Merkel in Washington:Kleinste Gesten der Zuneigung

Obama und Merkel

Merkel und Obama, hier bei einem Treffen 2011, stehen vier gemeinsame Stunden in Washington bevor

(Foto: dpa)

NSA-Affäre, war da was? Beim zweitägigen Besuch der Kanzlerin in den USA spielt ihr abgehörtes Handy allenfalls eine Nebenrolle. Auch wird das Verhältnis zu Präsident Obama wohl nicht runderneuert. Doch Merkels Mission ist ohnehin eine andere.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Wo das Fremdsein lauert, wird schon die kleinste Geste zum Signal der Zuneigung: Vier Stunden Zeit wird sich US-Präsident Barack Obama am Freitag für Angela Merkel nehmen. Washington hört weiterhin auf Deutschlands Stimme, so lautet die Botschaft aus dem Weißen Haus. Nur würde man gerne wissen, was sich die beiden Seiten im Moment zu sagen haben.

Etwas mehr als 24 Stunden wird sich die Kanzlerin während ihrer Dienstreise am Donnerstag und Freitag in Washington aufhalten. Es ist ein Arbeitsausflug zum mächtigsten Mann der Welt, das Gegenprogramm zu Merkels letzten Besuchen: 2009 durfte die CDU-Politikerin vor beiden Kammern des US-Kongresses sprechen, diese Ehre war zuvor nur dem Nachkriegs-Kanzler Konrad Adenauer zuteil geworden. 2011 veranstaltete Obama ein Festbankett, um Merkel mit der Freiheitsmedaille auszuzeichnen - der höchsten zivilen Ehrung, die Amerika zu bieten hat.

2014 ist vieles anders, Washington und Berlin haben sich im Zuge der NSA-Affäre voneinander entfernt. "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht", kommentierte die Kanzlerin einst die Enthüllungen über ihr abgehörtes Handy. Außer der Zusicherung, künftig nicht mehr am Merkel-Handy zu lauschen, kam seitdem nur wenig von der US-Regierung.

Die von Obama angekündigten NSA-Reformen betreffen die Europäer nicht, die Idee eines No-Spy-Abkommens ist de facto beerdigt. Die Kanzlerin selbst wird keinen Einblick in ihre NSA-Akte erhalten. Stattdessen sollen die beiden Politiker Berichten zufolge einen "strukturierten Dialog" deutscher und amerikanischer Experten über digitale Bürgerrechte ankündigen. So wird das Thema angesprochen, ohne sich damit beschäftigen zu müssen.

Emotionale Reaktionen sind ihre Sache nicht

Merkel ist Realpolitikerin genug, um ihre Machtlosigkeit in dieser Angelegenheit zu akzeptieren. Emotionale Reaktionen sind ihre Sache nicht - emotionale Bindungen durchaus. Das erklärt, warum sie transatlantische Differenzen immer wieder auf eine überschaubare Größe herunterzureden versucht.

In ihrer Rede vor dem Kongress im Jahr 2009 gab sie einen ungewohnt tiefen Einblick in ihre persönliches Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. "Wofür habe ich mich begeistert?", fragte sie im Rückblick auf ihre Zeit in der DDR. "Ich habe mich begeistert für den American Dream - die Möglichkeit für jeden, Erfolg zu haben, durch eigene Anstrengungen es zu etwas zu bringen." Und erzählte von ihrer ganz persönlichen Begegnung mit den USA. "Gleich 1990 sind mein Mann und ich das erste Mal in unserem Leben nach Amerika geflogen, nach Kalifornien. Niemals werden wir den ersten Blick auf den Pazifischen Ozean vergessen. Er war einfach grandios."

Jenseits der Romantik zwingt die Lage in der Ukraine den Westen zur Rückbesinnung auf Gemeinsamkeiten. Während des Treffens zwischen Obama und Merkel wird absehbar das Verhältnis zu Russland auf der Tagesordnung stehen.

So sehr die Kanzlerin befremden dürfte, dass Teile des politischen Amerikas einen neuen Kalten Krieg ausrufen, so misstrauisch beäugt Washington, ob sich Deutschland angesichts der wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland zu einer klareren Sanktionen gegenüber Moskau durchringen kann. Mit Erstaunen nimmt mancher zur Kenntnis, dass sich die Deutschen nicht entscheiden können, ob ihr Land ein fester Teil des westlichen Bündnisses oder ein Puffer zwischen Russland und dem Westen ist.

Für Angela Merkel stellen sich solche Fragen nicht - doch so fest verankert ihre transatlantische Ausrichtung, so idealistisch ihre Bild von Amerika als Konzept ist, so nüchtern wirkt das, was ihr deutsch-amerikanisches Vermächtnis sein soll: das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Es wird zwischen Washington und der EU-Kommission verhandelt. Es war die Kanzlerin, die einst gegenüber Washington auf die Gespräche drang.

Die einzige Rede ihrer Reise wird Merkel deshalb am Freitagnachmittag vor der US-Handelskammer halten. Es wird nicht um den Pazifik oder den American Dream gehen, sondern um Zahlen und wirtschaftliche Prognosen. Es ist auch ein Signal an Obama, wo die Prioritäten der deutschen Außenpolitik liegen.

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