält davon jedoch wenig. In seiner jetzt bekannt gewordenen Antwort schätzt es die Einnahmeausfälle durch ein Ende der Beitragspflicht auf "knapp eine Milliarde Euro in der gesetzlichen Rentenversicherung" und auf 60 bis 80 Millionen Euro in der Arbeitslosenversicherung. Außerdem verweist es auf die Wettbewerbsverzerrung, die ein Wegfall zur Folge hätte: Für jüngere Beschäftigte müssten Arbeitgeber Versicherungsbeiträge entrichten, für die Älteren aber nicht - das benachteilige die Jungen.

Für Linnemann sind das "Argumente aus den 60er Jahren". Eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den Generationen könne er "in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels" nicht erkennen - inzwischen würden Jüngere und Ältere gebraucht, sagt er der Süddeutschen Zeitung. Außerdem seien die Zahlen des Ministeriums aufgebauscht. Dieses habe in die Berechnungen auch die Mini-Jobs aufgenommen, obwohl er für diese gar kein Ende der Beitragspflicht verlange. Ihm gehe es lediglich um reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

Der Beitragsausfall durch seine Flexi-Rente belaufe sich deshalb nur auf 367 Millionen Euro. Dieser werde durch zusätzliche Steuereinnahmen durch die wachsende Beschäftigung Älterer überkompensiert. Die Antwort des Ministeriums habe ihn deshalb "irritiert", sagt Linnemann. Schließlich habe Ministerin Andrea Nahles noch Anfang April im Bundestag erklärt, sie sei gesprächsbereit.

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