Ukraine im Umbruch:Putins Kurs

Der Russische Präsident Wladimir Putin leitet eine Sitzung des russischen Sicherheitsrates

Der Russische Präsident Wladimir Putin leitet eine Sitzung des russischen Sicherheitsrates.

(Foto: action press)

Die Dynamik des Konflikts nutzt dem russischen Präsidenten. Putin hat in der Ukraine drei Handlungsoptionen: Einmarschieren, dem Zerfall beiwohnen, bis ihm ein Teil des Landes von selbst zufällt, oder sich zurücknehmen. Die wahrscheinlichste Option bedeutet Unheil für die Ukraine - und Ungemach für die EU und die USA.

Ein Kommentar von Stefan Ulrich

Wladimir Putin marschiert, der Westen reagiert. Dieses Handlungsmuster prägt zur Zeit den Konflikt um die Ukraine. Der russische Präsident schickt Soldaten an die Grenze. Er droht mit militärischem Eingreifen. Er warnt, Moskau könne seine Gaslieferungen stoppen, von denen die Ukrainer abhängig sind. Die Regierung in Kiew sieht ziemlich hilflos zu, wie ihr Teile des Landes entgleiten und wie Provokateure teils ungeklärter Provenienz die Stimmung anheizen. Die EU und die USA setzen auf Appelle an den guten Willen des Kremls und auf Abschreckung durch sanfte Sanktionen. Funktioniert hat das bislang nicht. Putin rückt der Ostukraine immer näher.

Die Dynamik des Konflikts nützt dem russischen Präsidenten. Er hat drei Handlungsoptionen. Er könnte, erstens, bald in der Ostukraine einmarschieren, um diese, wie die Krim, zu annektieren. Das wäre jedoch riskant, weil es Russland derart eindeutig in die Rolle des Aggressors brächte, dass das Land gefährlich isoliert würde.

Verlockender dürfte Putin daher Option zwei erscheinen. Er dreht an den Stellschrauben Gas, Grenztruppen und innerukrainischer Provokationen und wohnt dem Zerfall der Ukraine so lange bei, bis ihm zumindest der Osten des Landes nahezu von selbst zufällt. Dann wäre da noch Option drei: Putin nimmt Druck aus dem Kessel. Er lässt sich nicht nur formal, wie vergangene Woche in Genf, sondern tatsächlich auf Verhandlungen mit dem Westen ein, fördert einen Ausgleich innerhalb der Ukraine und eine Stabilisierung des Landes unter Aufsicht der OSZE. So führt er Russland aus der Isolation und zeigt sich als verantwortlich agierender Staatsmann.

Kiew muss Moskau den Vorwand für aggressive Aktionen nehmen

Die Erfahrungen der vergangenen Wochen sprechen dagegen, dass sich der Regent im Kreml für diese letzte Variante entscheidet. Voraussichtlich folgt er Option zwei. Dies bedeutet Unheil für die Ukraine - und Ungemach für die EU und die USA. Diese müssen nun rasch die Frage beantworten, wie viel sie wirtschaftlich und politisch investieren wollen, um einen unabhängigen europäischen Staat vor einer Totalverstümmelung zu bewahren.

Vor allem gilt es jetzt, Moskau den Vorwand für aggressive Aktionen zu nehmen und zu zeigen, dass berechtigte russische Interessen ernst genommen werden. Die ukrainische Regierung hat bereits eine Verfassungsreform, die den Regionen mehr Macht einräumt, und eine stärkere Berücksichtigung der russischen Sprache angekündigt. Das sollte rasch umgesetzt werden. Zudem muss die Regierung zumindest ernsthaft versuchen, rechtsextreme Gruppierungen im Land zu bekämpfen.

Der Westen wird Kiew dabei finanziell und organisatorisch unterstützen. Zugleich sollte er sich zu scharfen Wirtschaftssanktionen durchringen, falls Putin die Ukraine weiter destabilisiert. Dabei ist klarzustellen: Strafmaßnahmen richten sich gegen die derzeitige Politik des Kremls, nicht gegen die Russen an sich. Russland ist dem Westen sehr willkommen, sobald es den revanchistischen und nationalistischen Kurs Putins verlässt.

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