Krise in der Ukraine:G7-Staaten wollen "russische Energiewaffe entschärfen"

G7 energy ministers meeting

Treffen der für Energie zuständigen Minister der G7-Staaten in Rom

(Foto: dpa)

+++ Führende Industriestaaten wollen durch Schiefergas-Importe Abhängigkeit von Russland minimieren +++ Ukrainisches Parlament verhindert landesweites Referendum am 25. Mai +++ Russland stellt Bedingungen für weitere Verhandlungen +++

Die aktuellen Entwicklungen im Newsblog

  • Drei Wochen vor der Präsidentenwahl in der Ex-Sowjetrepublik sucht die internationale Staatengemeinschaft neue Ansätze zur Lösung der Krise. Währenddessen lehnt das ukrainische Parlament ein Referendum ab.
  • G7-Staaten wollen Schiefergas importieren, um von Russland unabhängig zu sein
  • Russland stellt Bedingungen für weitere Verhandlungen
  • Außenminister Steinmeier befürchtet offenen militärischen Konflikt
  • Auswärtiges Amt spricht Reisewarnung für Süd- und Ostukraine aus

Führende Industrienationen wollen Erdgas-Abhängigkeit von Russland minimieren: Die sieben führenden Industriestaaten wollen die Energie-Abhängigkeit von Russland durch mehr Importe von Schiefergas aus Nordamerika verringern. Dafür sollten die USA und Kanada Flüssiggas liefern, sagte Italiens Industrieministerin Federica Guidi nach einem G7-Treffen in Rom. Der britische Energieminister Ed Davey erklärte, man habe eine strategische Entscheidung getroffen, "die russische Energiewaffe zu entschärfen". Dies werde allerdings dauern. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagte ebenfalls, dass es keine rasche Lösung geben werde. Die USA hätten den Europäern mitgeteilt, dass sie frühestens Ende des Jahrzehnts mit Schiefergas-Lieferungen rechnen könnten.

Parlament lehnt Referendum ab: Die ukrainische Werchowna Rada hat einem Abgeordneten zufolge ein landesweites Referendum über die territoriale Einheit der Ex-Sowjetrepublik abgelehnt. Bei der Abstimmung hinter verschlossenen Türen in der Hauptstadt Kiew hätten nur 154 Abgeordnete statt der benötigten 226 für eine Volksbefragung am 25. Mai votiert, teilt der Parlamentarier Alexander Briginez von der mitregierenden Partei Vaterland (Batkiwschtschina) nach der Sitzung mit. Die prowestliche Regierung hatte in der Vorwoche einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Für den 25. Mai ist auch die Präsidentenwahl geplant. Das Referendumsprojekt galt vor allem als Zugeständnis an die russisch geprägten Regionen im Osten und Süden der Ex-Sowjetrepublik. Dort planen moskautreue Aktivisten am 11. Mai ein eigenes Referendum über eine Abspaltung von Kiew.

Lawrow stellt Bedingungen für Verhandlungen: Russland sieht nach Worten von Außenminister Sergej Lawrow für eine neue internationale Initiative zur Beilegung der Ukraine-Krise zurzeit keine Chance. Zunächst müssten sich Vertreter von Regierung und Opposition auf gemeinsame Schritte für das weitere Vorgehen einigen, sagt Lawrow. Sollte es eine Neuauflage der Genfer Initiative von Mitte April geben, bei der sich die Außenminister auf eine Deeskalation des Konflikts verständigt hatten, müssten daran auch Vertreter aus russischsprachigen Gebieten des Landes teilnehmen. "Wenn wir uns nochmal im gleichen Format ohne Vertreter der Opposition treffen würden, hätte das keinen Mehrwert", sagt er. Derzei beraten beim Jahrestreffen des Europarats 30 Außenminister über die Ukraine-Krise, darunter auch Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Andrej Deschtschyzja. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton will heute in Washington mit US-Außenminister John Kerry über die Lage sprechen. Bundesaußenminister Steinmeier wird am Nachmittag getrennt voneinander die Außenminister Russlands und der Ukraine in Wien treffen.

Außenminister Steinmeier warnt vor offenem militärischen Konflikt: Es müssten nun alle Anstrengungen unternommen werden, um einen neuen Kalten Krieg zu vermeiden, sagt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in einem Interview mit mehreren europäischen Zeitungen. "Die blutigen Bilder aus Odessa haben uns gezeigt, dass wir wenige Schritte von einer militärischen Konfrontation entfernt sind", sagt Steinmeier. Der Ukraine-Konflikt habe an Schnelligkeit und Schärfe zugenommen, "wie wir es vor einiger Zeit nicht für möglich gehalten hätten", sagt der Außenminister weiter. Das Interview erscheint heute in der spanischen El País, der französischen Le Monde, der italienitschen La Repubblica und der polnischen Gazeta Wyborcza. Steinmeier schlägt vor, noch vor dem Wahltermin am 25. Mai eine zweite Ukraine-Konferenz abzuhalten. Die Ergebnisse des ersten Genfer Treffens Mitte April seien ein "wichtiger Zwischenschritt, aber ohne Zweifel nicht ausreichend" gewesen, sagte er am Montagabend im ZDF.

Auswärtiges Amt rät zur Ausreise aus der Süd- und Ostukraine: Das Ministerium schreibt auf seiner Internetseite, die Situation in der Region sei "zurzeit sehr angespannt". Gewarnt werden auch Journalisten. "Angesichts der jüngsten Entwicklungen muss davon ausgegangen werden, dass Medienvertreter besondere Gefahr laufen, von separatistischen Kräften festgehalten oder festgenommen zu werden." Nach der russischen Annexion der Halbinsel Krim werde von Reisen dorthin "dringend abgeraten". Konsularischer Schutz könne dort angesichts der aktuellen Lage derzeit nicht gewährt werden, schreibt das Auswärtige Amt.

Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten enttarnt Krim-Votum als Wahlfälschung: Fast 97 Prozent der Wähler auf der Krim sollen am 16. März für den Anschluss an Russland gestimmt haben, bei einer Wahlbeteiligung von mehr als 80 Prozent. Die bestehenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des offiziellen Ergebnisses werden nun von unerwarteter Seite gestützt. Der von Wladimir Putin beauftragte Menschenrechtsrat war mit einer Delegation auf die Krim gereist und veröffentlicht nun einen Bericht zum Referendum. Nach Einschätzung der Menschenrechtler haben 50 bis 60 Prozent der Wähler für den Anschluss gestimmt, bei einer Beteiligung von 30 bis 50 Prozent. Auch hätten viele Wähler mit ihrem "Ja" weniger für die Annektion durch Russland gestimmt, sondern vielmehr gegen die Willkür der bisherigen Regionalführung protestiert. In den vergangenen Jahren hätten sich nach Angaben der NZZ mehrere Mitglieder zwar aus Protest gegen die autoritäre Politik Putins aus dem Gremium zurückgezogen. Zu den Berichterstattern auf der Krim gehöre jedoch auch die international ausgezeichnete Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina.

Todesopfer bei Gefechten nahe Slawjansk: Bei den schweren Gefechten in der Nähe von Slawjansk in der Ostukraine sind nach Schätzungen der Regierung in Kiew mehr als 30 prorussische Separatisten getötet worden. Innenminister Arsen Awakow teilt auf Facebook weiter mit, bei den Kämpfen nahe der Rebellenhochburg seien auch vier ukrainische Soldaten getötet und 20 weitere verletzt worden. Nahe Slawjansk haben prorussische Kräfte zudem erneut einen Kampfhubschrauber der Regierungstruppen abgeschossen. Die Besatzung des Mi-24 habe den Absturz in einen Fluss überlebt und sei von einem Spezialkommando in Sicherheit gebracht worden, teilt das Verteidigungsministerium mit. Der britischen BBC zufolge befürchten Bewohner von Slawjansk, dass die Stadt gestürmt werden soll. Auch in Donezk gehen die Auseinandersetzungen zwischen ukrainischen und prorussischen Kräften weiter.

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