Gaucks Kritik an der Türkei:Erdoğans Erfolgsrezept

Turkey's Prime Minister Tayyip Erdogan addresses members of parliament from his ruling AK Party during a meeting at the Turkish parliament in Ankara

Gewinnt mit Polarisierung in seinem Land Stimmen: der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan.

(Foto: Umit Bektas/Reuters)

Reden? Mit dem türkischen Premier scheint das im Moment unmöglich zu sein. Der Ton, den Erdoğan in seiner Replik anschlägt, ist so schrill, dass es nur zwei Erklärungen gibt.

Ein Kommentar von Christiane Schlötzer, Istanbul

Recep Tayyip Erdoğan, Regierungschef der Türkei, kann Kritik nur schwer ertragen. Das ist bekannt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass er auch auf die deutlichen Worte des deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck harsch reagiert.

Der Ton aber, den Erdoğan in seiner Replik anschlägt, ist so schrill, dass es nur zwei Erklärungen gibt: Gauck hat mit seinem Zwischenruf zum Zustand der türkischen Demokratie voll ins Schwarze getroffen. Und Erdoğan befindet sich schon wieder im Wahlkampf - diesmal um das Präsidentenamt.

Gauck hatten seiner Rede vor Studenten den Titel gegeben: "Nicht übereinander reden, sondern miteinander". Mit Erdoğan aber scheint Letzteres im Moment unmöglich zu sein. Das kann man nur bedauern, denn zwischen Bosporus und Berlin sind in den vergangenen Jahrzehnten so viele enge Bindungen herangewachsen, dass ein handfester türkisch-deutscher Familienkrach viele Menschen in Loyalitätskonflikte treiben muss.

Demnächst will der türkische Premier in Deutschland Sporthallen mit eigenen Anhängern füllen, denn bei der Präsidentschaftswahl im August dürfen erstmals auch Türken in der ganzen Welt ihre Stimme abgeben. Erdoğan macht in seinem Land derzeit mit Polarisierung Politik und gewinnt sogar Stimmen damit. Es ist zu befürchten, dass er dieses Erfolgsrezept auch nach Deutschland tragen will. Auch davor hatte Gauck gewarnt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: