Typologie der Kollegen:Das Leben hat ihn aber auch auf dem Kieker

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Der eine jammert permanent. Der andere schleimt beim Chef. Der dritte sägt am Kollegenstuhl. Und dann ist da noch der, der sich grundsätzlich wegduckt, wenn es etwas zu arbeiten gibt. Eine Typologie der Horror-Mitarbeiter - und wie man ihnen begegnet.

Aus der SZ-Redaktion

Morgens in der Konferenz: Gegenüber sitzt schon wieder dieser Selbstdarsteller, dieser Schaumschläger, der vor Eigenlob trieft. Der Typ muss den Kollegen mal wieder zeigen, was für ein toller Kerl er ist. Neben ihm hat die Intrigantin Platz genommen. Die rollt zwar mit den Augen, weil sie den Heini zum Heulen findet, lobt ihn dann aber doch mit zuckersüßer Stimme für den supertollen Job, den er mache. Hinten in der Ecke sitzt der wandelnde Vorwurf, der die Frage "War das nicht ein erfolgreiches Projekt?" garantiert verneint. Weil angeblich der Aspekt XYZ leider vergessen wurde.

Wir kennen sie alle: Kollegen, die nerven. Wer sie satt hat, muss kündigen - oder sich acht Stunden am Tag in diese Zwangsgemeinschaft einfügen. Und Letzteres ist ganz bestimmt die bessere Alternative. Denn in allen Betrieben und Jobs gibt es schwierige und unangenehme Menschen. Leute, die einem unsympathisch sind. Die ideale Firma, in der alle jederzeit freundlich miteinander umgehen, gibt es nicht, heißt es auch in einem Ratgeber zum "Umgang mit schwierigen Kollegen" (www.berufsstrategie.de).

Überall dort, wo Menschen zusammenarbeiten, gibt es Tratsch und Intrigen, Neid und Missgunst, Streit und Machtkämpfe. Denn alle konkurrieren miteinander um die Anerkennung des Chefs, um Machtpositionen im Team, um die besten Ideen, um eine Beförderung oder um ein höheres Gehalt. Letztlich verteidigt jeder seine Existenzgrundlage - den Arbeitsplatz.

Wir können einander nicht aus dem Weg gehen. Wir können die Kollegen auch nicht umerziehen. Doch wir können versuchen, mit den Macken der anderen umzugehen. Die SZ hat sich die acht häufigsten Nervtypen angeschaut und Experten befragt, wie man sie erkennt und wie man sie in den Griff bekommt. Natürlich gibt es jede Menge Mischformen. Und vielleicht steckt sogar von jedem Typen ein bisschen was in jedem von uns. Oder sind wir gar ein echter Horror-Kollege? (Sibylle Haas)

Der Jammerlappen

So erkennt man ihn: Gut, nicht jeder ist mit einem sonnigen Gemüt gesegnet. Mancher, so scheint es, verbringt sein ganzes Arbeitsleben in einer einzigen, dunklen Wolke des Unglücks. Ach, der Jammerlappen! Der Jammerlappen ist fixer Bestandteil im Kosmos der Bürofiguren, und Himmel, das Leben hat ihn aber auch auf dem Kieker! Da sind die Kunden, die immer so schrecklich lästig sind. Da ist der Chef, der nie, nie, nie seine Leistung anerkennt. Und die Kollegen, die ihn - wie kommt's nur? - immer ausschließen. Und die viele Arbeit. Keiner muss so viel arbeiten wie der Jammerlappen. Und, pardauz, jetzt bricht ihm auch noch der Bleistift ab. Ach, menno.

So geht man mit ihm um: Worum bettelt der Jammerlappen eigentlich? Nein, nicht um einen neuen Bleistift. Um Aufmerksamkeit. Experten empfehlen deshalb, im Umgang mit dauerjammernden Kollegen öfter mal auf Durchzug zu schalten - in der Hoffnung, dass das Gejammere aufhört, wenn es nicht den gewünschten Effekt hat. Alternative Strategie: Dagegenhalten. Wer selbst detailreich sein Leid klagt, vom entsetzlichen Hühnerauge ebenso ausschweifend berichtet wie vom verbrannten Frühstückstoast, der fällt als Zuhörer aus. Allerdings heißt es aufzupassen, damit man nicht selbst zum Miesepeter mutiert. Wer sich nicht nur in der Kaffeeküche behaupten muss, sondern mit einem Jammerlappen zusammenarbeiten soll, dem wird strikte Sachlichkeit empfohlen: Je nüchterner die Gesprächsatmosphäre, desto weniger Gelegenheit, Probleme zu wälzen. (Angelika Slavik)

Der Intrigant

So erkennt man ihn: Es dauert eine Weile, bis man ihn erkennt. Der Intrigant tötet im Verborgenen. Auf einmal bemerkt man, dass falsche Gerüchte über die eigene Arbeit kursieren. "Bei dem Projekt letztes Jahr in Stuttgart wurden Sie ja nicht fertig", bemerkt der Chef leichthin. Doch, wurde ich, weit vor der Zeit. Wer erzählt denn was anderes?

Klassisches Markenzeichen des Intriganten ist, dass sich die üblen Gerüchte nicht so leicht lokalisieren lassen. "Ich habe das gehört", behauptet der Chef. "Ich kann wirklich nicht sagen, woher." Wahrscheinlich weiß er es gar nicht mehr, denn der Intrigant tötet ja im Verborgenen. Es gibt Intriganten, die absichtlich einen Fehler verursachen, um ihn einem anderen Mitarbeiter in die Schuhe zu schieben. Oder die einen Kollegen rauszumobben versuchen, um dessen Stelle einer freien Mitarbeiterin zu verschaffen, die sie gleichzeitig anbaggern.

So geht man mit ihm um: Es empfiehlt sich, den meisten Intriganten übelste Motive zu unterstellen. Klar gibt es auch ein paar harmlose Lästerer, die gerne über alles und jeden herziehen und damit alle und keinen treffen. Aber das ist nicht die Regel. Die richtigen Intriganten haben ein klares Ziel, dessen Erfüllung einem selber schaden würde. Daher sollte jeder die Ohren offen halten zu allem, was gerade so erzählt wird. Falls wirklich eine Intrige gegen einen läuft, muss man gegenhalten. Beim Chef die Fakten richtigstellen. Und womöglich den Intriganten direkt konfrontieren. Wenn er nicht mehr im Verborgenen töten kann, wird womöglich der abgebrühteste Übeltäter nervös. (Alexander Hagelüken)

Der Schleimer

So erkennt man ihn: "Die Krawatte steht Ihnen wirklich gut! Ich als verheiratete Frau darf das sagen." Oder auch ein Kompliment zum letzten öffentlichen Auftritt des Chefs, egal, wie medioker er war. Mag sein, dass solche Komplimente außer der Reihe ehrlich gemeint sind und ohne Hintergedanken. Aber wenn die Anerkennungen immer von denselben Kollegen kommen, wird es auffällig. Vor allem, wenn sich die Lobhudelei nicht nur auf die Arbeit des Vorgesetzten bezieht, sondern auch auf Nebensächliches.

"Und ich soll Sie noch grüßen vom Vorstand X und der Geschäftsführerin Y, die ich auf der maßgeblichen So- und So-Tagung getroffen habe." Peinlich, wenn der Chef bei den angeblichen Absendern solcher Grüße nachhakt und sie zum Anlass nimmt, selbst ins Gespräch zu kommen - doch Herr X und Frau Y sich so gar nicht erinnern können.

So geht man mit ihm um: Wenn es wie geschildert läuft, entlarven sich die Schleimer selbst. Zudem werden allzu liebedienerische Anmerkungen von routinierten Chefs meist richtig einsortiert. Beides wirkt korrektiv. Auf keinen Fall sollte man solcher Lobhudelei offen widersprechen. Damit eckt man genauso an. Zudem fühlt sich der Betroffene dann womöglich bestärkt, dem Chef ,,beizustehen". Besser ist die direkte Ansprache: "Im Vertrauen, Sie übertreiben etwas...", dann ein sachliches Argument einbringen und klarmachen, wenn Kollegen es ähnlich sehen. Dafür müsste der Schleimer dankbar sein - und schreckliche Krawatten bleiben künftig unerwähnt. (Simone Boehringer)

Der Abseiler

So erkennt man ihn: "Oh, da kann ich leider nicht" und "Keine Zeit, sorry" sind die Standardfloskeln des Abseilers. Immer, wenn er eine Aufgabe übernehmen soll, ist er gerade mit einem irrsinnig wichtigen Projekt super beschäftigt, hat einen leider unmöglich verschiebbaren Termin, auf den er seit Monaten, nein Jahren gewartet hat - oder er ist erst gar nicht zu erreichen. Mit anpacken, wenn Not am Mann ist? Spontan jemanden vertreten, der ausgefallen ist? Das ist nichts für ihn!

Der typische Abseiler ist ein Eigenbrötler, Teamarbeit meidet er, spätestens nach einigen misslungenen Versuchen ist aber ohnehin keiner mehr bereit, mit ihm zusammenzuarbeiten. Denn selbst wenn der Abseiler sich mal nicht vor einer Aufgabe drücken konnte, schafft er es bestimmt, sich während des Projekts eine neue Ausrede einfallen zu lassen.

So geht man mit ihm um: "Wenn sich jemand immer wieder abseilt, sollte man ihm klar die Meinung sagen", rät Rolf van Dick, Professor für Sozialpsychologie in Frankfurt. Wichtig: Begründen, was einen stört und warum, und ganz konkrete Beispiele nennen. "Mich stört, dass du letzte Woche Dienstag nicht zu erreichen warst, als unser Kunde etwas wollte - dadurch hatte ich Zusatzarbeit. Ich fände schön, wenn du das nächste Mal eine Notfallnummer hinterlässt." Wenn das mehrfach nicht klappt, sollte man sich von anderen Kollegen bestätigen lassen, dass der Kollege wirklich ein Abseiler ist - und notfalls den Vorgesetzten einschalten. "Das hört sich nach Petze an, aber verhindert, dass man über lange Zeit ausgenutzt wird." (Oliver Hollenstein)

Der Selbstdarsteller

So erkennt man ihn: Das schallende Lachen. Die dröhnende Lautstärke. Bevor man den Selbstdarsteller sieht, hört man ihn - oft im Büro des Chefs und auf dem Gang, wenn er, auf den eigenen Auftritt bedacht, einige Minuten zu spät zum Meeting erscheint. Das Treffen zieht er dann in die Länge - weil er zu allem etwas sagt, auch wenn er nichts zu sagen hat. Und nur wiederholt, was der Chef gerade ausgesprochen hat. Oder die Idee eines Kollegen wiedergibt. Danach sind dann alle davon überzeugt, dass das die Idee des Selbstdarstellers war. Reden kann er halt, auf Leute zugehen, sich durchsetzen. Im besten Fall nervt das, weil der Selbstdarsteller andere persönlich verletzt, aber auch Leistung bringt. Im schlechtesten Fall ist er ein Schaumschläger, kann wenig, macht trotzdem Karriere und schadet dem Unternehmen.

So geht man mit ihm um: Höflich, aber distanziert. Mit dem Selbstdarsteller sollte man lieber keine wirklich guten Ideen besprechen. Seine Monologe einfach mal mit einem naiven "Wie meinen Sie das?" unterbrechen. Dann zeigt sich, ob er ein Argument durchdacht hat oder einfach nur daherschwallt. Da es dem Selbstdarsteller schwerfällt, sich in andere hineinzuversetzen, wird man ihn nicht ändern können. Vielleicht kann man aber von ihm profitieren: einfach mal fragen, ob man sich bei seinen als Kaffeetrinken getarnten Netzwerken anschließen kann. Er liebt Publikum. Und wird kaum Nein sagen. (Sophie Crocoll)

Der alte Zyniker

So erkennt man ihn: Zurückgelehnte Haltung, verschränkte Arme, hämisches Lachen. Der alte Zyniker hat schon jede "neue" Idee gehört - und scheitern gesehen. Er ist ein dunkel umwölkter Bedenkenträger, der für jeden Plan drei Worst-Case-Szenarien parat hat. In Konferenzen sagt er Dinge wie: "Das haben wir vor Jahren schon versucht, ist nie was draus geworden." und "Das kann man hier nicht machen, kriegen Sie nicht durch." Seen it. Done it. Er ist der ergebene Apokalyptiker im Kollegium und weiß, dass es nicht nur mit dem eigenen Unternehmen, sondern eigentlich mit der ganzen Branche unaufhaltsam bergab geht.

Doch hinter der abgeklärten Fassade verbirgt sich eine Leidensgeschichte. Der alte Zyniker ist ein enttäuschter Idealist. In einer Welt vor unserer Zeit war er ein engagierter Kollege mit großen Visionen. Manchmal schimmern noch Reste seiner Begeisterungsfähigkeit durch die grauen Wolken seines Gemüts. Dann krächzt aus seinen PC-Lautsprecherboxen leise Bob Dylan. "Wenn der irgendwann auch noch tot ist, dann gnade uns Gott."

So geht man mit ihm um: Jammern kann man mit ihm wunderbar - und das muss schließlich auch mal sein. Wenn er aber versucht, dem Praktikanten seine Träume auszutreiben, sollte man dringend einschreiten. Abstand ist angebracht, damit auch das eigene zarte Pflänzchen Motivation nicht vollends eingeht. In eigene Pläne sollte man ihn nicht mit einbeziehen, denn der alte Zyniker fürchtet nur noch eins: dass Vorhaben gelingen. Das hieße nämlich, dass Veränderungen doch möglich sind und er selbst vielleicht zu früh aufgegeben hat. (Kathleen Hildebrand)

Der Neinsager

So erkennt man ihn: Egal, was in einem Team besprochen wird, ob jemand aus guten Gründen den alten Weg nicht verlassen oder aber ganz kreativ mal einen neuen ausprobieren will - seine Antwort bleibt stets dieselbe. "Hauptsache dagegen", das ist das Motto des Neinsagers, und er zieht es gnadenlos durch. Wer etwas zu einem Meeting beitragen will, überlegt womöglich schon vorher, was wohl der Neinsager dagegen vorbringen wird. Doch der ist immerhin in diesem Punkt kreativ. Wogegen er bei einem Projekt, einer Idee sein wird, lässt sich oft kaum vorhersehen. Ein konstruktiver Vorschlag dagegen ist von ihm nicht zu erwarten.

So geht man mit ihm um: Das Gute am Neinsager ist: Ihm geht es nicht wie dem Abseiler darum, Arbeit zu verweigern oder sich wie der Intrigant anderen gegenüber auf deren Kosten zu profilieren. Aber seine Miesepetrigkeit zieht auch den Rest des Teams runter. Führen Sie daher folgende einfache Regel ein: Wer eine Idee ablehnt, muss einen besseren Vorschlag unterbreiten oder seine Ablehnung zumindest gut begründen. Nur zu sagen, "das funktioniert nie" und dergleichen, reicht nicht. Ein Schuss Skepsis aber schadet in keiner Runde, kein wirklich guter Chef umgibt sich schließlich nur mit Jasagern und Schleimern. Zweifeln, das oft einhergeht mit dem Beharren auf altgewohnten Denkweisen, darf jedoch nicht zur Dauerhaltung erstarren. Hilft nichts anderes mehr, muss man dem Neinsager auch mal deutlich Kontra geben. (Helmut Martin-Jung)

Der wandelnde Vorwurf

So erkennt man ihn: Er kritisiert unangemessen, destruktiv und anklagend. Lob gibt es nie, eher beißt er sich die Zunge ab. Er hinterlässt bei den Kollegen ein beklemmendes Gefühl. In Konferenzen sagt der Vorwurf lange Zeit nichts und schlägt dann um so heftiger zu. Bügelt die Vorschläge ab, hält die Diskussion für albern und findet, dass die Kollegen wichtige Aspekte übersehen haben ("wie dumm aber auch"). "Vorwurfsvolle Menschen gehören in den Kreis der Depressiven", sagt der Psychologe und Karriereberater Jürgen Hesse. "Meist sind es Leute, die zu kurz gekommen, nicht geliebt und nicht anerkannt sind oder sich so fühlen."

So geht man mit ihm um: Der Vorwurf will auf subtile Weise über seine Kollegen Macht gewinnen. "Das schafft er nur, wenn wir uns rechtfertigen", sagt Hesse. "Tun Sie das nicht!", rät er. "Denn sobald man auf den Vorwurf eingeht, schwächt man sich. Und genau das ist seine Absicht." Am besten hält man sich von solchen Leuten fern, weil sie schlechte Laune machen. Ändern kann man den Vorwurf ohnehin nur schwer. Allerdings kann man im Büro den Kollegen leider oft nicht aus dem Weg gehen. "Dann muss man sich abgrenzen und immunisieren", sagt Hesse. "Bleiben Sie emotional unbeeindruckt. Lassen Sie den Vorwurf auflaufen, indem sie ihn übergehen." Man sollte die Anklage einfach an sich abtropfen lassen. Denn hier will uns jemand eine Schuld einpflanzen, die wir nicht haben. (Sibylle Haas)

© SZ vom 24.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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