Opta-Statistiken zur Bundesliga:Peps Ballbesitz-Fetisch in Zahlen

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Mal wieder hat der FC Bayern den Ball: Franck Ribéry (links) und Mario Götze

(Foto: AFP)

War der FC Bayern in allen Bereichen übermächtig? Robert Lewandowski gewinnt die Torjägerkanone - aber ist er wirklich der beste Bundesliga-Stürmer? Und warum taucht Hannovers Szabolcs Huszti in so vielen Rankings ganz oben auf? Überraschende Statistiken zur Bundesliga-Saison.

Von Jonas Beckenkamp und Lisa Sonnabend

Die Meisterschaft war so früh entschieden wie nie zuvor. Doch bei anderen Fragen herrschte in der Bundesliga-Saison 2013/2014 Spannung bis zum Schluss: Wer sichert sich die Torjägerkanone? Wer muss in die zweite Liga? Wer darf in die Champions-League-Qualifikation? Doch auch nachdem diese Fragen geklärt sind, bleiben noch erstaunliche Erkenntnisse.

Die Zahlen von Opta, der Statistik-Partner von SZ.de zeigen: Nicht alle Bereiche beherrschen die Bayern so klar wie die Abschlusstabelle. Manchmal ging es in dieser Spielzeit auch richtig ausgeglichen zu, in anderen Kategorien liegen Spieler vorne, die sonst kaum in Erscheinung treten. Wir haben uns durch die Statistik gewühlt und interessante Zahlen zusammengestellt. (Wer noch mehr Daten auswerten will, findet hier ausreichend Material.)

  • Pizarro ist am effizientesten

Die Torjäger-Kanone bekam in dieser Saison Robert Lewandowski für seine 20 Treffer in der Bundesliga. Doch war er damit auch der effizienteste Stürmer? Keineswegs!

Denn am meisten Tore umgerechnet auf die Einsatzzeit erzielte Claudio Pizarro. Der 35-jähriger Peruaner erzielte zwar nur halb so viele Tore wie Lewandowski, er war aber deutlich seltener im Einsatz. In der Saison 2013/2014 traf er im Schnitt alle 68,3 Minuten ins Tor und ist damit der effizienteste Schütze der Liga. Sein Teamkollege Mario Mandzukic dagegen benötigte durchschnittlich 112 Minuten für einen Treffer, Lewandowski sogar 140,1 Minuten. Wer weiß: Womöglich wäre Pep Guardiola schon im Februar Meister geworden, hätte er öfter auf Pizarro gesetzt.

Überraschend auch: Der dritteffizienteste Angreifer der Liga war der Schalker Klaas-Jan Hunterlaar. Der Niederländer konnte wegen einer Knie-Operation wochenlang nicht spielen, traf jedoch insgesamt zwölf Mal ins Tor - durchschnittlich alle 121,7 Minuten. Der Holländer hat einen großen Anteil daran, dass Schalke die erfolgreichste Rückrunde der Vereinsgeschichte gelang und in der kommenden Saison wieder Champions League spielt.

Nummer eins im Tor

  • ​Deutschlands bester Torhüter

Sollte nicht noch der Himmel auf die Erde krachen, wird Manuel Neuer bei der WM im deutschen Tor stehen. Der Bayern-Keeper ist so unumstritten die Nummer eins, dass sich weitere Debatten eigentlich erübrigen. Trotzdem lohnt sich ein Blick ins Zahlenwerk der abgelaufenen Saison, denn dort liegen andere Torsteher weit vorne. Die meisten Paraden mussten zwei Profis zeigen, die mit ihren Teams gegen den Abstieg kämpften: Nürnbergs Raphael Schäfer (142) und Freiburgs Oliver Baumann (141) waren so oft wie niemand sonst die letzte Rettung ihrer wackeligen Abwehrreihen.

Neuer liegt mit 72 Abwehraktionen scheinbar im Liga-Mittelfeld, bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass nur Dortmunds Roman Weidenfeller (68) weniger eingreifen musste. Unter den Torhütern mit mindestens 30 Einsätzen ist der Wert des Bayern-Keepers der zweitkleinste - das dokumentiert auch die Spielweise und die Überlegenheit des deutschen Meisters: Wer das Spiel dominiert wie die Pep-Bayern, bekommt eben nicht viel aufs Tor.

Neuers 15 Zu-Null-Spiele sind einsamer Spitzenwert, zudem nahm die Münchner Defensive (nur 23 Gegentore) um Dante, Jérôme Boateng oder Javi Martínez ihrem Schlussmann viel Arbeit ab, so dass der weitaus weniger Bälle klären musste als Nürnbergs Schäfer. Das wiederrum ist kaum verwunderlich, denn die von Ausfällen geplagte Abwehr des Club (70 Gegentore) agierte oft sehr durchlässig - Schäfer war in einer schwachen FCN-Mannschaft oft noch der Beste.

  • Tiki-Taka aus München, ein Passkönig aus Gladbach

Gleich sechs Bayern-Spieler befinden sich unter den zehn fleißigsten Passgebern der Liga: Philipp Lahm (2236), Dante (2190), Toni Kroos (2190), Rafinha (1969), Boateng (1966) und Bastian Schweinsteiger (1946). Pep Guardiolas Ballbesitz-Fetisch schlägt sich in Zahlen damit genau bei den Akteuren nieder, die von hinten heraus das Spiel ankurbeln. Oft mögen es nur kurze Zuspiele oder einfache Ballberührungen gewesen sein, aber für die Statistiker ist ein Pass eben ein Pass. Auffällig auch, dass unter den Top 25 immerhin fünf Gladbacher auftauchen.

Christoph Kramer (1908), Martin Stranzl (1787), Tony Jantschke (1769), Granit Xhaka (1760) und Max Kruse (1533) untermauern mit ihren Werten, wie sehr Lucien Favres Kombinationsfußball auf schnelle, direkte Pässe ausgelegt ist. Als weniger probates Mittel betrachten Guardiola und Favre offenbar die klassische Flanke. Im Kurzpassspiel der Münchner kommt dieses Stilmittel kaum vor, der Konterfußball der Borussia ist ebenfalls eher über Aktionen durch die Mitte angelegt. So überrascht es nicht, dass im Kreis der ambitioniertesten Flankengeber einzig Kruse (147) vorne dabei ist.

Führender in dieser Kategorie ist mit deutlichem Vorsprung Hannovers Szabolcs Huszti (220), vor Wolfsburgs Ricardo Rodriguez (182) und Leverkusens Gonzalo Castro (172). Ein ähnliches Bild zeichnen die Statistiken zu den Torschussvorlagen: Hier führt Kruse (98) vor Marco Reus (90) und Castro (79). Kurzpässe, Flanken, Vorlagen - dass Bundestrainer Joachim Löw einen spielstarken Teamplayer wie Kruse nicht mit zur WM mitnimmt, überrascht angesichts dieser Zahlen.

Hoffenheimer Harakiri

  • Meister im Chancen-Auslassen

Auch ein genauer Blick auf die Chancenverwertung der 18 Teams lohnt sich. Die Bayern liegen in dieser Kategorie erwartungsgemäß ganz vorne, sie münzten 18,9 Prozent ihrer Torchancen in Treffer um - ein außerordentlich guter Wert, aus dem sich leicht erschließen lässt, wie die Münchner insgesamt 94 Tore erzielen konnten. Die Bayern verwerteten ihre Chancen unter Pep Guardiola dabei noch effizienter als unter Jupp Heynckes. In der vergangenen Saison lag der Wert fast zwei Prozentpunkte niedriger.

Interessant in dem Ranking: Die Offensive der TSG Hoffenheim (obwohl in der Liga nur auf Platz neun) agierte ähnlich erfolgreich wie jene des Deutschen Meisters. Roberto Firmino, Sejad Salihovic, Kevin Volland, Anthony Modeste & Co. nutzten 18,4 Prozent ihrer Chancen. Der Grund für die hohe Erfolgsquote der Sinsheimer? Markus Gisdol verfügt über talentierte Offensivkräfte und lässt diese einen spektakulären Angriffsfußball spielen. Darunter leidet allerdings die Defensive.

Auffällig ist auch dass der BVB im Chancenverwertungs-Ranking nur an Position vier steht. Die Treffsicherheit des BVB liegt bei 17,1 Prozent. Die Folge: Immer wieder produzierten die Dortmunder Zahlen wie die gegen Hertha BSC im Dezember. Von 20 Torschüssen gelangte nur einmal der Ball ins Tor, die Berliner verwandelten zwei von sechs Versuchen - und holten sich die drei Punkte. Immerhin: Pierre-Emerick Aubameyang, den manche zunächst als tragischen Chancenversieber begrüßten, schoss in dieser Saison 13 Tore.

Die schlechtesten Werte bei der Chancenverwertung weisen übrigens der 1. FC Nürnberg (11,5 Prozent) und Eintracht Braunschweig (9,5 Prozent) auf. Kein Wunder, dass sie nun zweitklassig spielen.

  • Schlechteste Defensive der Liga

Mal spielten sie 2:3 gegen Dortmund, mal 1:3 gegen Bremen, mal 3:3 gegen die Bayern, mal 6:2 gegen Wolfsburg. Wenn die TSG Hoffenheim in dieser Saison antrat, fielen viele Tore. Mehr Tore als die Sinsheimer erzielten nur der FC Bayern und der BVB, mehr Gegentore kassierte nur der Hamburger SV, mit 75 Gegentoren Schlusslicht dieser Tabelle. Nürberg und Hoffenheim bekamen 70 Treffer ab. Das Attribut "schwächste Defensive der Liga" hat Hoffenheim jedoch ganz alleine verdient, wie weitere Opta-Rechnereien zeigen.

In den 34 Bundesligapartien 2013/2014 schaffte es die Sinsheimer Abwehr nur drei Mal, kein Gegentor zuzulassen. Das haben nicht einmal die oft katastrophal agierenden Hamburger und Nürnberger im Tabellenkeller hinbekommen, sie spielten immerhin viermal zu Null. Zum Vergleich: Der FC Bayern kassierte in 17 Spielen kein Gegentor.

Und es gibt noch mehr Belege: 2900 Mal verlor die TSG-Verteidigung einen Zweikampf. Nur Werder Bremen und Hertha BSC gaben im direkten Duell mit einem Gegner öfter den Ball her. Die Zweikampfquote war bei den beiden Klubs jedoch höher als bei den häufig fahrigen Hoffenheimern. Die gewannen nämlich nur 49,2 Prozent der Zweikämpfe, der drittschlechteste Wert der Liga. Nur bei Absteiger Braunschweig und bei Hannover 96 lag die Quote noch ein paar Zehntel-Prozentpunkte tiefer.

Ein weiteres Indiz für die überforderte Sinsheimer Abwehr ist die Anzahl der Fouls. 659 Mal griff Markus Gisdols Team unerlaubt ein, um noch einen Angriff des Gegners zu unterbinden. Zum Vergleich: Borussia Mönchengladbach, die fairste Mannschaft der Liga, hatte dies nur 363 Mal nötig. Jannik Vestergaard, Niklas Süle und den anderen TSG-Defensivakteuren muss jedoch zu Gute gehalten werden: Da das Spiel der Hoffenheimer derart offensiv ausgerichtet ist, hätten sicherlich auch talentiertere Verteidiger ihre Probleme gehabt.

  • Thiagos beeindruckende Saison​

​"Thiago oder nix" - dieses Credo von Pep Guardiola aus dem vergangenen Sommer hallt noch immer nach. Den spanischen Wuselmann eisten die Bayern auf Wunsch ihres Trainers für 25 Millionen Euro aus Barcelona los. Was der dann nach einigen Spielen Anlaufzeit zeigte, war bemerkenswert. Thiago avancierte bis zu seiner Verletzung im Februar rasch zum Fixstern im pepschen Ballbesitz-Kosmos. Wo der kleine Spanier auch spielte, er hatte zumeist die Kugel am Fuß oder er passte sie geschickt weiter. Knapp hinter Toni Kroos (91,8 Prozent angekommene Zuspiele) liegt der Mittelfeldspieler gemeinsam mit Philipp Lahm (beide 91,6) auf Platz zwei im Zahlenrennen um den passsichersten Akteur der Liga. Weil Thiago aber weitaus risikoreicher agiert als seine beiden Kollegen, geht er durchaus aus passstärkster Profi der Saison durch.

Über 90 Prozent erreichen sonst nur noch wenige andere Spieler wie die Gladbacher Tony Jantschke (90,1) oder Roel Brouwers (90,8). Interessant am Rande: Den absoluten Spitzenwert erreicht in dieser Kategorie Jan Kirchhoff. Der Verteidiger, der im Winter von München nach Schalke wechselte, brachte faszinierende 95,9 Prozent seiner Zuspiele zum Kollegen. Allerdings ist diese Zahl kaum von echtem Wert, denn er durfte in seinen neun Einsätzen ingesamt nur 117 Minuten aufs Feld - und zwar meist dann, wenn die Bayern in der Hinrunde nach Führung längst im Geplänkel-Modus agierten.

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