Doku "Rennen bis zum Rausch" auf 3sat:Bis zum Erbrechen

Rennen bis zum Rausch; "Rennen bis zum Rausch"

Szenenbild aus der 3sat-Doumentation "Rennen bis zum Rausch".

(Foto: Thomas Hies; DOCUVISTA Filmproduktion)

Zwei Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21 Kilometer Laufen - oder: ein halber Ironman-Wettkampf für Triathleten. Aber macht Ausdauersport bei solchen Umfängen wirklich noch Spaß? Eine sehenswerte Dokumentation auf 3sat geht der Frage nach.

Von Matthias Kohlmaier

Im Zielbereich liegen Menschen vor Schmerz und Überanstrengung zitternd auf dem Boden, teils in Fötusstellung zusammengekrümmt. Einige stehen abseits und übergeben sich. Wieder andere können immerhin einigermaßen aufrecht stehen und halten sich mit leisem Lächeln an einem Elektrolytgetränk fest. Sie alle haben eben an einem Triahtlonwettbewerb teilgenommen, dem Unbeteiligten jedoch stellen sich beim Betrachten der Szenerie ein paar Fragen: Macht das wirklich Spaß? Und kann Ausdauersport auf diesem Niveau tatsächlich noch gesund sein?

Die Wissenschaftsdokumentation Rennen bis zum Rausch. Extremsport als Massenbewegung auf 3sat beschäftigt sich mit dem Thema und versucht, diese Fragen zu beantworten. Dafür haben die Autoren Thomas Hies und Nils Priewe drei Sportler bei ihren Vorbereitungen für den eingangs beschriebenen Halb-Ironman (zwei Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren, 21 Kilometer Laufen) auf Lanzarote begleitet; drei Sportler, deren Voraussetzungen unterschiedlicher kaum sein könnten.

Da ist Triathlon-Profi Natascha Schmitt, 27, die ihr ganzes Leben an ihrem Sport ausrichtet und etwa 35 Stunden pro Woche trainiert. Dennoch kann sie derzeit nicht von Preis- und Sponsorengeldern leben und erstellt nebenbei gegen Bezahlung Trainingspläne für andere Sportler. Dazu kommt Zeitsoldat Jan-Erik Wittenhagen, 27, der neben seinem Dienst als Oberbootsmann jede freie Minute für das Ausdauertraining aufwendet. Und da ist der 58-jährige Bilanzbuchhalter Jürgen Bohm, der erst nach einem Schlaganfall intensiv mit Triathlon begonnen hat und trotz stressigem Job mit durchschnittlich 50 Arbeitsstunden pro Woche irgendwann fit genug für den berühmten Ironman auf Hawaii sein möchte.

Bahnenschwimmen um 22 Uhr

Gerade diese völlig unterschiedlichen Sportler - vom Vollprofi bis zum spätberufenen Hobbytriathleten - machen die Dokumentation sehenswert. Denn es zeigt sich ein Alltag, den die meisten Zuseher auf der heimischen Couch kaum nachvollziehen werden können. Zum Beispiel, wenn Jan-Erik von seinem großen Trainingseifer erzählt, der im Ausdauersport schnell negative Folgen haben kann. "Ich war die ganze Zeit niedergeschlagen und auch die Leistungen sind in den Keller gestürzt", erzählt er von einer Phase, als sein Körper den hohen Trainingsaufwand nicht mehr mitgemacht hat. Oder wenn Profi Natascha noch um 22 Uhr im Schwimmbad ihre Bahnen zieht, weil erst dann für Sportschwimmer wirklich Platz im Becken ist.

Eingerahmt wird das Ganze von den Kommentaren zweier Experten, die die Vorgänge im Körper eines Ausdauersportlers aus sportwissenschaftlicher Sicht erklären. Das ist an mancher Stelle etwas komplex und geht deutlich über schnöde Berieselung am Donnerstagabend hinaus - wer aber bei Begriffen wie "Myokine" oder "Glycol" nicht sofort mit Grausen an den Biologieunterricht vergangener Tage zurückdenkt, der sollte den Ausführungen passabel folgen können. Oder anders: So kann und darf Bildungsfernsehen aussehen.

Zu den eingangs gestellten Fragen: "Die Dosis macht das Gift", sagt ein Sportwissenschaftler dazu, ob Ausdauersport denn auf diesem Niveau noch gesund sei. Mancher Mensch sei eben für solch eine Belastung gemacht, ein anderer weniger. Es wäre aus Sicht des Experten bloß dringend zu wünschen, dass insbesondere Hobby-Ausdauersportler gut auf ihren Körper hörten, um Überlastungsschäden zu vermeiden.

Und der Spaß? "Einfach toll", sagt Buchhalter Jürgen, nachdem er auf Lanzarote nach etwa sieben Stunden Schinderei durchs Ziel geschlurft ist. Er sieht sehr glücklich dabei aus. Für den Gelegenheitssportler ist ein bisschen Glück aber bestimmt auch schon mit einer zwanzigminütigen Joggingrunde zu haben.

Rennen bis zum Rausch, 3sat, 20.15 Uhr

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