Finale von "Germany's Next Topmodel":Viel Werbung um nichts

'Germany's Next Topmodel' Finale

Germany's Next Topmodel mit Heidi Klum: Stefanie Giesinger feiert ihren Sieg mit Juror Wolfgang Joop.

(Foto: Getty Images)

In einem mäßig spannend inszenierten Finale von "Germany's Next Topmodel" wird die 17-jährige Stefanie zur Siegerin gekürt. Der wichtigste Protagonist der neunten Staffel ist dennoch ein alter Mann.

Eine TV-Kritik von Matthias Kohlmaier

Am Ende vergewaltigt Heidi Klum dann doch nochmal das Plusquamperfekt. "Ihr wart wirklich super gewesen", ruft sie ihren zwei verbliebenen Anwärterinnen für den Titel des "Germany's Next Topmodel" 2014 zu. Ein paar Augenblicke später wird die 17-jährige Stefanie aus Kaiserslautern zur Siegerin der neunten Staffel gekürt. Nach einer live aus der Kölner Lanxess-Arena übertragenen Show, die in vielerlei Hinsicht ein Spiegelbild der vorangegangenen Staffel war - langatmig und wirklich nur ganz selten spannend inszeniert.

Wobei das Allerwichtigste aus Sicht von Pro Sieben großartig funktioniert haben dürfte: das Geldverdienen mittels teuer verkaufter Werbeplätze. Wo sonst können werbungtreibende Unternehmen schon eine Klientel so präzise ansprechen wie bei GNTM. Nach den gefühlt acht Werbepausen weiß der Zuschauer jedenfalls sehr genau, welches Duschgel, Haarshampoo, welchen Epilierer und Kleinwagen sowie welche Gesichtscreme es sich zu haben lohnt. Zitat aus einem der Werbeclips, das sich durchaus auch auf den Abend anwenden ließe: "Warum nur blond, wenn es noch blonder geht?"

Unterbrochen wurde die Dauerwerbesendung von gelegentlichen Einlagen der letzten verbliebenen Kandidatinnen und den sich als sehr schwierig und langwierig herausstellenden Entscheidungen der Jury, welche Finalistin man denn nun frühzeitig ihrem Schicksal überlassen solle. Auch im Nachhinein ist es verdammt schwer zu erklären, wie sich mit so wenig Inhalt so viel Sendezeit - immerhin etwas mehr als zweieinhalb Stunden - füllen lässt. Der Titel der aufgeblähtesten Sendung im deutschen Fernsehen ist "Germany's Next Topmodel" jedenfalls auch nach der abgelaufenen Staffel nicht zu nehmen.

Ein ganz, ganz komischer Vogel

Aber nun genug gemeckert. Denn es ist Zeit, den wichtigsten Protagonisten der neunten Saison von GNTM zu würdigen: das neue Jurymitglied Wolfgang Joop. Der Mann mag viel zu viel Zeit im Solarium verbringen und farblich ein wenig nach Brathähnchen aussehen; er mag vermutlich den ein oder anderen kosmetischen Eingriff hinter sich und daher seine Mimik nicht mehr ganz im Griff haben; und er mag unbedingt ein ganz, ganz komischer Vogel sein. Aber er hat in den vergangenen 14 Episoden der Show etwas gegeben, was ihr bislang gefehlt hat: Herzlichkeit.

Denn wenn Heidi Klum mit ihrem hinter den Ohren festgetackerten Grinsen ihre Mädchen fragt, ob es ihnen auch gutgeht, springt dem Zuschauer die Falschheit geradezu ins Gesicht. Wenn Wolfgang Joop aber von den letzten Kandidatinnen ein selbstgebasteltes Fotoalbum geschenkt bekommt und mit Tränen in den Augen sagt: "Ich werde das hier nie vergessen", dann klingt das, als käme es tatsächlich von Herzen. Und das ist doch auch mal eine schöne Sache im Privatfernsehen. Aber keine Sorge, bei Herrn Joop ist die Exzentrik natürlich trotzdem nicht zu kurz gekommen. Ein Beispiel: Heidi Klum hat während der Final-Show einmal ihr Outfit gewechselt, der 69-jährige Joop hat sich immerhin dreimal umgezogen.

Dumm oder armselig

Und "Umziehen" ist auch gleich ein hervorragendes Stichwort für eine Frage, die hier unbedingt noch an die Verantwortlichen von Pro Sieben gestellt werden muss: Habt ihr sie eigentlich noch alle? Keine Sorge, es kommt jetzt nicht wieder die alte Leier, wonach GNTM jungen Mädchen ein fragwürdiges Ideal vorlebt. Die stimmt zwar, wurde aber schon so oft formuliert und auch in diesem Jahr wieder von Demonstranten am Austragungsort des Finales artikuliert, dass mittlerweile jeder Zuschauer die Möglichkeit gehabt haben sollte, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

Nein, hier geht es um etwas viel Unverzeihlicheres. Das hier war gegen Ende der Live-Show passiert: Während Sänger Ed Sheeran auf der Bühne ein Liedchen trällerte, mussten die verbliebenen Teilnehmerinnen Stefanie und Jolina zwei Walks absolvieren. Also laufen, hinter die Bühne gehen, schnellstens umziehen, wieder laufen. Um den Zuschauern diese Hektik näherzubringen, folgte eine spezielle Kamera beiden jungen Frauen hinter die Bühne - und blieb bei Jolina tatsächlich so lange drauf, bis die 17-Jährige für einen Moment ohne Oberteil dastand.

Hoffen auf Joop

Um das einzuordnen: Pro Sieben ist so sehr um den Jugendschutz besorgt, dass die noch nicht volljährigen Finalistinnen (Jolina und Siegerin Stefanie) um Punkt 23 Uhr von der Bühne komplimentiert wurden. Weil das Jugendschutzgesetz eben keine längere Präsenz Minderjähriger in TV-Sendungen erlaubt - worüber man gewiss diskutieren könnte. Und dann filmen sie wirklich ein 17-jähriges Mädchen oben ohne? Ernsthaft? Das war entweder ein Versehen, dann war es dumm; oder es war Absicht, dann war es armselig.

Trotz langweiliger Inszenierung und fragwürdiger Regie wird es aber natürlich bald eine weitere Staffel "Germany's Next Topmodel" geben. Vielleicht geben sie sich bei Pro Sieben dann ja einen Ruck und komprimieren die einzelnen Folgen im Sinne der Unterhaltsamkeit ein wenig. Aber da das Programm irgendwie voll werden muss, gibt es in der Sache vermutlich wenig zu erwarten. Hoffentlich ist dann wenigstens der brathähnchenbraune und überraschend sympathische Wolfgang Joop wieder dabei.

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