Krise in der Ukraine:Separatisten stürmen Regierungsgebäude in Luhansk

Pro-Russian activists storm the regional government headquarters in Luhansk

Gebietsverwaltung von Luhansk in der Ostukraine: Moskautreue Bewaffnete dringen in das Gebäude ein.

(Foto: REUTERS)

Prorussische Separatisten fordern in Luhansk Volksabstimmung +++ Selbsternannter Bürgermeister von Slawjansk sieht angebliche Fortschritte in Verhandlungen über OSZE-Beobachter +++ Gazprom warnt vor Störung der Gaslieferungen nach Europa +++

Die Entwicklungen im Newsblog

  • Prorussische Separisten stürmen Regierungsgebäude in Ostukraine
  • USA und EU verschärfen Sanktionen gegen Russland: EU veröffentlicht Namensliste der Betroffenen
  • Selbsternannter Bürgermeister von Slawjansk hält Lösung "innerhalb kürzester Zeit" für möglich, fordert aber Rücknahme der EU-Sanktionen
  • Nato bestätigt russischen Truppenabzug an der Grenze zur Ukraine nicht
  • Gazprom warnt vor Störung der Gaslieferungen nach Europa

Prorussische Separatisten stürmen Regierungsgebäude: Es handelt sich um den Sitz des Gouverneurs im ostukrainischen Luhansk, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und beruft sich auf Polizeiangaben. Nach Informationen der BBC brechen ein Dutzend Männer in das Gebäude ein. Ein Mensch wird dabei nach Berichten örtlicher Medien verletzt. In der Stadt nahe der russischen Grenze halten Separatisten bereits seit Wochen ein Gebäude des Geheimdienstes SBU besetzt. Sie fordern eine Volksabstimmung über eine weitreichende Föderalisierung bis hin zu einem möglichen Anschluss an Russland nach dem Vorbild der Halbinsel Krim, berichtet die Nachrichtenagentur dpa.

EU veröffentlicht Namen der Sanktionierten: Die neuen Einreiseverbote und Kontensperrungen der EU treffen eine Reihe russischer Spitzenpolitiker sowie maßgebliche Vertreter der prorussischen Aufständischen im Osten der Ukraine. Dies geht aus der im Amtsblatt der EU veröffentlichten Namensliste hervor. Die Liste wird angeführt vom russischen Vize-Ministerpräsidenten Dmitrij Kosak. Zu den genannten Rebellenführern aus dem Osten der Ukraine gehören Igor Strelkow, der an Zwischenfällen in Slawjansk beteiligt war, sowie der Leiter der "Republik Donezk", Andrej Purgin. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton teilt mit, die Namen seien wegen der "Bedrohung der territorialen Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine" der Sanktionsliste hinzugefügt worden. Sie sei alarmiert über die sich verschlechternde Situation in der Ukraine, heißt es in einer Erklärung. "Die Spirale von Gewalt und Einschüchterung untergräbt das normale Funktionieren legitimer staatlicher Einrichtungen." Ashton fordert Russland auf, die Genfer Vereinbarung über eine Deeskalation der Lage tatsächlich umzusetzen.

Ponomarjow hält Lösung "in kürzester Zeit" für möglich: Der selbsternannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow (hier mehr zu seiner Person), sieht bei den Verhandlungen über die gefangengenommenen OSZE-Militärbeobachter Fortschritte. Einen Zeitrahmen wollte er jedoch nicht nennen. Binnen "kürzester Zeit" sei ein "positiver Ausgang" möglich, sagte Ponomarjow, erklärte jedoch nicht, was darunter zu verstehen sei. Zuvor hatte Ponomarjow Verhandlungen über die Freilassung der Geiseln von der Aufhebung der EU-Sanktionen abhängig gemacht. "Wir werden den Dialog über den Status der Kriegsgefangenen nur dann wiederaufnehmen, wenn die EU diese Zwangsmaßnahmen zurücknimmt", sagte er der Nachrichtenagentur Interfax. Die Aktivisten halten seit Tagen mehrere Militärbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gefangen, darunter vier Deutsche.

Moskau droht mit Gegenmaßnahmen auf Sanktionen: Russland übt scharfe Kritik an der Europäischen Union. Die EU stehe unter der Fuchtel der USA, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums in Moskau. Die Sanktionen gegen Russland würden nicht helfen, die Lage in der Ukraine zu stabilisieren. Am Montag verhängte US-Sanktionen hatte Moskau als "abscheulich" bezeichnet.

Nato sieht keine Hinweise auf russischen Truppenrückzug: Die Nato bestätigt den von Russland erklärten Truppenrückzug an der Grenze zur Ukraine bislang nicht. Es gebe derzeit keine Hinweise für derartige Bewegungen, teilt das Militärbündnis auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters mit. Der russische Verteidigungsminister Schoigu hatte zuvor während eines Telefonats mit seinem US-Kollegen Chuck Hagel gesagt, dass die Truppen in ihre Standorte zurückbeordert worden seien. Das meldete die Agentur Interfax. Das Verteidigungsministerium begründete seinen Truppenabzug damit, dass Kiew beteuert habe, die ukrainische Armee "nicht gegen unbewaffnete Zivilisten" im Osten des Landes einzusetzen. Russland hatte Mitte April zusätzliche Einheiten an die Grenze zur Ukraine zu "Manövern" verlegt.

Gazprom warnt vor Störung der Gaslieferungen: Diese könnten auftreten, wenn es zu weiteren Streitigkeiten mit der Ukraine komme, teilt der größte russische Gasproduzent am Dienstag mit. Durch die Ukraine führen die Pipelines nach Westen. Gazprom hatte dem Land vorige Woche zusätzliche Kosten in Höhe von 11,4 Milliarden Dollar in Rechnung gestellt. Der Konzern befürchtet bei weiteren Sanktionen des Westens gegen Russland erheblichen Schaden für das eigene Geschäft.

Angeschossener Bürgermeister von Charkow nach Israel ausgeflogen: Der Bürgermeister von Charkow, Gennadi Kernes, ist nach Israel ausgeflogen worden. Das meldet die Kyiv Post unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Interfax. Er war am Montag in den Rücken geschossen worden und soll sich im künstlichen Koma befinden. Kernes ist seit 2010 offiziell Bürgermeister von Charkow. Dem britischen Guardian zufolge war er eine führende Figur in der prorussischen Partei der Regionen des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Kernes sei ein Populist und scharfer Kritiker der Maidan-Proteste gewesen, habe sich seit den Unruhen allerdings proukrainischer geäußert. Zuletzt war er unter Hausarrest gestellt worden.

Hintergrund zu den OSZE-Missionen in der Ukraine: Der Militärbeobachtereinsatz ist nicht identisch mit dem parallel laufenden Einsatz der diplomatischen OSZE-Beobachter. Beide Gruppen sind im Auftrag der OSZE in der Ukraine unterwegs. Russland muss den zivilen Einsätzen zustimmen, den militärischen aber nicht. Die Militärbeobachter können auf bilateraler Basis entsandt werden und sind in wechselnden Teams und unter wechselnder Führung schon seit Anfang März im Land. Die unbewaffneten Militärbeobachter, die am Freitag von Separatisten in Slawjansk gefangen genommen wurden, sind auf Einladung der Ukraine im Land. Deutschland führt den Einsatz. Dass die ausländischen Experten bei ihrem Inspektoreneinsatz von ukrainischen Soldaten begleitet werden, ist durchaus üblich. Grundlage für den Einsatz ist das sogenannte Wiener Dokument. Es wurde 1990 beschlossen, seither mehrfach ergänzt und gilt in den 57 OSZE-Staaten. In ihm sind Mechanismen verankert, die Vertrauen zwischen den Mitgliedsländern schaffen sollen. So müssen sich die Staaten einmal im Jahr gegenseitig ausführliche Informationen über ihre Streitkräfte, deren Stationierung und Hauptwaffensysteme liefern. Überprüft werden die Informationen durch Inspektionen vor Ort.

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