Snowden und der NSA-Ausschuss:Runter von den Bäumen

Koalition und Opposition spielen ein unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel um Edward Snowden, ihren wohl wichtigsten Zeugen. Statt gemeinsam die NSA-Affäre im Untersuchungssausschuss aufzuklären, kabbeln sie sich um den Befragungsort. Das wird weder dem Zeugen noch dem Parlamentarismus gerecht.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Es hat lange gedauert, bis der gemeinsame Antrag aller Fraktionen im Bundestag für den NSA-Untersuchungsausschuss fertig war. Die Regierungskoalition hat sich deutlich bewegt, die Oppositionsparteien haben bei den Verhandlungen viel erreicht. Auch, dass die Rolle der Bundesregierung untersucht wird. Das ist gut so.

Der gemeinsame Antrag ließ die Hoffnung aufkeimen, dass es die Parteien ernst meinen mit der Aufklärung der Ungeheuerlichkeit, dass amerikanische Geheimdienste deutsche Bürger massenhaft ausgespäht haben könnten. Nicht zuletzt die komplette Bundesregierung und mit ihr die Bundeskanzlerin.

Was sich aber die Beteiligten jetzt leisten, macht jede Hoffnung wieder zunichte. Alle sind auf den Bäumen. Und keiner findet den Weg nach unten.

Ja, Edward Snowden ist ein wichtiger Zeuge, der wichtigste von allen vielleicht, die im Ausschuss gehört werden sollen. Snowden hat die weltweite Überwachungsaffäre um den US-Militärgeheimdienst NSA erst aufgedeckt. Er hat ein hohes Risiko auf sich genommen, um Strukturen und Leistungsfähigkeit des US-amerikanischen Überwachungssystems aufzudecken.

Ihn nicht als Zeugen hören zu wollen, wäre geradezu fahrlässig. Das hat schlussendlich auch die SPD begriffen. Ihre Vertreter jedenfalls wollen im Ausschuss die Zeugeneinladung Snowdens von Linken und Grünen im Grundsatz unterstützen. Doch damit ist es schon vorbei mit den Gemeinsamkeiten.

Mit geradezu militärischer Klarheit

Grüne, Linke und Union haben wenigstens - jeder für sich - noch eine klare Haltung. CDU und CSU wollen Snowden auf gar keinen Fall in Deutschland aussagen lassen. Das hat deren Obmann im Ausschuss, Oberst a. D. Roderich Kiesewetter, mit geradezu militärischer Klarheit festgestellt.

Zwei Gründe führt Kiesewetter an. Er hält das Auslieferungsabkommen mit den USA für unumstößlich. Snowden müsste aus seiner Sicht festgenommen werden, sobald er deutschen Boden betrete. Darum könne er gar nicht kommen. Ein Haltung, an der manche Juristen erhebliche Zweifel haben.

Zum anderen sei Snowden auch nur einer von vielen Zeugen, die gehört werden müssten. Kiesewetter erwartet nicht viel Neues von ihm. Und dafür will er keine weitere diplomatische Krise mit den USA riskieren.

Kiesewetter bezeichnet sich selbst als "überzeugten Transatlantiker". Er will den Ausschuss auch nutzen, um die deutsch-amerikanischen Beziehungen wieder zu verbessern. Nur steht das leider nicht im Auftrag des Ausschusses.

Als wäre alles nichts ohne Snowden

Die Oppositionsparteien hingegen bestehen auf einer Befragung in Deutschland. Die Grünen etwas mehr als die Linken. Der Eifer, mit dem sie das Projekt "Snowden nach Deutschland" betreiben, hilft allerdings auch nicht. Sie erwecken den Eindruck, als wäre alles nichts ohne Snowden. Es wäre zwar nicht schön, Snowden etwa in Moskau befragen zu müssen. Aber völlig unmöglich ist das auch nicht.

Seltsam nebulös dagegen ist die Haltung der SPD. Ihre Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht erklärt erst, es spreche - anders als die Bundesregierung in einem Gutachten behauptet - juristisch nichts gegen eine Befragung Snowdens in Deutschland. Das Damoklesschwert einer Auslieferung an die USA könne aber auch sie nicht beseitigen. Und schiebt Snowden die Verantwortung zu, die Risiken doch bitte selbst für sich abzuwägen.

Die Botschaft ist ein Affront: Komm gerne zu uns, aber dann stecken wir dich in den Knast und übergeben dich den US-Behörden. Nette Einladung.

Kaum anders formuliert es Christian Flisek, der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss. Sicherheitsgarantien könne der Ausschuss Snowden nicht geben. Ob er in Deutschland vernommen werden könne, sei dennoch offen.

Nein, offen ist da gar nichts mehr. CDU-Mann Kiesewetter eröffnete vor Journalisten später, es sei schon vor Ostern mit der SPD verabredet worden, dass Snowden auf keinen Fall in Deutschland vernommen werden soll. Das sei die klare Haltung der Koalitionsfraktionen. Entweder Kiesewetter erzählt Schmuh. Oder die SPD-Kollegen erinnern sich plötzlich nicht mehr.

Von einem ernsthaften Aufklärungsbemühen jedenfalls zeugt das alles nicht. Dabei wäre es gar nicht so schwer. Wenn alle Fraktionen dafür sind, Snowden als Zeugen zu hören, dann dürfen die Parteien das gerne mal herausstellen. Auch Grüne und Linke.

Der nächste Eklat

Stattdessen provoziert die Opposition den nächsten Eklat. Ihr gemeinsamer Antrag zum Zeugen Snowden sieht nicht nur dessen Ladung vor. Er enthält auch die "Bitte", ihn in Deutschland zu hören. Die Ladung ist das Minderheitenrecht von Linken und Grünen. Die Frage, wann und wo Snowden gehört wird, nicht. Sie gehört in den Antrag nicht hinein.

Dennoch werden Grüne und Linke an diesem Donnerstag im Auschuss gemeinsam mit der Koalition die Zeugenliste beschließen. Und auch Snowden einladen - allem Hickhack zum Trotz.

Das ist wohl das, was CDU-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer kürzlich völlig zu Recht meinte, als er vom "Klamauk" der Oppositionsparteien sprach.

Der Ausschuss bietet die Chance - ähnlich wie der Untersuchungsauschuss zum Rechtsterror des NSU -, den Ruf parlamentarischer Arbeit zu verbessern. Er könnte beweisen, dass parlamentarische Arbeit mehr ist, als sich gegenseitig verbal die Köpfe einzuschlagen. Dieses Ziel haben die Beteiligten offenbar aufgegeben. Es wäre schade, wenn es dabei bliebe.

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