Borgward-Werkstatt:Isabellas Schönheitssalon

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Borgward Isabella: Zur Reparatur und Pflege sind diese Autos bei Volker und Wolfgang Wischnewski in den besten Händen.

(Foto: Andreas Riedmann / Autorevue)

Einst waren sie ein Verkaufsschlager, heute gibt es weltweit nur noch 3000 Fahrzeuge des Bremer Autobauers Borgward. In einer Markenwerkstatt in Niedersachsen pflegen Vater und Sohn hingebungsvoll die Liebhaberstücke.

Von Benjamin Gleue

Die Szenerie lässt an eine Zeitmaschine oder eine Filmkulisse denken, wie auf Knopfdruck werden wir zurück in das Jahr 1955 katapultiert: Rot-weiß-leuchtende Zapfsäulen des schon lange nicht mehr existierenden Mineralölherstellers Gasolin funkeln in der Mittagssonne. Historische Werbetafeln zieren die Außenfassade sowie die große Fensterverglasung der 1938 errichteten Tankstelle. Aus einem Radio in der angegliederten Werkstatt hört man Elvis Presley seinen Hit "Don't be cruel" singen, und vor einer der Zapfsäulen parkt eine Borgward Isabella.

Im niedersächsischen Bruchhausen-Vilsen zwischen Hannover und Bremen scheint die Zeit Ende der Fünfzigerjahre stehen geblieben zu sein. Was aussieht wie die perfekte Dekoration für einen Heimatfilm ist seit zwei Familiengenerationen gelebte Realität. Hier betreibt Volker Wischnewski eine Borgward Markenwerkstatt, obwohl der Bremer Automobilhersteller bereits 1961 Konkurs ging.

Nur rund 3000 Fahrzeuge des Bremer Autobauers Carl F. W. Borgward gibt es weltweit noch, Wischnewski hat sich auf die Reparatur der Oldtimer spezialisiert und damit sein Hobby zum Beruf gemacht. Gemeinsam mit Vater Wolfgang Wischnewski schraubt er täglich an Autos aus den ehemaligen Borgward-, Goliath- oder Lloydwerken. Kaum ist der Winter den ersten Sonnenstrahlen und frühlingshaften Temperaturen gewichen, gehen die Garagentore auf und die Borgward-Liebhaber melden sich bei den Wischnewskis. Inspektion, Hauptuntersuchung und kleinere Wartungsarbeiten sowie langwierige Tüfteleien stehen an.

"Wir leben von Mund-zu-Mund-Referenzen"

Kleinere Ersatzteile haben die Wischnewskis vorrätig: "Es ist unglaublich, was einem alles zufällig in die Hände fällt. Besonders die Isabella ist gut versorgt", erzählt Volker Wischnewski. Spezielle Wünsche und ausgefallene Dinge müssen indes extra nachgefertigt werden. Die Kunden brauchen Geduld. Unter vier bis sechs Wochen ist kein Termin zu bekommen, bei größeren Karosserie- oder Motorarbeiten beträgt die Wartezeit schon mal bis zu einem Jahr.

"Wir leben von Mund-zu-Mund-Referenzen", erzählt Volker Wischnewski. Einen eigenen Internetauftritt braucht er nicht. Die Borgward-Fangemeinde kennt ihn und er kennt die Borgward-Fangemeinde. Sein fester Kundenstamm ist zwar überwiegend in Norddeutschland ansässig, er betreut aber auch Sammlerstücke der Wirtschaftswundermarke in der Schweiz, Belgien, den USA und Australien.

Seine Liebe zu den Fahrzeugen aus dem Hause Borgward bekam Wischnewski quasi in die Wiege gelegt. "In meiner Jugend waren es Autos für arme Leute", erzählt der heute 42-Jährige. Als er in Kindertagen von seiner Mutter in einem Borgward zur Schule gebracht wurde, fuhren die meisten anderen Eltern ihre Sprösslinge längst mit einem VW Polo, Golf oder Mercedes vor. "Kinder können grausam sein", erinnert er sich. Des Öfteren wurde er von seinen Mitschülern wegen des alten Autos aufgezogen, seiner Liebe zu den heutigen Kultfahrzeugen tat dies aber keinen Abbruch.

Sohn Volker begann früh mit dem Schrauben und Reparieren

Sein Vater betrieb damals eine Werkstatt in Achim bei Bremen. Spezialisiert auf Borgward war er nicht, doch arbeitete er fast zwangsläufig an vielen dieser Fahrzeuge. "Die Region zwischen Bruchhausen-Vilsen und Bremen war kein Käfer-Land", erzählt Vater Wolfgang Wischnewski mit Blick auf den meistverkauften Volkswagen aus dem nur knapp 200 Kilometer entfernten Wolfsburg.

Und auch Sohn Volker begann früh mit dem Schrauben und Reparieren. Mit 17 Jahren machte er einen Lloyd Alexander TS fahrtüchtig und fuhr damit später täglich zur Karosseriebauer-Ausbildung nach Bremen. Im Anschluss absolvierte er in Achim eine zweite Ausbildung zum KFZ-Mechaniker und setzte danach noch den KFZ-Meister drauf. 1999 beschloss Volker Wischnewski sich in Bruchhausen-Vilsen selbständig zu machen und eröffnete die Werkstatt in der alten Tankstelle, die sich seit 1970 in Familienbesitz befindet.

Die Borgward-Fans kamen aus alter Verbundenheit weiterhin zu seinem Vater und Sohn Volker schraubte nach wie vor gern an den in die Jahre gekommenen Fahrzeugen. Doch die Automobilindustrie entwickelte sich rasant weiter. Immer mehr Technik und Elektronik wurde in den Wagen verbaut, neue Berufe wie Mechatroniker und andere Spezialisierungen entstanden. Schließlich standen die Wischnewskis vor der Wahl, die Werkstatt zu modernisieren oder abzureißen. "Wir haben den Anschluss verpasst", erklärt Vater Wolfgang. "Das kann man ganz klar so sagen."

Immer wieder kommen Interessierte

Sein Filius indes entschloss sich, einen anderen Weg zu gehen und spezialisierte sich gänzlich auf die Reparatur von Borgward-Modellen. Es war die richtige Entscheidung. Als die Liebhaberautos Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre Kultstatus erlangten, boomte das Geschäft. "Von dem Moment an haben die Leute viel Geld investiert", erinnert sich Volker Wischnewski. Umbauarbeiten an der Werkstatt gab es nicht, neue Technik war ebenfalls nicht nötig. Die Spezialisten arbeiten nach jahrzehntelanger Erfahrung mit den Borgwards auch heute noch nach Gefühl und Gehör.

Mittlerweile hat sogar ihre Werkstatt Kultstatus erreicht. "Der äußere Anstrich lädt zur Fotosafari ein", sagt Volker Wischnewski. Immer wieder kommen Interessierte, um die alte Tankstelle abzulichten oder einen Schnappschuss von den zahlreichen Borgward-Fahrzeugen auf dem Hof zu machen. An den beiden knallrot-weißen Gasolin-Tanksäulen konnten Autofahrer früher Diesel tanken, heute dienen sie einzig der Dekoration.

Immer wieder kommen interessierte Oldtimerfans zu Wischnewski und erkundigen sich, ob einer der alten Wagen zu kaufen sei. Doch ist dies nicht möglich. "Wenn die Leute zufrieden sind, verkaufen sie nicht", sagt Volker Wischnewski. Er selbst hat mehrere Borgward-Modelle in seinem Besitz. Trennen wird er sich aber nicht von ihnen. Nur im täglichen Gebrauch geht er fremd: Volker Wischnewski fährt einen alten, klapprigen Ford. Für den Alltag sind die Borgwards heute viel zu schade.

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