Aus für Verbeek in Nürnberg:Zu schön für Abstiegskampf

-

Aus für Gertjan Verbeek in Nürnberg.

(Foto: AFP)

Mit offensivem Fußball wollte Gertjan Verbeek den 1. FC Nürnberg vor dem Abstieg bewahren. Ausgerechnet aus der Mannschaft regte sich Widerstand. Sportvorstand Bader muss nun schon zwei gescheiterte Übungsleiter rechtfertigen.

Von Markus Schäflein

Gertjan Verbeeks Erbe besteht hauptsächlich aus einem schönen Schatz an Zitaten. In seiner kurzen Amtszeit beim 1. FC Nürnberg hat der Holländer viel über Fußball geredet, und stets hat er sich dadurch ausgezeichnet, gewöhnliche und außergewöhnliche Wahrheiten mit der ihm eigenen Gelassenheit auf den Punkt zu bringen. Zum Beispiel sagte er: "Der Trainer kann etwas wollen, der Verein kann etwas wollen - aber wenn die Spieler anderer Meinung sind, wird es schwierig." Diesen Satz sagte Verbeek kurz nach seinem Amtsantritt im Oktober 2013. Ein halbes Jahr später musste er selbst erfahren, wie zutreffend er ist.

Am Mittwoch trat Nürnbergs Sportvorstand Martin Bader vor die Presse und verkündete, was in einer Aufsichtsratssitzung am Vorabend beschlossen worden war: Verbeek muss gehen, in den letzten drei Saisonspielen soll U23-Trainer Roger Prinzen den Klassenverbleib des derzeitigen Vorletzten noch möglich machen. Auf die Frage, ob sein Vorschlag vom Aufsichtsrat einstimmig umgesetzt worden sei, antwortete Bader, das "Votum in die Richtung" sei "eindeutig" gewesen.

"Unterm Strich stehen die Ergebnisse, und die sind in den letzten Wochen sehr niederschmetternd gewesen", begründete Bader den Entschluss. "Wir müssen dringend in den Endspielmodus kommen, der Ligaverbleib hat allerhöchste Priorität. Da sind auch unpopuläre Maßnahmen manchmal vonnöten." Einen populistischen Grund fürs Unpopuläre hatte Verbeek praktischerweise selbst geliefert, indem er dem Team zuletzt zwei Tage frei gegeben hatte. Ostern statt Abstiegskampf - so etwas kommt nirgends gut an, und in Nürnberg schon gar nicht.

Verbeek war angetreten, um schönen Fußball spielen zu lassen. Er ließ seine Mannschaft offensiv auftreten, er legte Wert auf Fairness gegenüber den Gegnern, für seine ungewöhnliche Herangehensweise an den Abstiegskampf bekam er viel Lob - und zu Beginn der Rückrunde auch viele Punkte.

Doch dann verlor die Mannschaft Spiel um Spiel, und natürlich ließen all diejenigen nicht lange auf sich warten, die sich fragten, wo eigentlich die ganzen alten Kellerkinder-Tugenden hingekommen waren: kratzen, beißen, den Ball unters Tribünendach dreschen. So durfte man es verstehen, als Bader zu Wochenbeginn nach dem 1:4 gegen Leverkusen den Nürnberger Nachrichten erzählte, er habe sich "die Kernfrage" gestellt: "Wie fühlt die Mannschaft sich am sichersten?"

Die Antwort lautete: ohne Gertjan Verbeek. Man müsse sich "den Gegebenheiten anpassen", sagte Bader. Damit war gemeint, dass die Zeit des (versuchten) Schönspielens vorbei sein müsse. Doch der von vielen Verletzungen geschwächte Kader der Nürnberger ist ungünstig zusammengestellt. Dafür kann Verbeek wenig. Der Trainer traf auf viele Spieler, die gerne Fußball spielen und kombinieren, das aber nicht genug können, um es in der ersten Liga zu zelebrieren. Er traf auf nur wenige robuste, körperbetonte Ballwegdrescher. Der Trainer ließ spielen, was dieser Mannschaft in den Genen liegt, doch das wurde zu seinem großen Problem.

Die Spieler hätten "den Halt und das Vertrauen verloren", stellte Bader fest. Wer in den vergangenen Wochen in der Mixed Zone zuhörte, konnte zwischen den Zeilen schon lesen, dass sich gerade die älteren, erfahrenen Spieler zunehmend von Verbeek distanzierten. Erst gegen Leverkusen durfte das Team, laut Bader nach "einem kleinen Hilfeschrei", defensiver agieren - auch ohne Erfolg allerdings.

Missratene Saison wird hinterfragt

Noch vor einigen Wochen hatte Bader mehrfach angekündigt, mit Verbeek auch in die zweite Liga zu gehen. Dort wäre der Trainer der richtige gewesen, um eine verjüngte Mannschaft aufzubauen, die seine Spielidee umsetzt. Verbeek ist im Grunde kein Abstiegskampftrainer, er ist ein Aufbautrainer - dies kann er nun nicht mehr zeigen. Stattdessen versucht jetzt U23- Trainer Prinzen, den Klassenverbleib zu realisieren, zumindest über die Relegation.

Ein Punkt und das schlechtere Torverhältnis trennen den Club vom 16., dem Hamburger SV. "Roger Prinzen ist ein positiver Trainer, der die Aufgabe sehr realistisch, aber auch mit dem nötigen Optimismus angeht", meinte Bader. Der frühere Bundesligaprofi habe "schon bewiesen, dass er dem Team in einer schweren Situation schnell helfen kann". In Frankfurt holte Prinzen nach der Entlassung von Michael Wiesinger, bevor Verbeek kam, ein 1:1. "Alles, was bisher war, spielt keine Rolle mehr. Wir werden neu angreifen", verkündete Prinzen zum erneuten Amtsantritt.

Dass Verbeek ein Experiment sein würde, war schon bei seiner Verpflichtung klar - nun brach Bader es zu einem Zeitpunkt ab, der überrascht. Unabhängig davon, ob der Klassenverbleib doch noch gelingt, wird die missratene Saison wohl ein vereinsinternes Nachspiel finden. Im Internet rufen Vereinsmitglieder bereits zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung auf.

"Der Verlauf und Tabellenplatz der Saison 2013/2014 ist nicht zufriedenstellend und Entscheidungen des Vorstandes als auch Aufsichtsrates hinterlassen Klärungs- und Diskussionsbedarf", heißt es in dem Antragsformular. 500 Unterschriften müssten die Kritiker dafür zusammenbekommen. Diese Zahl wird keine allzu hohe Hürde sein - und dann wird Sportvorstand Bader, der die meisten Entscheidungen maßgeblich selbst trifft oder in die Wege leitet, schon zwei gescheiterte Trainer rechtfertigen müssen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: