Rache im Tierreich:Furcht vor der fliegenden Mafia

Häherkuckuck, Clamator glandarius

Der Häherkuckuck (Clamator glandarius) kann zu rabiaten Mitteln greifen

(Foto: MPF / Wikimedia / CC-by-SA)

Kuckucke schmuggeln ihre Eier in fremde Nester. Doch wehe dem, der sich den Kuckuckskindern widersetzt. Dann kommt es zur Blutrache.

Von Christoph Behrens

Fliegen ihre Eier aus fremden Nestern, können Kuckucke schon mal rabiat werden: Arten wie der Häherkuckuck gehen dann zum Angriff über, beschädigen mutwillig die Eier der unbeugsamen Eltern, oder zerstören gleich das ganze Nest. Das erinnert ein wenig an einen Schlägertrupp, der ein Restaurant verwüstet, weil dessen Besitzer es versäumt hat, Schutzgeld an den örtlichen Mafiaklan zu zahlen.

Im Fall des verwüsteten Lokals ist die Absicht klar: Zerbrochene Scheiben und zersplittertes Holz sollen dem Wirt klarmachen, dass es günstiger ist, ein paar Scheine abzudrücken, als das ganze Inventar nachzurüsten. Doch wozu dient die Vergeltung im Tierreich? Schließlich haben die Kuckucke doch nichts mehr davon, ihr Ei ist bereits verloren. Und der Angriff auf die unwilligen Eltern kostet auch noch wertvolle Energie - eine scheinbar heißspornige, sinnlose Aktion.

Zyklus der Rache

Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Biologie glauben daher, die mafiöse Rache ergebe nur Sinn, wenn bei den Opfern ebenfalls eine Art Lerneffekt einsetze. "Um ein Nachspiel zu vermeiden, akzeptieren die Wirte einen gewissen Grad Parasitismus", schreiben die Forscher im Fachmagazin Scientific Reports. Das erkläre auch, warum Arten wie Elstern oftmals fremde Eier wie ihre eigenen ausbrüten und hegen, obwohl sie ganz anders aussehen. Die Vögel könnten zwar erkennen, dass der Nachwuchs nicht ihnen gehöre, tolerierten ihn aus Furcht vor Vergeltung aber trotzdem, so die Forscher. Die Kuckucke machten ihren Opfern also ein Angebot, dass sie nicht ablehnen können. "Sie lassen den Wirten keine Wahl", sagt die Erstautorin der Studie, Maria Abou Chakra. "Wenn sie Vergeltung vermeiden wollen, müssen sie das fremde Ei behalten."

Die Forscher testeten diese "Mafia-Hypothese" mit einem mathematischen Modell, das davon ausgeht, dass die Kuckucke ihre Opfer mit der Zeit disziplinieren, ähnlich wie Schlägertrupps störrische Ladenbesitzer "erziehen". Gibt es wenige Kuckucke, die Vergeltungsangriffe fliegen, dann sei es für die Rabeneltern günstiger, den fremden Nachwuchs aus dem Nest zu werfen, als ihn großzuziehen. Das fördert nach Ansicht der Forscher jedoch langfristig die mafiös agierenden Kuckucke, die Verwüstungen fremder Nester nehmen zu. Angesichts der erneut drohenden Zerstörung ihres Heims ist es dann für die Opfer günstiger, die Kuckuckskinder in der nächsten Brutperiode zu akzeptieren. Racheaktionen nehmen ab, und der Zyklus beginnt erneut.

In der Evolution hat sich neben dieser organisierten Kriminalität unter den Kuckucken noch eine zweite Strategie entwickelt. Manche Kuckuckseier sehen der Brut anderer Vögel verblüffend ähnlich, ahmen sie also nach. Doch der Weg der Vendetta habe einen unschätzbaren Vorteil. Setzen die Vögel auf Vergeltung statt Anpassung, so können sie ihre Eier fast jeder anderen Vogelart unterschieben, Größe und Form spielen keine Rolle mehr. Nur noch der Respekt vor der Kuckucksgang.

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