Terry Richardson in der Kritik:Ein unmoralisches Angebot

Terry Richardson Emma Appleton

Ein schlimmer Finger? Terry Richardson (hier mit Model Jessica Stam)

(Foto: Michael Buckner/AFP)

Karriere gegen Sex. Diesen Handel soll der amerikanische Fotograf Terry Richardson dem britischen Model Emma Appleton unterbreitet haben. Der Künstler dementiert. Die Branche ist dennoch in Aufruhr - denn Richardson ist nicht zum ersten Mal auffällig geworden.

Von Kim Björn Becker und Julia Werner

Das Angebot ist eindeutig, es klingt für Außenstehende nach dem typischen Klischee der Branche und liest sich in etwa so: Wenn Du mit mir schläfst, bringe ich Dich ganz groß raus. Allein, im englischsprachigen Original ist die Wortwahl noch ein wenig direkter. Die Empfängerin der Textnachricht ist ein junges britisches Model, als Absender leuchtet der Name eines amerikanischen Starfotografen auf. Kaum jemand wüsste davon, hätte Emma Appleton nicht vor wenigen Tagen einen Screenshot ihres Mobiltelefons gemacht und beschlossen, den Inhalt via Twitter zu veröffentlichen.

Was den Fall so spektakulär macht: Bei dem Absender soll es sich um den vielfach ausgezeichneten Fotografen Terry Richardson handeln. In der Vergangenheit war dem 48-Jährigen bereits mehrmals vorgeworfen worden, Models bei Foto-Shootings in seinem New Yorker Studio zu sexuellen Handlungen zu nötigen. Für Sex, so soll es Richardson dem Model Emma Appleton versprochen haben, wolle er sie für ein Shooting der Vogue in New York buchen. Richardson ließ die Urheberschaft an der Nachricht über eine Sprecherin dementieren: "Das ist offensichtlich eine Fälschung. Terry hat diesen Text nicht verschickt."

Das Twitter-Konto des Models ist seit der Veröffentlichung der Nachricht nicht mehr erreichbar. Auf Instagram, einem anderen sozialen Netzwerk, gab Appleton unterdessen zu Protokoll, dass sie es bereue, die Textnachricht öffentlich gemacht zu haben. Sie wollte nicht ausschließen, dass sie womöglich auf einen Betrüger hereingefallen ist: "Wenn das Konto eine Fälschung ist, muss es gelöscht werden, wenn es echt ist, dann ist er ein abscheuliches Wesen." Im Internet hatte die schlüpfrige Nachricht da bereits einen Proteststurm gegen Richardson ausgelöst.

"Habe so etwas noch nie erlebt"

Appleton selbst sagte zu dem Vorfall: "Ich modele seit fünf Jahren und habe so etwas noch nie erlebt." In Dutzenden Twitter-Nachrichten wurde die Redaktion der Vogue aufgefordert, keine Bilder von Richardson mehr zu drucken. In der US-Ausgabe des Modemagazins sollen die bislang letzten Richardson-Fotos im Juli 2010 erschienen sein. "Wir haben keine Pläne, in der Zukunft mit ihm zusammenzuarbeiten", wird eine Sprecherin der amerikanischen Vogue von der Zeitung New York Daily News zitiert. Eine Sprecherin der deutschen Ausgabe sagte der SZ, Richardson "zählt nicht zu den Stammfotografen" des Magazins. In den vergangenen Jahren habe die Zeitschrift nur zwei Fotostrecken von ihm veröffentlicht, zuletzt 2012.

Richardson wurde vor allem in den Nullerjahren mit Kampagnenfotos für das Label Sisley berühmt - er arbeitet mit Frontalblitz, was seine Fotos gewollt amateurhaft und hart wirken lässt. Man nennt seinen Stil deshalb 70er-Jahre-Porn-Chic.

Obwohl es in den vergangenen zehn Jahren immer wieder zu Vorwürfen gegen Richardson gekommen ist, hielt die Modebranche stets an ihm fest. Große Labels wie Jimmy Choo, Gucci und Tom Ford arbeiteten mit ihm, für die US-Ausgabe von Harper's Bazaar schoss er Porträts von Hollywood-Stars wie Gwyneth Paltrow.

"Was Models tun"

Zuletzt war Richardson Anfang März in die Kritik geraten. Das Ex-Model Charlotte Waters, heute 24, berichtete von sexuellen Übergriffen nach einem Shooting im März 2009. Die damals 19-Jährige sei im Studio des Künstlers zu sexuellen Handlungen an Richardson gedrängt worden. "Ich fühlte mich auf einmal an einem Punkt, an dem ich aus der Nummer nicht mehr rauskomme", sagte Waters dem Online-Magazin Vocativ. Kurz darauf veröffentlichte das Magazin ein Chat-Protokoll aus dem Jahr 2011 zwischen Richardson und einem namentlich nicht genannten 17 Jahre alten Model. Im Verlauf der Unterhaltung soll Richardson das Mädchen gefragt haben, ob es für eine Modelkarriere "offenherzig" genug sei - es sei "kein Geheimnis, was die meisten Models tun", um Erfolg zu haben. Als die 17-Jährige das Angebot ablehnte, soll Richardson dies mit dem Satz kommentiert haben: "Du wirst es niemals schaffen."

Der Fotograf hat die Vorwürfe gegen ihn stets zurückgewiesen. In einem offenen Brief, den im März unter dem Titel "Korrektur der Gerüchte" auf der Internetseite Huffington Post veröffentlichte, geißelt Richardson die Berichte über ihn als "emotional aufgeladene Hexenjagd". Niemals habe er jemanden zu etwas gedrängt. Vielmehr habe er "mit erwachsenen Frauen" zusammengearbeitet, die "in vollem Bewusstsein über die Natur der Arbeiten" waren.

Das deutsche Model Eva Padberg hat Richardson unterdessen indirekt verteidigt. Der Illustrierten Bunte sagte sie über die gemeinsame Arbeit: "Klar macht Terry Witze und Sprüche, die auch mal anzüglich sind. Aber er war vor allem sehr sweet." Das sieht Sara Ziff anders. Das amerikanische Model hat die Organisation "Model Alliance" gegründet, die sich für einen besseren Schutz von Models vor sexuellen Übergriffen einsetzt. "Ich habe ein paar Mal mit Richardson gearbeitet", schrieb Ziff nach dem jüngsten Vorfall auf ihrer Website, "und würde es nicht wieder tun."

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