Formel-1-Chef Bernie Ecclestone:Der Undurchsichtige

Bernie Ecclestone

Bernie Ecclestone im Jahr 1984: Ab Donnerstag muss sich der heute 83-Jährige Formel-1-Chef vor dem Münchner Landgericht verantworten.

(Foto: dpa)

Bernie Ecclestone hat Milliarden im Rennsport gemacht und sich dabei nie in die Karten schauen lassen. Seine Partner hat er am Gewinn beteiligt - und per Vertrag zum Schweigen verdonnert. Jetzt könnte eine der schillerndsten Sportmanager-Karrieren im Münchner Landgericht zu Ende gehen.

Von Björn Finke

An der Tür kein Namensschild der Bewohner, nur eine Tafel mit der Adresse des Gebäudes: "Number Six Prince's Gate Offices". Überwachungskameras filmen den Eingang, eine Kiste mit sieben leeren Milchflaschen neben der Tür ist der einzige Hinweis darauf, dass in dem neunstöckigen Haus jemand leben muss. Die Fassade besteht komplett aus dunkel verspiegeltem Glas, was einen hässlichen Kontrast bildet zu den hellen viktorianischen Prachtbauten in der Nachbarschaft. Es ist eine der exklusivsten Straßen Londons, direkt gegenüber dem Hyde Park, zum Edel-Kaufhaus Harrods ist es nicht weit. Vor den Häusern parken an diesem Nachmittag ein Bentley, drei BMW und drei Mercedes, einer davon ist eine Stretch-Limousine.

In der Nummer sechs residiert ein Mann, dessen Geschäfte genauso undurchsichtig sind wie die verspiegelte Fassade des Hauses. Ein Mann, der zu den reichsten Briten zählt und im teuersten Viertel wohnt - der aber offenbar keinen Wert auf viktorianischen Protz legt: Bernard Charles, genannt "Bernie", Ecclestone, Chef, Anteilseigner und seit Jahrzehnten wichtigster Strippenzieher bei der Rennserie Formel 1. Und von Donnerstag an Angeklagter vor dem Landgericht München.

Der 83-Jährige muss sich wegen Anstiftung zur Untreue und Bestechung in besonders schwerem Fall verantworten. Er streitet die Vorwürfe ab. Es geht um 44 Millionen Dollar Schmiergeld. Das soll er einem früheren Vorstand der BayernLB dafür gezahlt haben, dass die Landesbank ihre Anteile an der Rennserie vor acht Jahren an einen Ecclestone genehmen Käufer losschlug.

"Demokratie ist Zeitverschwendung", sagt der überzeugte Nichtwähler

Vor allem aber geht es um Ecclestones Lebenswerk. Wird er verurteilt - gar zu einer Haftstrafe -, dürfte es sein Aus sein an der Spitze der Formel 1. Es wäre das Ende einer der schillerndsten Managerkarrieren im weltweiten Sportgeschäft. Das Aus für einen Milliardär, der in seiner Heimat Großbritannien nicht geliebt, aber wegen seiner erstaunlichen Geschäftstüchtigkeit zumindest geachtet wird. Der Respekt ist gepaart mit Erstaunen und ein bisschen wohligem Grusel, wie es "Mr. E" - so nennt ihn seine Entourage - immer wieder schafft, Gegner mit zweifelhaften Methoden auszutricksen. Und am Ende ungeschoren davonzukommen. Letzteres könnte sich nun in München ändern.

Egal, wie das Verfahren ausgeht: Die Queen wird den Sohn eines Fischers sicher nicht mehr zum Ritter schlagen für seine Verdienste um den Autosport; Skandale stehen dem im Weg, viele Skandale. Wohl nicht zuletzt deswegen aber sind der nur 1,59 Meter große Mann und seine Töchter inzwischen Ritter des Boulevard: Britanniens Klatschmedien schätzen die Ecclestones als zuverlässige Lieferanten deftiger Geschichten und provokanter Zitate. Der Formel-1-Impresario schafft es dabei, große Offenheit mit großer Verschwiegenheit zu paaren.

Zu den Details seiner Deals mit der Rennserie oder zu den waghalsigen Manövern im Wettkampf mit Widersachern äußert Ecclestone sich nicht. Grundsätzlich nicht. Er hat ein undurchsichtiges Geflecht an Firmen aufgebaut. Seine Verträge verordnen Rennställen und anderen Partnern in der Regel Geheimhaltung. Ecclestone handelt die wichtigen Abkommen stets selbst aus und dürfte die einzige Person sein, die das komplizierte Beziehungsnetz tatsächlich in allen Facetten versteht. Es ist ein Milliardengeschäft.

"Adolf Hitler war fähig, Dinge zu erledigen"

Umso lieber plaudert der Mann, der nach eigenem Bekunden keine Bücher liest, über sein Privatleben, seine Weltsicht und seine Geschäftsphilosophie. Und das tut er ungeschützt. Entsetzen löste er aus mit seinem Lob für Adolf Hitler: Der habe viele Menschen zu führen vermocht "und war fähig, Dinge zu erledigen", sagte er 2009. Wird sein eigener autokratischer Führungsstil in der Formel 1 kritisiert, entgegnet der überzeugte Nichtwähler auch schon mal: "Demokratie ist Zeitverschwendung." Er pflegt sein Image als knallharter Geschäftsmann, der Gegner reihenweise ausschaltet. "Ich kultiviere diesen Ruf nicht, er ist eine Tatsache", sagt er dazu. Die Zusammenarbeit mit seinem Freund Max Mosley, dem langjährigen Chef des Rennsport-Verbandes Fia, inspirierte ihn zu einem Vergleich, den seine Gegner kaum anders ziehen würden: "Wir sind nicht so etwas wie die Mafia. Wir sind die Mafia."

In die Schlagzeilen schaffte es Ecclestone nicht nur mit seinem zweifelhaften Geschäftsgebaren, sondern auch mit privaten Eskapaden: der teuren Scheidung von seiner zweiten Frau Slavica 2009 und der Hochzeit mit seiner dritten Frau Fabiana Flosi 2012. Die ist nicht einmal halb so alt wie er, aber einige Zentimeter größer als er. Fabiana und er wurden 2010 direkt vor ihrem Haus in 6, Prince's Gate überfallen und beraubt, was Ecclestone ebenso bereitwillig in Interviews schilderte wie seine Abneigung gegen die Reality-TV-Show, in der seine 29 Jahre alte Tochter Tamara ihr Milliardärs-Nachwuchs-Leben zelebriert.

Er spendete eine Million Pfund an die Labour-Partei - damit sie ein Tabakwerbeverbot verhindert

Ecclestone selbst gibt sich wenig extravagant oder genusssüchtig, sein Leben widmet er vor allem der Arbeit. Er fing früh mit dem Geschäftemachen an. Bereits mit neun Jahren verkaufte er auf dem Schulhof Brötchen, mit 16 startete er eine rasante Karriere als Händler von Gebrauchtwagen und -motorrädern. Er galt schon damals als gewiefter Verhandler, bald gehörte ihm eines der größten Motorradhäuser des Landes. In den Fünfzigerjahren fuhr er Motorrad- und Autorennen, doch sein Aufstieg in der Formel 1 begann erst 1972, als er das Brabham-Team kaufte. 1978 wurde er Chef der Rennstall-Vereinigung. Binnen weniger Jahre machte er aus einem Nischensport, den reiche Enthusiasten wenig professionell managten und vermarkteten, ein Milliardengeschäft.

Ecclestone erkannte als Erster, wie viel Geld die Rennserie mit Bandenwerbung und edlen VIP-Logen machen kann - und mit Fernsehübertragungen. Er handelte für die Rennställe lukrative Verträge mit Sendern, Strecken-Betreibern und Sponsoren aus und stellte sicher, dass er das Sagen behielt und immer genug Geld in die eigene Tasche floss. Für die Rennteams blieb einiges übrig, weswegen sie ihm bis heute die Treue halten - obwohl sein Geschäftsgebaren von Anfang an zweifelhaft war.

Unehrlichkeit, miese Fallen im Kleingedruckten, Bestechung: Diese Vorwürfe ziehen sich durch seine Karriere. Widerstand räumte er mit dem Prinzip "Teile und herrsche" aus dem Weg, zur Not bluffte er auch mal. Größter Skandal in seiner Heimat war 1997 seine Eine-Million-Pfund-Spende an Tony Blairs Labour-Partei in der Hoffnung, dass diese in Brüssel ein Tabakwerbeverbot in der Formel 1 verhindert. Labour zahlte das Geld zurück, Ecclestones Ruf war da aber ohnehin längst lädiert.

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