Tatort: München "Am Ende des Flurs":Wenn ein Leben zerbricht

Tatort "Am Ende des Flurs"

Von links: Ermittler Radtke mit Franz Leitmayr, Ivo Batic und dem Assistenten Kalli Hammermann.

(Foto: BR/Denise Vernillo)

Der "Tatort" aus München ist eine behutsam konstruierte Geschichte über Vertrauen, Freundschaft, Liebe - mit einem grandiosen Franz Xaver Kroetz und einem neuen, nassforschen Kollegen.

Von Holger Gertz

Eine Frau ist vom Balkon gestoßen worden, 12. Stock, die Frau war die Freundin vieler Männer. Die Frau, die zerschmettert auf dem Pflaster liegt, war mit keinem dieser Männer offiziell zusammen, trotzdem hat sie etwas in ihnen berührt, denn offenbar hat sich jeder der Männer in sie verliebt. Kommissar Batic trifft nur Erloschene, als er sie verhört, einen Hockeyspieler zum Beispiel.

Batic fährt die üblichen Ermittlerfragen auf: "Wo waren Sie gestern nach 20 Uhr?" Da schaut ihn der Mann nur an, gefrorenes Gesicht, der Schnauzbart sieht aus wie reingeklebt. Normalerweise würde exakt dieser Typ Mann jetzt das Erwartbare vorbringen, "ohne meinen Anwalt sag ich gar nichts mehr". Aber diesem hier geht es nicht um sein Alibi. Er denkt an die Frau, für deren Nähe er offenbar bezahlt hat, aber deren Verlust mit keinem Betrag aufzuwiegen ist. Er weint nicht. Er stellt dann eine Kinderfrage: "Man kann sie nicht zurückholen? Oder?"

Der BR-Tatort von Max Färberböck ist eine behutsam konstruierte Geschichte über Vertrauen, Freundschaft, Liebe, compassion; eine Philosophie über das, was Menschen ineinander sehen. Wie sie aneinander vorbeireden. Wie sie immer nicht füreinander da sind, wenn der eine den anderen braucht. Die Frau hat bei Batics Kollegen Leitmayr angerufen, sie hatte mal was mit ihm, beinahe etwas Ernstes. Sie hat zuletzt noch eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen. "Aber ich habe nicht zurückgerufen", schreit der komplett erledigte Leitmayr. "Weil alles in diesem Drecksleben immer wichtiger ist."

Liebe ist der rote Faden

Sehr liebevoll auch die Auswahl der Schauspieler: Die beiden Grauköpfe haben einen neuen nassforschen Kollegen, Kalli Hammermann, der entfernt so aussieht wie Philipp Lahm mit acht. Die tolle Lisa Wagner ist als Fallanalytikerin dabei, ein Rabe spielt einen Raben. Die Liebeserklärung zieht sich wie ein Faden durch die Handlung. Man kann eine Frau retten wollen, oder man kann sich ihr ergeben. Man kann die Frau festhalten wollen, man kann sich zwingen, sie loszulassen. Man kann eine Heilige in ihr sehen, eine Sünderin, ein Spielzeug. Alles aus Liebe.

Grandios natürlich: Franz Xaver Kroetz als Paradebayer Toni Feistl. Ein Herrscher der Bussi-Gesellschaft, der keckernd lacht wie ein irrer Kobold und in seiner Freizeit offenbar Fesselspiele bevorzugt, Bondage genannt und von Kroetz entsprechend griffig ausgesprochen: "Bonditsch, Herr Batic, is a Kunst." Aber dann, eine der kurzen Rückblenden: Die Frau gibt zu, dass sie vielleicht etwas Festes hat und bald für ihn nicht mehr zu haben sein wird. Da schleicht sich diese Traurigkeit und Verlassenheit in Feistls Blick, er hält noch die Frau fest und schaut schon seinem Leben dabei zu, wie es gerade zerbricht.

Die Männer - Kommissare inbegriffen - sind Verlassene. Sie sind einsam, aber sie stehen in einer Beziehung zueinander, das Band zwischen ihnen ist geknüpft aus Rivalität, Rachlust, Eifersucht, enttäuschter Freundschaft. Ein besonderer, bewegender Tatort, der zeigt: eine Geschichte über die Liebe - wenn sie nicht trivial werden will - kann immer nur eine Geschichte über die Unmöglichkeit der Liebe sein.

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: