Ukraine:USA schicken 600 Soldaten nach Polen und ins Baltikum

Masked pro-Russia protesters talk to each other as they stand on a barricade outside a regional government building in Donetsk

Maskierte prorussische Separatisten vor einem Regierungsgebäude in Donezk.

(Foto: REUTERS)

+++ Kiew nimmt "Anti-Terror-Einsatz" im Osten wieder auf +++ Angeblich Leichen zweier brutal gefolterter Menschen in der Ostukraine gefunden +++ Ukrainisches Verteidigungsministerium: Aufklärungsflugzeug über Slawjansk beschosssen +++

Die Entwicklungen im Newsblog.

  • Im Osten der Ukraine spitzt sich die Lage erneut zu - Kiew meldet den Beschuss eines Militärflugzeugs und den Fund zweier Leichen mit Folterspuren
  • Die USA verlegen hunderte Infanteriesoldaten nach Polen und in die baltischen Staaten
  • US-Vizepräsident Biden mahnt Russland zur Umsetzung des Friedensfahrplans
  • Polen fordert EU-Energieunion gegen Abhängigkeit von Russland
  • OSZE lobt Kiew für Umsetzung der Genfer Beschlüsse
  • Russland wirft Ukraine Verletzung Genfer Friedensbeschlüsse vor
  • USA legen "Beweise" für russische Beteiligung in Ostukraine vor

USA schicken mehrere Hundert Infanteriesoldaten nach Polen und ins Baltikum: Das US-Verteidigungsministerium verlegt etwa 600 Infanteriesoldaten nach Polen und in die baltischen Staaten. Die Einheiten würden in den kommenden Tagen an Militärübungen mit den NATO-Verbündeten teilnehmen, sagte Pentagonsprecher John Kirby am Dienstag in Washington. Den Angaben zufolge sollen 150 Soldaten einer in Italien stationierten Luftlandebrigade bereits am Mittwoch in Polen eintreffen. Weitere 450 Soldaten würden in den kommenden Tagen nach Estland, Litauen und Lettland geflogen. Die Verlegung von Truppen sei ein "sehr greifbares" Bekenntnis der USA zu den Sicherheitsverpflichtungen in Europa. Der Schritt sende eine "Botschaft" an Moskau, dass Washington diese Verpflichtungen "sehr ernst" nehme.

Wiederaufnahme des "Anti-Terror-Einsatz" in Ostukraine: Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow gibt eine Wiederaufnahme der "Anti-Terror-Maßnahmen" gegen prorussische Separatisten im Osten des Landes bekannt. Der Einsatz war über die Ostertage ausgesetzt worden. In der Nähe der Stadt Slawjansk seien zwei Leichname mit Folterspuren entdeckt worden, heißt es in einer Erklärung Turtschinows. Bei einem der beiden Todesopfer soll es sich um einen Kommunalpolitiker der proeuropäischen Partei der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko handeln. Diese Verbrechen seien mit Unterstützung Russlands verübt worden. Er rufe die Sicherheitskräfte zu wirksamen Maßnahmen auf, um ukrainische Bürger im Osten vor Terroristen zu schützen, erklärt der Präsident. In der Ostukraine halten prorussische Separatisten weiter mehrere Regierungsgebäude besetzt. Damit verstoßen sie gegen eine am Donnerstag zwischen der Ukraine, Russland, den USA und der EU in Genf geschlossene Vereinbarung, auf der die Hoffnungen für eine friedliche Lösung der Krise ruhen.

Ukrainisches Verteidigungsministerium meldet Beschuss von Militärflugzeug: Über der von prorussischen Milizionären kontrollierten Stadt Slawjansk in der Ostukraine ist am Dienstag ein ukrainisches Militärflugzeug beschossen worden. Das Aufklärungsflugzeug sei nach den Schüssen notgelandet, teilt das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Es habe keine Verletzten gegeben. Die Propeller-Maschine vom Typ Antonow An-30 sei durch die Schüsse beschädigt worden, teilt das Ministerium weiter mit. Nach einer umfassenden Überprüfung sei es jedoch wieder voll einsatzfähig. Slawjansk wird seit mehr als einer Woche vollständig von prorussischen Aufständischen kontrolliert. Der selbsternannte "Bürgermeister" von Slawjansk forderte nach einer tödlichen Schießerei am Wochenende Friedenstruppen und Waffen von Russland.

Journalist in Ostukraine vermisst: Ein US-amerikanischer Reporter soll in der ostukrainischen Stadt Slawjansk gekidnappt worden sein, berichten US-Medien. Für das US-Magazin Vice hat Simon Ostrovsky schon seit längerem aus der Ukraine berichtet und sich auch regelmäßig über Twitter zu Wort gemeldet. Seinen letzten Tweet hat er offenbar von einer Pressekonferenz gesendet.

Der russischen Zeitung Gazeta.ru zufolge soll Ostrovsky von Milizionären "als Geisel" festgehalten werden. Ohne weitere Details zu nennen gibt Vice auf seiner Internetseite an, "sich der Situation bewusst zu sein". Das Magazin stehe in Kontakt mit dem US-Außenministerium und anderen entsprechend zuständigen Behörden, "um die Sicherheit unserers Freundes und Kollegen, Simon Ostrovsky, sicherzustellen".

USA legen Hilfsprogramm auf: US-Vizepräsident Joe Biden ist zu Besuch in der Ukraine. Der hochrangige Politiker bringt ein umfassendes Maßnahmenpaket mit nach Kiew, mit dem die USA der prowestlichen Führung den Rücken stärken wollen. Zusätzlich zu dem bereits beschlossenen Hilfskredit in Höhe von einer Milliarde Dollar (725 Millionen Euro) sollen weitere 50 Millionen Dollar (36,2 Millionen Euro) in die Ukraine fließen, um unter anderem freie Wahlen und anstehende Verfassungsreformen zu unterstützen. Dies sei eine "Anzahlung" in die demokratische Entwicklung des Landes, teilt das Weiße Haus mit. Doch nicht nur finanziell wollen die USA die Ukraine unterstützen. Die Hilfsmaßnahmen im Überblick (hier die Pressemitteilung des Weißen Haus im Original).

[] Wahlen und Verwaltungsreform: Die USA wollen die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl unterstützen. Dazu gehört ein Fonds mit dem die nötige Infrastruktur für freie und faire Wahlen gewährleistet werden soll. Fast 2000 Wahlbeobachter sollen die Abstimmung begleiten - 250 davon über einen längeren Zeitraum. Zusätzliche Berater sollen die Lokalverwaltung bei Reformen unterstützen.

[] Ökonomie: Experten des US-Finanzministeriums sollen der Regierung in Kiew dabei helfen, die Wirtschaft des Landes zu stabilisieren und im Hinblick auf Staatsverschuldung, Budgetverteilung und Steuerverwaltung unterstützen.

[] Energieversorgung: Ein Hauptziel der USA ist es, die Abhängigkeit der Ukraine von russischen Gas- und Öllieferungen zu reduzieren. Verschiedene Expertenteams sollen kurzfristig die Gasversorgung mit Hilfe der europäischen Nachbarn sicherstellen. Weitere Teams sollen dann künftig einerseits helfen, die Gasförderung vor Ort auszubauen und andererseits die Energieeffizienz zu erhöhen.

[] Rechtsstaat und Korruptionsbekämpfung: Nach Angaben des Weißen Haus sind Berater des US-Justizministeriums bereits dabei, der Regierung in Kiew bei der Umsetzung von Anti-Korruptionsmaßnahmen zu helfen. Ein Team der Bundespolizei FBI arbeite zudem bereits in Kiew daran, unterschlagene Vermögenswerte zurückzubekommen.

[] Sicherheitsausrüstung: Das Militär der Ukraine soll mit weiteren Hilfsmitteln im Wert von acht Millionen US-Dollar unterstützt werden, etwa mit Funkgeräten und Ausrüstung zur Kampfmittelbeseitigung. Damit steigt die "nicht tödliche" Unterstützung für das Militär auf insgesamt 18 Millionen US-Dollar.

[] Visa-Vereinbarungen: Die USA bekunden die Absicht, ein bilaterales Abkommen mit der Ukraine zu schließen, das die Gültigkeitsdauer von Visa für Geschäftsleute und Touristen von fünf auf zehn Jahre erhöht.

US-Vizepräsident fordert von Russland Umsetzung der Genf-Vereinbarungen: Bei seinem Besuch in Kiew mahnt US-Vizepräsident Joe Biden die Regierung in Moskau, zeitnah den in Genf vereinbarten Friedensfahrplan umzusetzen. Zu den Beschlüssen gehören die Entwaffnung aller paramilitärischen Gruppen im Land sowie die Räumung besetzter Verwaltungsgebäude und Plätze. Weitere Provokationen würden Folgen haben, Russland drohe eine weitere Isolation, warnt Biden. Der Stellvertreter von US-Präsident Barack Obama erklärt außerdem, dass die USA die Annektion der Krim nicht anerkennen werden.

