Web-TV-Projekt "zuio.tv" von Axel Springer:Alles ist möglich

zuio.tv

Seit Dienstag, dem 6. Mai, ist zuio.tv online.

(Foto: zuio.tv)

Der Springer-Konzern startet mit "zuio.tv" ein junges Web-TV-Projekt, das von experimentell bis durchdacht fast die ganze Palette von Bewegtbildformaten zu bieten hat. Ausgereift ist das alles längst nicht, zeigt aber trotzdem die Grenzen des linearen Fernsehens auf.

Von Matthias Kohlmaier

Die Axel Springer SE ist da angekommen, wo viele deutsche Medienhäuser hinwollen: Erstmals erwirtschafteten die digitalen Medien mehr als die Hälfte der Konzernerlöse, erklärte Vorstandschef Mathias Döpfner zuletzt. Der inzwischen fixe Verkauf diverser Programmhefte und Regionalzeitungen an die Funke Mediengruppe passt da perfekt ins Bild, ebenso wie das neue Web-TV-Projekt des Konzerns.

zuio.tv ist seit dem 6. Mai online und soll "eine Plattform für neue Bewegtbild-Ideen und die erste Adresse für junge Moderatoren werden, welche die Zukunft des Web-TV mitgestalten wollen", heißt es in einer Pressemitteilung. Hervorgegangen ist das Projekt aus der Frank-Elstner-Masterclass der Axel Springer Akademie. Dort lernen junge Moderatoren von Dozenten um den Wetten, dass..?-Erfinder, was für die Präsenz vor der Kamera notwendig ist. Das Ergebnis zuio.tv ist unkonventionell, wild und ziemlich pink.

14 Formate werden auf der anfangs mit ihren zahllosen Kacheln recht unübersichtlichen Internetseite präsentiert. Da erzählt eine junge Frau in Die Klugscheißerin allerhand weise Dinge, in Die letzte Runde führt ein angetrunkener Mann an einer Bar Interviews mit ebenso alkoholgschwängerten Gästen und in Turnschuh TV plaudert ein Mann, nun ja, über Turnschuhe und alles, was damit zu tun hat. Damit es auch ein bisschen schlüpfrig zugeht, hüpfen in einem weiteren Format die Meise-Zwillinge Nina und Julia mit (mäßig) Prominenten ins Bett und reden über dies und jenes.

Kurzum: Von völligem bis mäßigem Schwachsinn, von experimentell bis durchdacht ist alles dabei. Ein buntes Potpourri von sehr jungen Fernsehideen, die Schnitte teils so schnell, dass sich der Zuschauer vor einem Stroboskop wähnt. Aber Perfektion ist auch nicht Programm, im Gegenteil. "Wenn Ihr fertiges Fernsehen wollt, seid Ihr hier falsch!", schreiben die Macher auf zuio.tv. Wo die Reise hingehe, das wisse man selbst noch nicht, "aber es wird wild und macht Spaß".

Mancher Chef eines Fernsehsenders findet das vermutlich einfach nur doof. Zum einen, weil zuio.tv alles andere als perfekt ist, zum anderen aber, weil es dem linearen Fernsehen tadellos dessen Grenzen aufzeigt. Im Internet gibt es kein starres Programmschema, deshalb dauern die Clips und Formate genau so lang, wie sie eben sinnvoller Weise dauern müssen. Einen Tatort, der nach 70 Minuten auserzählt ist, aber trotzdem auf die gewohnten 90 Minuten aufgebläht werden muss, wird man dort nicht finden. Sehr angenehm.

Gelegentlich geschmacklich grenzwertig

Im Grunde genommen ist Springers neues Projekt so etwas wie die konsequente Weiterentwicklung von ZDF Neo, nur dass kein öffentlich-rechtlicher (oder sonstiger bis zu einem gewissen Grad der Quote verpflichteter) Programmchef die Umsetzung geschmacklich grenzwertiger Ideen unterbindet.

Deswegen wird das lineare Fernsehen gewiss nicht von heute auf morgen sterben. Aber Axel Springer zeigt mit dem Projekt, was die Zukunft bringen könnte: mit Beiträgen, die jederzeit abrufbar und nicht auf Massenkompatibilität getrimmt sind. Wer einen Film blöd findet, klickt ihn einfach weg und sucht sich im verwinkelten Dschungel der Webseite etwas passenderes. Springer treibt damit sein Engagement im Bewegtbild-Sektor voran, und auch die jungen Moderatoren könnten sehr von ihrem neuen Job profitieren. Wer sich gut macht, für den dürfte mittelfristig ein Plätzchen auf Bild.de oder Welt Online zu haben sein.

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