Kreuzer "Emden" im Ersten Weltkrieg:Des Kaisers Kaperschiff

Wrack des deutschen Kreuzers "Emden", 1915

Wrack der Emden 1915 bei den Kokosinseln.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Im Alleingang startet 1914 das kleine deutsche Kriegsschiff "Emden" einen tollkühnen Seekrieg im Indischen Ozean, der die Briten nachhaltig beeindruckt. Nach drei Monaten endet die Kaperfahrt - eine filmreife Flucht beginnt.

Es ist ein kleines deutsches Kriegsschiff, das von August bis November 1914 die Seemacht Großbritannien nervt. Die SMS Emden ist im Indischen Ozean unterwegs, schießt Ölanlagen im britisch-indischen Madras in Brand, kapert und zerstört 23 gegnerische Handelsschiffe im Golf von Bengalen. Zwischendurch laufen die Deutschen eine von den Briten kontrollierte Insel an und werden freundlich empfangen - die Kunde vom Kriegsausbruch ist dorthin noch nicht vorgedrungen.

Im malaysischen Hafen Penang versenkt die Emden schließlich sogar ein russisches und ein französisches Kriegsschiff. Die mächtige Royal Navy ist aufgeschreckt und macht sich auf die Jagd nach dem Kreuzer, der über 18 Bordkanonen und zwei Torpedorohre verfügt. Die Pläne für Truppentransporte werden geändert, mehrere Schiffe suchen nach der Emden.

Nach etwa drei Monaten endet die Kaperfahrt der deutschen Seeleute vor den Kokosinseln. Bei einem Gefecht schießt der australische Kreuzer Sydney die Emden am 9. November 1914 im Indischen Ozean kampfunfähig. Mehr als 130 Seeleute - fast die Hälfte der Besatzung - sterben bei der Schlacht. Als die Briten Kommandant Karl von Müller bei seiner Gefangennahme attestieren, gut gekämpft zu haben, sagt er grimmig: "Wenn unsere Sprachrohre nicht gleich zu Anfang des Gefechtes zerschossen worden wären, wäre der Kampf vielleicht etwas anders ausgefallen."

Nur wenige Monate später wird im März 1915 mit dem Kreuzer Dresden auch das letzte deutsche Kriegsschiff des ehemaligen Ostasiengeschwaders vernichtet. Die Briten feiern die Wiederherstellung ihrer alten Vormachtstellung in Übersee, die Geschichte der Kolonien des Kaiserreichs in Fernost ist damit faktisch beendet. Was bis heute geblieben ist: der Mythos um die Emden und ihre Besatzung.

Das gefährlichste Kaperschiff des Kaisers wird 1914 durch das Aufbringen zahlreicher Schiffe beim Gegner bekannt, gefürchtet - und geachtet: Die Emden-Crew schont angeblich Menschenleben und behandelt die Gefangenen gut. Britische und australische Zeitungen bezeichnen die deutschen Marinesoldaten sogar als "gentlemen of war". Die Londoner Times merkt an, von dem deutschen Schiff sei "keine Handlung von Rohheit" ausgegangen - die vielen versenkten Schiffe und toten Matrosen hatten für den Journalisten damals offenbar nichts mit Brutalität zu tun.

Drei Filme haben sich der 1909 in Dienst gestellten Emden gewidmet. Das Historiendrama "Die Männer der Emden" läuft demnächt, noch im April 2014, erstmals im Fernsehen.

"Auf der Emden gab es keine Kriegsbegeisterung", sagt der Oldenburger Björn von Mücke, Sohn des damaligen Ersten Offiziers. Er bezieht sich auf Erzählungen seines Vaters. Kurz vor Ausbruch des Krieges hätten deutsche und britische Soldaten noch freundschaftlich gemeinsam Sport getrieben, nun standen sie sich als Feinde gegenüber: "Das war schwer zu verkraften."

Entkommen dank eines maroden Schoners

Ein weiteres Drama beginnt erst nach der Seeschlacht und dem Tod der halben Besatzung. Ein Teil der überlebenden Mannschaft wird von den siegreichen Australiern als Kriegsgefangene aufgenommen und gut behandelt. Diese Männer sollten den Krieg über auf Malta interniert bleiben und Deutschland erst 1919 wiedersehen.

Allerdings gibt es noch eine weitere Gruppe. Sie hatte vor dem Gefecht die Emden verlassen, um eine Funkstation auf den Kokos-Inseln zu zerstören. Das Seegefecht beobachten diese Männer von der Küste aus. Sie wollen nicht aufgeben und entschließen sich zu einer abenteuerlichen Flucht. Der Erste Offizier, Kapitänleutnant Hellmuth von Mücke, sollte die Odyssee um die halbe Welt anführen.

Deutscher Kreuzer "Emden" im 2. Weltkrieg

Überlebende Matrosen der Emden als Kriegsgefangene 1916 auf der Insel Malta.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Die Deutschen flüchten auf einem Segelschiff von der Insel, bevor die Australier sie gefangen nehmen können. Das Schiff ist marode, in den Trinkwassertanks fault es und Meerwasser dringt immer wieder ins Schiffsinnere. Doch der Törn nach Indonesien gelingt.

Dort sind die Deutschen nicht willkommen. Indonesien gehört damals zu den Niederlanden, die im Ersten Weltkrieg neutral sind. Binnen 24 Stunden müssen Mücke und seine Leute wieder auslaufen, doch mit Hilfe des deutschen Konsuls verabreden sich die Männer mit einem deutschen Frachter.

Durchs wilde Arabien - eine Flucht wie in einem Karl-May-Buch

Mit dem Handelsschiff gelangen sie nach Arabien, versuchen auf dem Landweg, Istanbul zu erreichen. Doch auf der Arabischen Halbinsel herrschen anarchische Verhältnisse. Es kommt zu Überfällen und einer Einladung eines lokalen Scheichs, die einer Geiselnahme gleicht. Einige Männer werden getötet.

Zudem haben die Briten ein Kopfgeld von 5000 englischen Pfund in Gold ausgesetzt, um Mücke und seine Mannschaft zu fassen. Doch die filmreife Flucht geht weiter: auf arabischen Schiffen, zu Fuß und mit Kamelen durch die Wüste. Es sind Erlebnisse wie aus einem Buch von Karl May.

Deutscher Kreuzer "Emden", 1914

Der Kreuzer Emden im Kriegsjahr 1914

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Schließlich gelangen die Männer zu einer Bahnlinie, die die Deutschen für das mit dem Kaiserreich verbündete Osmanische Reich gebaut haben. Sie sind gerettet. Im Mai 1915 erreichen die Seeleute Istanbul.

Im Juni sind sie zurück in Deutschland. In der Heimat, wo der sicher geglaubte Sieg ausbleibt und die Abnutzungsschlachten der Westfront erste Zweifel in der Bevölkerung aufkommen lassen, wecken Geschichten wie vom "Flieger von Tsingtau" und der SMS Emden noch einmal Zuversicht und Stolz. Mücke und seine Männer werden als Helden gefeiert.

Kaisertreuer Held, dann Nazi, am Ende Pazifist

Der kaisertreue Heimkehrer von Mücke wendet sich später enttäuscht von Wilhelm II. ab, als dieser bei Kriegsende ins Exil geht. Von Mücke wird Mitglied der NSDAP, verlässt die Partei aber vor der Machtergreifung wieder. Später fällt er bei den Nationalsozialisten in Ungnade und entgeht nach Angaben seines Sohnes dem Konzentrationslager.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wandelt sich der einstige Kriegsheld zum Pazifisten und agitiert gegen eine deutsche Wiederbewaffnung. "Er sah die Fehler der Politik und ging angesichts der atomaren Bedrohung im Kalten Krieg auf Distanz zum Militär", sagt sein Sohn.

Knapp 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges und dem Beginn der Kaperfahrt ist der Mythos des Kreuzers nach wie vor wirkmächtig. "He's a real Emden", gilt bis heute in einigen Regionen Asiens als Synonym für Attribute wie clever und fair. Zur Erinnerung an die Odyssee treffen sich noch heute Nachfahren der Überlebenden, die den vererbbaren Namenszusatz "Emden" tragen dürfen. In der Tradition des kleinen Kreuzers Emden steht auch die gleichnamige Bundeswehr-Fregatte, die unter anderem vor Somalia Piraten bekämpft.

Teile des Wracks der Emden liegen noch immer vor den Kokosinsel. Einige Geschütze wurden von Briten und Australiern geborgen (hier ein historisches Video), eine der Bordkanonen steht noch heute in Sydney. Zum 100. Jahrestag des historischen Seegefechts am 9. November ist ein Gedenkgottesdienst geplant. Deutsche und Australier wollen ihn gemeinsam begehen.

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