Bundesverwaltungsgericht:Grundschüler haben keinen Anspruch auf Ethikunterricht

Eine Mutter aus Baden-Württemberg klagt, weil die Grundschule ihrer Kinder keine Alternative zum Religionsunterricht anbietet. Das benachteilige konfessionslose Schüler. Das Bundesverwaltungsgericht sieht das anders - und beruft sich auf das Grundgesetz.

Immer mehr Kinder wachsen konfessionslos auf, zumindest in der Grundschule gibt es allerdings häufig keine Alternative zum Religionsunterricht. Müssen also auch Grundschulen für konfessionslose Kinder Ethikunterricht anbieten? Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute entschieden, dass ein solcher Anspruch nicht besteht: Das Grundgesetz verpflichte die Bundesländer nicht dazu, Ethik als Schulfach für diejenigen Schüler in der Grundschule anzubieten, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen - im Gegenteil.

Geklagt hatte eine dreifache Mutter aus Baden-Württemberg. Die 42-jährige Freiburgerin hatte verlangt, Ethik ab der ersten Klasse als Alternative zum Religionsunterricht anzubieten. Ihre Kinder, die keinem christlichen Glauben anhängen, würden sonst benachteiligt.

Die Klägerin argumentierte, sie habe ein Recht auf ethisch-moralische Bildung ihrer Kinder. Die Gruppe der konfessionslosen Kinder werde immer größer, auch für sie müsse es ein entsprechendes Bildungsangebot geben.

Das sahen die Bundesverwaltungsrichter anders. Das Grundgesetz schütze und privilegiere Religionsgemeinschaften in besonderer Weise. Im Gegensatz zu Religion sei Ethik als Unterrichtsfach nicht vorgeschrieben. Der Staat verfüge bei der Einrichtung von Schulfächern über Gestaltungsfreiheit, der Verzicht auf das Fach Ethik sei von dieser Freiheit gedeckt.

Zuvor hatte bereits der Verwaltungsgerichtshof Mannheim für rechtmäßig erachtet, dass Baden-Württemberg erst in höheren Klassen (7. oder 8. Klasse) Ethikunterricht im Rahmen eines eigenen Schulfachs anbietet.

Lehrergewerkschaft fordert Ethik für Grundschüler

Die baden-württembergische Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW, Doro Moritz, forderte am Morgen vor der Urteilsverkündung im Interview mit dem SWR von der grün-roten Landesregierung die zügige Einführung von Ethikunterricht ab der ersten Klasse.

Moritz kritisierte, dass man aus Kostengründen auf eine Wertevermittlung in der Schule verzichte. Das Schulgesetz verpflichte aber dazu, Schülerinnen und Schüler zur Anerkennung der Werte und Vorstellungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen: "Toleranz, Akzeptanz, den Umgang mit Leben und Natur". Hier habe die Schule einen "sehr klaren Auftrag", so die GEW-Landesvorsitzende.

Die Einführung des Ethikunterrichts ab Klasse eins scheitere ausschließlich am Geld, so Moritz weiter: die Schuldenbremse sei das "Totschlagargument" der grün-roten Landesregierung, mit dem jede Weiterentwicklung gestoppt werde. Für den Ethikunterricht in der Grundschule brauche das Land nur etwa 450 Lehrer - und damit halb so viele, wie die Regierung befürchtet, sagte die GEW-Landesvorsitzende im SWR-Tagesgespräch.

Änderungen bereits geplant

Bislang gibt es in Baden-Württemberg das Fach Ethik nach Angaben des Kultusministeriums je nach Schulform erst ab den Klassen sieben und acht. Änderungen sind geplant, jedoch gehöre der Ausbau des Ethikunterrichts zu den "ressourcenintensiven bildungspolitischen Reformprojekten". Andere Projekte hätten derzeit Vorrang.

Ob in Deutschlands Schulen Ethikunterricht angeboten wird und ab wann, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Schüler in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen können schon in der ersten Klasse zwischen Ethik und Religion wählen. In Baden-Württemberg gibt es das Fach Ethik bislang nach Angaben des Kulturministeriums je nach Schulform erst ab den Klassen 7 oder 8.

Ethik ist ein Teilgebiet der Philosophie. Der Ethikunterricht soll zum Nachdenken über gemeinsame Werte und den respektvollen Umgang miteinander anregen sowie den Dialog von Schülern unterschiedlicher Herkunft und Religion fördern. Unter anderem geht es um Fragen wie: "Ist es gut, wie wir leben?" oder "Wie können wir besser zusammenleben?".

(Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels stand, dass in Berlin ab der ersten Klasse Ethikunterricht erteilt wird. Das ist nicht korrekt. In Berlin wird Ethik von Klasse 7 bis 10 als Pflichtfach unterrichtet. Wir danken unseren Lesern für den Hinweis.)

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: