Krise von Sabine Lisicki:Vom Lächeln ist nichts übrig

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Weit von ihrer Wimbledon-Form entfernt: Sabine Lisicki. (Foto: Bongarts/Getty Images)

So hilflos wie eine Hobbyspielerin: Sabine Lisicki ist weiterhin verzweifelt auf der Suche nach ihrer Form - auch beim Turnier in Stuttgart scheitert sie früh. Ein Grund sind wohl die vielen Partys nach ihrem Wimbledon-Erfolg.

Von Matthias Schmid, Stuttgart

Unter ihrer weißen, tief ins Gesicht gezogenen Schirmmütze war sie nicht gleich zu erkennen, als sie langsam auf den Platz trottete und sich neben Sabine Lisicki auf die Bank setzte. Erst als die Hallenregie beim Porsche-Grand-Prix in Stuttgart die beiden groß auf der Leinwand präsentierte, waren die leichten Zweifel einiger Besucher verflogen. Es war tatsächlich Martina Hingis, die auf Lisicki einredete. Es waren erst fünf Spiele gegen Ana Ivanovic vergangen, nicht einmal eine Viertelstunde vorbei, als alle Unzulänglichkeiten im Spiel der Wimbledon-Finalistin bereits zum Vorschein gekommen waren.

Hingis, fünfmalige Grand-Slam-Turniersiegerin und ehemalige Nummer eins, hat sich Lisicki seit ein paar Monaten als Trainerin angenommen, die Schweizerin versuchte, sie zu beruhigen, ein paar taktische Dinge anzusprechen. Aber ändern an der Architektur des Spiels konnte sie natürlich nichts, das ist in einer solchen Coaching-Auszeit, die die Spielerinnenorganisation WTA seit ein paar Jahren gewährt, nicht möglich. Am Ende verlor Lisicki gegen Ivanovic am Mittwochabend nach nicht einmal einer Stunde 1:6, 3:6.

Die 24-Jährige ist verzweifelt auf der Suche nach der Form, die sie im vergangenen Sommer ins Endspiel des bedeutendsten Tennisturniers getragen hat. Von der Leichtigkeit, von der Freude am Spiel, ihrem Lächeln ist nichts mehr übrig, im Gegenteil. "Ich habe überhaupt kein Selbstvertrauen mehr", sagt Lisicki selbst. Ihre Augen sind gerötet, als sie nach der Niederlage spricht.

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Bisweilen wirkte sie auf dem Platz so hilflos wie eine Hobbyspielerin, der beim besten Willen nicht mehr einfällt, wie sie Vor- oder Rückhand spielen soll. Lisickis Bälle flogen gegen Ivanovic nicht nur ein paar Zentimeter ins Aus, sie flogen meterweise ins Aus. Es fehlt ein Plan, eine Struktur, sie bewegt sich schlecht und drischt nur wuchtig auf die Bälle ein, anstatt das Tempo zu variieren oder Vertrauen durch Ballwechsel zu erlangen. "Das ist keine leichte Zeit für mich", sagt sie.

Menschen, die die Berlinerin seit Jahren näher begleiten, stellen mit Erschrecken fest, dass sie nach der wundersamen Reise ins Rampenlicht dem süßen Leben zu sehr verfallen ist. Sie hat mehr Zeit auf Partys und roten Teppichen verbracht als im Fitnessstudio oder auf dem Platz. "Ich habe mir die Zeit gegönnt, den Wimbledon-Erfolg zu genießen", sagt Lisicki. Aber eine Erklärung für ihre Misere sei das nicht. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Streng genommen kam schon der Erfolg auf dem Londoner Rasen ziemlich überraschend. Sie hatte in den Wochen davor nicht viele Matches für sich entscheiden können. Nur zu Beginn des Jahres hatte sie mit zwei Finalteilnahmen angedeutet, dass sie spielerisch das Zeug für Höheres, vielleicht sogar für die Top Ten hat. Wimbledon war ein Ausreißer, eine Explosion, sie spielte das Turnier ihres Lebens. Anschließend gewann sie nur noch in Luxemburg drei Partien nacheinander.

Ihr 14. Platz in der Weltrangliste ist daher eine optische Täuschung, er suggeriert, dass sie noch immer Weltklasse ist. Sie profitiert vor allem von Wimbledon. Dort gewann sie 1400 Punkte. Ein sehr viel aussagekräftigeres Ranking ist die "Road to Singapore", es addiert nicht die Turniere innerhalb der vergangenen zwölf Monate, sondern wertet nur die Ergebnisse seit Jahresbeginn. Dort findet sich Lisicki auf Rang 67 wieder.

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Martina Hingis, mit der sie auch Doppel spielt, soll ihr auf dem Weg zur alten Form helfen. "Sie kennt dieses Gefühl des Zurückkommens auch", sagt Lisicki. Zuletzt hatte sie wegen anhaltender Schmerzen in der rechten Schulter kaum mehr richtig aufschlagen können. Eine deprimierende Niederlage gegen Andrea Petkovic in Charleston Anfang April war die Folge, als ihre Fed-Cup-Kollegin ihr nur ein Spiel überließ.

"Danach ging sogar gar nichts mehr", sagt die Berlinerin. Deshalb hatte sie zuletzt auch pausiert, überhaupt keinen Schläger mehr angefasst und sich ausschließlich behandeln lassen. "Seit ein paar Tagen bin endlich wieder schmerzfrei", sagt Lisicki. Das Match gegen Ivanovic war ein erster Schritt zurück in die Normalität. Es wird dauern, bis sie wieder Vertrauen in ihren Körper und ihr Spiel habe, sagt sie. "Ich muss nun Match für Match spielen und alles wieder neu aufbauen."

Vielleicht schafft sie es, rechtzeitig vor Wimbledon wieder in Form zu kommen. Sabine Lisicki liegt das Spiel auf dem schnellen Rasen, sie liebt es flach und hart zu schlagen. Aber da gibt es noch einen anderen Traum, ein Ziel, für das es sich lohnt zu schinden, wie sie findet. Das Finale im Fed Cup Anfang November in Tschechien.

"Bis dahin kann noch viel passieren", sagt Lisicki, die zuletzt für das Halbfinale von Barbara Rittner nicht nominiert war. Dennoch habe sie mitgefiebert. "Ich habe mir sogar extra den Wecker gestellt, um mir das dritte Match von Angelique anzuschauen", bekennt Sabine Lisicki. Das war um vier Uhr in der Früh. Sie scheint wieder verinnerlicht zu haben, warum sie Profispielerin geworden ist.

© SZ vom 25.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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