Intimbehaarung:Absurdes aus dem Schamgebiet

Intimbehaarung: Schamhaartoupet in Reizwäsche: Schaufenster-Puppen in einem American-Apparel-Laden in Soho, New York.

Schamhaartoupet in Reizwäsche: Schaufenster-Puppen in einem American-Apparel-Laden in Soho, New York.

(Foto: AFP)

Schamhaare, ja oder nein: Das ist die ganz große Frage. Aber will man wirklich wissen, wie der Kollege oder die Nachbarin zur Intimrasur steht? Bitte nicht!

Von Tanja Rest

Immer mehr Menschen reden über Schamhaare, und um den Stand der Debatte (tatsächlich: Debatte) hier noch einmal kurz wiederzugeben: Alles fing mit den geilen Männern an, die so lange von Youporn infiltriert worden waren, bis sie irgendwann auch von den Frauen, mit denen sie real ins Bett gingen, die blitzblanke Vulva forderten, woraufhin natürlich die Frauen, die ewigen Opferdummchen, ihre Schamhaare - Rrrratsch! - wegwaxen ließen, was die Feministinnen erboste, die eine blitzblanke Vulva bei einer erwachsenen Frau für den Rückfall in einen präpubertären, also unmündigen Kleinmädchen-Zustand hielten, wogegen allerdings die Tatsache sprach, dass auch die männlichen Genitalien immer blanker und also kindlicher wurden, obwohl, vielleicht auch bloß prominenter ("Je niedriger die Hecke, desto höher erscheint das Haus", Sky du Mont), dafür juchzten die Intimchirurgen, die sich der Optimierung der nun ja sichtbaren Schamlippen widmen konnten, was nicht nur die Feministinnen erboste, jetzt aber vielleicht auch schon wieder egal ist, denn wie jeder weiß, wurden in der Lower East Side von Manhattan inzwischen Schaufensterpuppen gesichtet, die zur Reizwäsche ein Schamhaartoupet tragen, was die New York Times zu einem viel beachteten Trendwendestück veranlasste mit dem Tenor "Bush is back".

Meinung, wo es keine braucht

In der Tat, und was folgt daraus? Auch Körperhaare sind Trends unterworfen. Gut, das wussten wir schon vorher. Wenn aber beispielsweise die taz Ex-Playboys und sonstige Experten nach vorne pfeift und aufsagen lässt, was vom vermeintlichen "Diktat der Rasur" zu halten ist, wenn sich in Internetforen zum Thema Kahlschlag-oder-nicht die Leute geifernd an die Gurgel gehen, dann scheint irgendwo in diesem Gestrüpp ein Richtig oder Falsch verborgen zu sein, das es zu ermitteln gilt. Offenbar sollen wir alle jetzt mal prinzipiell Stellung beziehen; was absurd ist. Als könne man allen Ernstes für oder gegen Schamhaare sein.

Jedenfalls berichten sie gerade flächendeckend. Die Boulevards, weil Madonna jetzt immerhin Achselhaar trägt, Hollywood aber weiterhin komplettrasiert sein soll. Die Feuilletons, weil das fehlende Schamhaar in das postmoderne Zeichensystem eingefügt werden muss. Die Gesellschaftsteile, weil das alles irgendwie mit der Emanzipation der Frau zu tun hat oder auch mit dem Gegenteil davon. Und die Wissenschafts-Ressorts, weil ja überhaupt noch zu klären ist, ob die rasierte Scham nicht die Gesundheit gefährdet (Stichwort "Genitalwarzen" und "Humane Papillomviren" - danke dafür, Spiegel online!).

Liest man diese Beiträge, stößt man oft auf die hüstelnde Vermeidungs-Vokabel "untenrum"; vor allem aber scheint es einen Haufen Autoren zu geben, die irre dankbar sind, sich die eigene Verklemmtheit endlich in Form beflissen recherchierter Features vom Leib zu schreiben und dabei Worte zu benutzen, die sie noch nie im Leben laut ausgesprochen haben.

Gezwungene Ungezwungenheit

Etwas ganz Ähnliches geschieht in der partiell gnadenlosen Nische der Freundeskreise. Vor ein paar Jahren konnte es einem da passieren, dass mitten in den entspanntesten Abend hinein ein lustig grienender Mensch das "Feuchtgebiete"-Buch auf den Tisch legte und kommandierte: "Jeder eine Seite! Reihum!" Und man wusste, wenn man sich hier weigerte, wenn man auch nur zögerte, wenn man die Seite jetzt nicht achselzuckend runterschnurren würde wie ein Cupcake-Rezept oder den Bundesligabericht, dann wäre man erledigt.

Die Feuchtgebiete waren irgendwann vorübergegurgelt, dafür gibt es nun die Scham-, Bein- und Achselgebiete. (Man muss dieser Debatte anerkennend zugute halten, dass sie es tatsächlich an die Freundeskreis-Tische geschafft hat; nicht jede Debatte kann das von sich behaupten.) Wer es ausprobieren will: Abwarten, bis sich der Tisch etwas Frivolität angetrunken hat, dann das Schamhaar-Wort in die Runde werfen, und schon geht das heitere Rumgekrampfe los.

Bloß nichts durchblicken lassen

Denn natürlich hat jeder etwas gelesen oder gesehen oder vom Frauenarzt oder der pubertierenden Tochter erzählt bekommen und meist auch eine Meinung dazu. Doch nun gilt es, diese Meinung vor Publikum so zu formulieren, dass sie keine Rückschlüsse zulässt, weder auf die eigene Verklemmtheit, noch auf das eigene Rasierverhalten. Ich-Sätze wie "Ich lasse bei mir alles wuchern" oder "Ich habe mir einen Landing Strip stehen lassen" fallen in solchen Runden eher nicht.

Es ist nämlich so: Wer sich die Schamhaare absäbelt oder es lässt und warum, das ist tatsächlich Privatsache, das geht keinen etwas an, und das will auch keiner wissen, der noch halbwegs bei Trost ist. Das muss, liebe Zeitgeist-Sezierer und Meinungsmuftis, im schlimmsten Fall noch nicht mal was bedeuten. Immerhin: Während die Debatte lärmend voranschreitet, ist vielleicht nicht die Schambehaarung, wohl aber das Schamgefühl vieler Menschen noch weitgehend intakt. Und das ist doch mal eine erfreuliche Nachricht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: