Neue EU-Verordnung für elektronische Geräte:Kleinvieh frisst auch Strom

Strompreis

Masterplan der EU: Die Energieeffizienz soll im Vergleich zu 1990 um 20 Prozent steigen.

(Foto: dpa)

Jetzt auch noch Kaffeemaschinen: Scheinbar aus dem Nichts reguliert Brüssel Alltags- und Gebrauchsgegenstände. Leicht entsteht der Eindruck, als dächten durchgeknallte EU-Beamte nur darüber nach, wie sie den Verbraucher als nächstes piesacken könnten. Doch dieses Bild ist falsch.

Von Helmut Martin-Jung

Sanft glimmt die Anzeige der Mini-Stereoanlage im Dunkel der Nacht. Die Uhr geht zwar immer falsch, aber egal. Wichtig ist doch: Musik lässt sich per Fernbedienung ein- und ausschalten. Doch der Preis, den man dafür zahlt, ist im Wortsinn hoch: Anlagen wie diese, die schon ein, zwei Jahrzehnte auf dem Buckel haben, sind echte Stromfresser. Nur dafür, dass sie darauf warten, dass man sie mit der Fernbedienung einschaltet, saugen sie gerne mal 30 Watt aus der Steckdose.

30 Watt, na und? Von wegen: 30 Watt mal 24 Stunden, das sind 0,72 Kilowattstunden pro Tag, das macht dann gut 262 Kilowattstunden im Jahr. Und das wiederum entspricht bei einem Preis von 25 Cent für die Kilowattstunde Strom satten 65,50 Euro. Und dabei ist die Anlage noch keine Minute gelaufen.

Eigentlich sollten sich die Bürger der EU daher freuen, dass die EU den Standby-Verbrauch, also das, was elektronische Geräte an Strom fressen, wenn sie etwa per Fernbedienung in den Schlaf geschickt wurden, unter anderem bei Unterhaltungselektronik und bei Computern begrenzt hat. Seit diesem Jahr dürfen Geräte im Standby-Betrieb nicht mehr als ein Watt an Strom konsumieren. Die Bequemlichkeit bleibt dieselbe, doch der Verbrauch sinkt deutlich, in unserem Beispiel mit der Stereoanlage fällt der Standby-Jahresverbrauch dadurch auf 8,76 Kilowattstunden. Kosten: nur noch 2,19 Euro.

Ärger über Regulierungswut der EU-Bürokraten

Stattdessen wird über die Regulierungswut der Brüsseler Bürokratie gewettert, und unterschwellig entsteht der Eindruck, als dächten durchgeknallte Beamte ständig nur darüber nach, wo und wie sie den armen Verbraucher als nächstes piesacken könnten. Doch dieses Bild ist falsch. "Das sind Prozesse, die in öffentlichen Konsultationen ablaufen", sagt Dirk Jepsen vom Hamburger Ökopol-Institut. Jepsen ist Diplomingenieur und leitet die Beratungsfirma, die unter anderem deutsche Behörden fachlich unterstützt, zum Beispiel, wenn es eben darum geht, den Energieverbrauch von elektronischen Geräten zu bewerten.

Verbraucherverbände, die Industrie, Umweltpolitiker - alle, die mitreden möchten -, werden bei sogenannten Stakeholder-Meetings angehört, auch der Rat der Mitgliedsstaaten mischt mit, erst dann werden bestimmte Produktgruppe genauer ins Visier genommen. "Manchmal haben wir den Eindruck, das ist eher zu viel an Beteiligung, aber man kann keineswegs sagen, das finde hinter verschlossener Tür statt", sagt Berater Jepsen.

Auf den sehr differenzierten Prozess legt man bei der EU-Kommission großen Wert: Lieber im Vorfeld ausführlich konsultieren als hinterher scheitern, weil dies oder jenes nicht bedacht wurde.

Die Kontrolle der Öko-Vorschriften müsste besser sein

Aber was ist eigentlich die Grundlage für die einzelnen Verordnungen, die der öffentlichen Wahrnehmung nach wie aus dem Nichts verkündet werden? Alles folgt sozusagen einem Masterplan, nämlich dem 2010 beschlossenen und auf zehn Jahre angelegten Wirtschaftsprogramm der EU, Europa 2020. Eines der fünf Ziele ist es, Treibhausgasemissionen um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren und die Energieeffizienz um 20 Prozent zu steigern.

Das Programm bildet den Rahmen für die Ökodesign-Richtlinie, die sich wiederum in Durchführungsverordnungen untergliedern lässt. Stark verkürzt ließe sich sagen: Die EU-Kommission, dort besonders die Generaldirektion Energie, geht alle Produktbereiche durch und prüft, wo sich mit vergleichsweise geringem Aufwand ein vergleichsweise großer Einspareffekt erzielen lässt. Zum Aufwand gehört natürlich, dass das Einsparpotenzial auch technisch zu realisieren ist.

Geplant sind im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie Durchführungsverordnungen für bis zu 40 Produktgruppen, 22 davon sind bereits in Kraft. Viele davon werden in der Öffentlichkeit so gut wie nicht diskutiert. Denn mit dem Einsparpotenzial bei Büro- und Straßenbeleuchtung etwa oder dem von Elektromotoren befassen sich eben nur Fachleute, der gewöhnliche Bürger bekommt das nicht mit.

Vorschriften gelten erstmal nur auf dem Papier

Bis eine Verordnung in Kraft tritt, dauert es in der Regel drei bis fünf Jahre. Der Weg führt von einer Vorstudie zu einem Arbeitspapier. Dieses wird in einem Konsultationsforum besprochen, an dem sich im Prinzip jedermann beteiligen kann, sogar via Internet. Die Ergebnisse der Beratungen gehen in einen Entwurf für eine Verordnung ein, anschließend muss dieser den Regelungsausschuss passieren, danach haben das Parlament und der Europäische Rat ein Vetorecht. Sagen sie nein, muss die Kommission von vorne anfangen, Änderungsvorschläge können Rat und Parlament nicht einbringen. Erst nach all diesen vielen Stufen wird eine neue Verordnung schließlich erlassen und kann in Kraft treten.

Aber auch dann stehen erst einmal Vorschriften auf dem Papier. Meistens gelten Übergangsfristen, danach sollen dann Kontrollen sicherstellen, dass diese Vorgaben auch eingehalten werden. Zuständig dafür sind die Mitgliedsländer, in Deutschland ist das Ländersache. Die Kontrollen seien durchaus ausbaufähig, findet zum Beispiel Werner Scholz vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). Die Marktüberwachung müsse deutlich verbessert werden, forderte er bei einem Treffen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), bei der Bilanz gezogen wurde zur bisherigen Umsetzung der Ökodesign-Richtlinie. Außerdem sei es wichtig, die Richtlinie zu synchronisieren mit den Labels auf den Geräten. Sie sollen dem Verbraucher auf einen Blick Aufschluss darüber geben, wie energieeffizient ein Produkt ist.

Heute Kaffeemaschinen, morgen Warmwasser-Bereiter und Staubsauger - ist es nicht arg kleinteilig, sich all diesen einzelnen Sparten zu widmen? Nein, findet Berater Dirk Jepsen, "es hilft eben nicht, nur ein, zwei große Dinge herauszugreifen, man muss überall nach Einsparungspotenzial suchen. Da kann man dann nicht sagen, das sind ja nur Peanuts". Wenn man mit möglichst kleinem Aufwand viel erreichen wolle, müsse man eben auch viele Peanuts bewegen.

Oft packt man auch nur Teilaspekte an. Bei den Kaffeemaschinen etwa geht es lediglich um den Standby-Verbrauch, bei dem die Gutachter ein Einsparpotenzial gesehen hatten. Mag es also auch merkwürdig wirken, sich mit Staubsaugern und Geschirrspülern herumzuschlagen, die EU hat hohe Ziele: Ein Drittel der geplanten 20 Prozent an Energieeinsparung soll dem stromfressenden Kleinvieh abgerungen werden.

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