Gaucks Besuch in der Türkei:Klare Worte für einen problematischen Partner

Türkei Deutschland doppelte Staatsbürgerschaft

Vom 26. bis 29. April besucht der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck die Türkei.

(Foto: dpa)

Korruptionsskandale, Twitter-Sperre, ständige Polizeieinsätze - es ist keine einfache Zeit, um als europäisches Staatsoberhaupt in die Türkei zu reisen. Deshalb hat Joachim Gauck schon vor seinem Besuch "klare Botschaften" versprochen.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Die Türkei hat zuletzt mit Korruptionsaffären und Kommunikationsverboten Schlagzeilen gemacht. Am 1. Mai dürfte es die nächsten Straßenschlachten in Istanbul geben, weil Gewerkschaftsvertreter darauf beharren, sich auf dem symbolträchtigen Taksim-Platz zu versammeln, was die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan partout mit Polizeigewalt verhindern will. Es ist keine einfache Zeit, um als europäisches Staatsoberhaupt in die Türkei zu reisen.

Für Bundespräsident Joachim Gauck gilt dies in besonderer Weise, schließlich ist die Verteidigung von Freiheitsrechten sein Lebensthema. Gauck hat denn auch bereits im Vorfeld seiner an diesem Samstag beginnenden, schon lange geplanten viertägigen Türkeireise Erdoğan quasi vorgewarnt, dass er mit "klaren Botschaften" kommen werde. Die werden vor allem von einer Rede Gaucks in Ankara am Montag in der Technischen Universität des Nahen Ostens erwartet. Auch an dieser staatlichen Universität gab es zuletzt immer wieder teils heftige Studentenproteste gegen Erdoğan und seine Politik, die von robusten Polizeieinsätzen begleitet wurden.

Keine einfache Zeit, um als europäisches Staatsoberhaupt in die Türkei zu reisen

Bevor Gauck sich aber in die türkische Hauptstadt wagt, bewegt er sich am Sonntag zunächst auf sicherem Terrain: bei den 300 Bundeswehrsoldaten, die in der Stadt Kahramanmaras im Südosten des Landes mit zwei Patriot-Abwehrstaffeln im Einsatz sind - 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Der schon seit Januar 2013 andauernde Verteidigungsauftrag, der das Nato-Land vor anfliegenden syrischen Raketen schützen soll, geriet zuletzt in Deutschland etwas in Vergessenheit. Schließlich überdeckt die Ukraine-Krise alles. Vielleicht schaut Gauck auch deshalb bei den Soldaten vorbei, die bislang keine einzige Rakete in Richtung Syrien abfeuern mussten.

Der Krieg im Nachbarland ist der Türkei trotzdem nahegekommen, mit einer Million syrischen Flüchtlingen. Diese Zahl hat Erdoğan erst jüngst genannt. Genaue Angaben sind schwierig, weil sich viele Syrer nicht registrieren lassen. Die meisten schlagen sich in den türkischen Großstädten mehr schlecht als recht durch. Das Elend der Ärmsten, denen nur das Betteln bleibt, ist in Istanbul mittlerweile unübersehbar. In türkischen Lagern wird zumindest etwa ein Drittel der Syrer nach Einschätzung internationaler Beobachter gut versorgt. Hier leistet das Land Vorbildliches, Gauck dürfte es würdigen.

Schwieriger könnten dann die Gespräche in Ankara werden, wobei Gauck Präsident Abdullah Gül viel, Erdoğan dagegen wenig Zeit einräumt. Gül schätzt im Gegensatz zu Erdoğan die leisen Töne. Er hatte sich auch - per Twitter - persönlich gegen das von Erdoğan durchgesetzte Twitter-Verbot gewandt, das inzwischen vom Verfassungsgericht gekippt wurde.

Für türkische Wahlkampfauftritte in Deutschland werden schon Sportarenen gesucht

Gül und Erdoğan verbindet die gemeinsame Not, entscheiden zu müssen, wer von beiden im August als Präsidentschaftskandidat antritt. Gewählt wird erstmals direkt vom Volk, und erstmals können auch die Türken im Ausland in den Konsulaten abstimmen. Deshalb glaubt die regierungsnahe Zeitung Sabah, die fest mit einer Kandidatur Erdoğans rechnet, dass dieser auch Auftritte in Deutschland plant. Angeblich werden schon Sportarenen gesucht.

Auf Gaucks Programm stehen auch Gespräche mit der Zivilgesellschaft und mit Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu. Vor der Abreise am Dienstag eröffnet Gauck in Istanbul gemeinsam mit Gül die neue Deutsch-Türkische Universität. Dieses Projekt hatte Gül schon 2006 mit Frank-Walter Steinmeier, damals wie heute Außenminister, angestoßen. Lange kam es nicht in Gang und beide Seiten schoben die Verantwortung dafür hin und her.

Als bisher letzter deutscher Präsident hatte 2010 Christian Wulff die Türkei besucht, der sogar im Parlament sprechen durfte. Eindruck machte er dabei mit dem Satz: "Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei." Dafür wurde Wulff im März die Ehrenbürgerurkunde von Tarsus verliehen, der Geburtsstadt des Apostels Paulus.

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