Tusk will europäische Energie-Zentrale: Polens Ministerpräsident Donald Tusk schlägt den Aufbau einer europäischen Energieunion nach dem Vorbild der Bankenunion vor. Wie das aussehen könnte, beschreibt Tusk in einem Gastbeitrag in der Financial Times. Ziel müsse es sein, dass die EU-Staaten in der Energiepolitik und bei der Versorgung mit Öl und Gas enger zusammenarbeiten. Dazu gehöre eine EU-Zentrale, die Gas für alle 28 Mitgliedsländer einkaufe und ein Solidaritätsmechanismus, über den EU-Staaten bei Gas-Engpässen unterstützt werden. Zudem müsse die EU ihre fossilen Energie-Alternativen wie Kohle und das umstrittene Schiefergas voll nutzen. Die EU deckt rund ein Drittel ihres Öl- und Gasbedarfs mit Lieferungen aus Russland. "Wie auch immer sich der Konflikt in der Ukraine entwickelt, eine Lehre daraus ist klar: Eine übergroße Abhängigkeit von russischer Energie macht Europa schwach", schreibt Tusk.

OSZE lobt Bemühungen der Ukraine: Der Schweizer Außenminister und derzeitige Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Didier Burkhalter, lobt in einer Mitteilung "erste Schritte der ukrainischen Behörden" zur Umsetzung der von Russland, der USA, der Ukraine sowie der EU getroffenen Vereinbarung (hier im Wortlaut). Burkhalter verweist auf die für Ostern ausgerufene Waffenruhe, die juristische Vorbereitung einer Amnestie für Besetzer von Gebäuden in der Ostukraine und die von Kiew akzeptierte Diskussion einer Dezentralisierung der Ukraine. Besorgt sei der OSZE-Vorsitzende durch Berichte über Gewalttätigkeiten und Geiselnahmen in der Ostukraine. Burkhalter ruft Russland, die EU und die USA auf, Bemühungen der ukrainischen Behörden sowie der OSZE-Beobachter-Mission uneingeschränkt zu unterstützen. Dazu gehöre die Forderung, auf Gewalt zu verzichten, Waffen niederzulegen und besetzte Gebäude und Orte freizugeben. Zuvor hatte sich der OSZE-Diplomat Mark Etherington mit dem selbsterklärten Bürgermeister Wjatscheslaw Ponomarjow getroffen, um unter anderem über die Gefangennahme zahlreicher Bürger wie des früheren Bürgermeisters der Stadt zu sprechen.

Russland macht Ukraine Vorwürfe wegen Genfer Friedensbeschlüsse: Der russische Außenminister wirft der Ukraine eine "grobe Verletzung" der Genfer Beschlüsse vor. Nach ihrer gewaltsamen Machtergreifung in Kiew weigere sich die vom Westen unterstützte Führung, den noch immer besetzten Unabhängigkeitsplatz - den Maidan - zu räumen, kritisiert Sergej Lawrow in Moskau. "Das ist absolut unannehmbar", betont der Chefdiplomat der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Der Minister wirft der ukrainischen Regierung vor, eine versprochene Verfassungsreform zu verschleppen. Zudem würden immer mehr prorussische Politiker in der Region festgenommen, obwohl in Genf eigentlich eine Straffreiheit für politische Gefangene und Teilnehmer an Protesten sowie für Besetzer von öffentlichen Gebäuden in der Ostukraine vereinbart worden sei.

USA präsentieren "Beweise" für russische Intervention in Ukraine: Die USA präsentieren mehrere Fotos, die Angaben Washingtons zufolge "Beweise" dafür sein sollen, dass einige der bewaffneten Kämpfer in der Ostukraine in Wahrheit russische Militärs oder Offiziere des russischen Geheimdienstes sind. Die Fotos seien von der Regierung in Kiew übergeben worden, sagt US-Außenamtssprecherin Jen Psaki. Die USA veröffentlichen unter anderem eine Fotoserie (hier in einem Video zu sehen), auf der zunächst ein Mann mit den Abzeichen der russischen Spezialeinheiten 2008 in Georgien zu sehen ist. Der offenbar selbe Mann ist zudem auf einem vor kurzem aufgenommenen Foto von der Erstürmung der Polizeistation im ukrainischen Kramatorsk durch prorussische Kräfte zu sehen. Auch auf einem Foto aus Slawjansk scheint der Mann zu sehen zu sein.

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