Wildtiere vor der Kamera:Krokodilstränen, Energy-Drink für Insekten

Lesezeit: 3 min

Ein seltenes Schauspiel? Ein Schmetterling und eine Biene bedienen sich an der Tränenflüssigkeit eines Krokodils. (Foto: dpa)

Ein Schmetterling und eine Biene trinken von den Tränen eines Alligators, ein Forscher ist begeistert. Später findet er heraus, dass es sich um ein häufiges Phänomen handelt - mithilfe von Urlaubsfotos. Doch solche Bilder von Touristen bieten nicht nur Erkenntnisgewinn. Sie sind auch gefährlich.

Von Sarah K. Schmidt

Ein Schmetterling und eine Biene, die sich an den Tränen eines großen Krokodils gütlich tun - was für ein poetisches Bild, und was für ein hochinteressanter Moment für einen Wasserökologen. Carlos de la Rosa war gemeinsam mit Studenten und Fotografen auf dem Río Puerto Viejo in Nordosten Costa Ricas unterwegs, als der Leiter der Biologie-Forschungsstation La Selva das Naturschauspiel entdeckte. Etwa eine Viertelstunde dauerte die Fütterung - Zeit genug für den Ökologen, den Brillenkaiman und seine beiden Gäste zu fotografieren und zu filmen.

"Es war einer jener historischen Momente der Natur, die du ganz dicht dran erleben willst", sagt de la Rosa der Ecological Society of America (ESA) zufolge. "Doch dann kam sehr schnell die Frage auf: Was passiert hier? Warum haben sich die Insekten diese Futterquelle erschlossen?"

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Salz ist ein wichtiger wie seltener Nährstoff - gerade Tiere, die sich fleischlos ernähren, leiden häufig unter einem Mangel. Dass Schmetterlinge aus mineralhaltigen Pfützen trinken, um ihren Salzbedarf zu decken, ist bekannt. Die Tränen des Kaimans haben einen ähnlichen Effekt. Sie enthalten nicht nur Mineralien, sondern auch Proteine - eine Art Energy-Drink für Insekten also.

Antwort aus der Google-Bildersuche

Zurück in der Forschungsstation begann de la Rosa dem Phänomen nachzuforschen. Er stieß auf eine Studie über Bienen in Thailand, die menschliche Tränen zu sich nehmen und auf den Bericht von Biologen, die 2012 im Yasuní Nationalpark in Ecuador beobachtet hatten, wie eine Solitärbiene die Tränen einer gelbgefleckten Flussschildkröte trank. Handelte es sich möglicherweise nicht um einen Einzelfall, sondern um eine weit verbreitete Verhaltensweise?

Die Antwort fand de la Rosa schließlich nicht in einer wissenschaftlichen Datenbank - er bediente sich eines bei Wissenschaftlern eher unorthodoxen Werkzeugs: "Ich suchte bei Google nach entsprechenden Bildern und fand so heraus, dass eine Menge Leute Bilder davon aufgenommen hatten, wie Schmetterlinge und verschiedene Bienenarten dies tun", sagte de la Rosa der ESA. Letztlich habe das umfassende Online-Archiv mit all den Fotos von Outdoor-Fans, Touristen, professionellen Fotografen und Hobby-Biologen den Beweis erbracht, dass das Trinken von Tränen nicht so selten ist, wie angenommen.

Fleißig knipsende Urlauber können also den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn befördern. Sollten Touristen ihre Reisefotos künftig also noch umfassender online stellen, alles im Dienste der Wissenschaft? Besser nicht, denn die Digitalfotografie mit ständiger Anbindung ans Internet kann der Natur auch schaden, im schlimmsten Fall gefährdet sie bedrohte Arten zusätzlich.

Gefahr durch Geotagging

Auf Twitter wird aktuell ein Foto aus einem südafrikanischen Wildreservat verbreitet.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

"Bitte seien Sie vorsichtig, wenn Sie Fotos in sozialen Netzwerken teilen. Dies kann Wilderer zu unseren Nashörnern führen." So warnt ein Schild Touristen und fordert sie auf, die Geotagging-Funktion auszuschalten und nicht zu verraten, wo das Foto aufgenommen wurde. Geotagging, das ist der Vermerk der genauen Ortskoordinaten. Ist diese Funktion bei sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter aktiviert - oder besser gesagt: nicht deaktiviert - dann wird zu jedem Eintrag, zu jedem Tweet vermerkt, wo der Nutzer sich aktuell aufhält.

GPS-Ortsdaten - praktisch und gefährlich

Auch viele moderne Digitalkameras versehen die Aufnahmen automatisch mit einer genauen Ortsangabe, die sie via GPS empfangen. Das ist durchaus praktisch, wenn man nach der Rückkehr nach Hause viele hundert Bilder einer Reiseroute zuordnen will. Doch Wilderer werden so möglicherweise direkt zu Wildtieren geführt: Sie müssen nur noch das Navi füttern und werden direkt zur Wasserstelle oder zum Rastplatz seltener Arten geführt.

Speziell Rhinozerosse sind bedroht. Ihr Horn macht sie zu begehrter Beute von Wilderern, die auf dem Schwarzmarkt vor allem in Asien bis zu 30 000 US-Dollar pro Kilo Horn bekommen. Da die Tiere vielerorts selten geworden sind, geben sie jedoch für Touristen ein begehrtes Fotoobjekt ab.

Dass die Annehmlichkeiten moderner Technik gerade den vom Aussterben bedrohten Nashörnern zum Verhängnis werden können, beobachten Wildhüter schon seit einiger Zeit mit Sorge. Schon im Sommer 2012 erklärte Marc Reading, Sprecher der Nationalparks in Südafrika, in der Sunday Times, wie Kriminelle mit Hilfe von Smartphone-Bildern Nashörner jagen. In Indien sollen Wilderer versucht haben, sich in das Mailkonto von Tierschützern einzuloggen, um an die Senderdaten seltener bengalischer Tiger zu gelangen, berichtet der National Geographic.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: