Heimweg-Hilfe für Studierende:App gegen die Angst

Frau auf Parkplatz

Die gefühlte Bedrohung, die Frauen nachts haben, ist oft größer als die tatsächliche. (Symbolbild)

(Foto: Christophe Papke; christophe papke / photocase.de)

Die Wege sind dunkel, die Bäume werfen gespenstische Schatten: Studentinnen fühlen sich abends allein auf dem Heimweg von Bibliothek oder Uni-Party oft unwohl. Hochschulen reagieren und auch private Anbieter wollen jungen Frauen die Furcht nehmen.

Von Hanna Voß

Vanessa und Svenja teilen sich eine Wohnung in der Dortmunder Innenstadt. Meistens gehen die Studentinnen abends zusammen weg. Möchte die eine früher nach Hause, ist klar: "Wir schreiben einander bei Whatsapp, sobald wir angekommen sind", sagt Vanessa. "Ansonsten ruft die andere sofort an." Doch sie wissen nicht immer, wenn die Mitbewohnerin nachts alleine unterwegs ist. Beide studieren an verschiedenen Unis und arbeiten oft lange in der Bibliothek.

Vor allem junge Frauen fühlen sich in der Dunkelheit, wenn sie nach dem Lernen, der Arbeit oder von einer Party alleine nach Hause gehen müssen, nicht sicher. Zwar betrug der Anteil von Straftaten gegen "sexuelle Selbstbestimmung" im Jahr 2012 gerade einmal 0,8 Prozent an der Gesamtkriminalität. Doch viele Situationen, in denen Mädchen und Frauen angepöbelt, angegrapscht oder anderweitig belästigt werden, tauchen hier gar nicht auf, weil die wenigsten wegen so etwas zur Polizei gehen. Erleben wollen sie es trotzdem nicht.

Katharina Hochmuth, Mario Pfaller und Tim Hautkappe, alle Studenten der Universität Regensburg, haben deshalb eine App entwickelt, die einen sicheren Nachhauseweg garantieren soll. "Wir haben uns gedacht: Für jeden Quatsch gibt es eine App - warum dann nicht auch für etwas Sinnvolles?", sagt Hautkappe.

"KommGutHeim" bietet die Möglichkeit, sich via Live-Standort-Übertragung von Eltern oder Freunden auf dem Heimweg virtuell begleiten zu lassen. "Somit ist ein gutes und sicheres Gefühl beim Heimgänger, aber auch beim Begleiter gewährleistet", sagt Katharina Hochmuth. Die Karte, die weltweit funktioniert, kommt auf zehn Meter genau an die beobachtete Person heran und erinnert optisch an Google Maps.

Der Zuschauer verfolgt den Weg des Läufers und sieht, wenn Route oder Geschwindigkeit sich verändern. Hält die App den einsamen Heimgänger für inaktiv, fragt sie ihn nach 20 Minuten "Bist du noch auf dem Weg?". Reagiert er nicht, fragt sie ihn nach zehn Minuten erneut. Der virtuelle Begleiter erhält im schlimmsten Fall also erst nach 30 Minuten den Hinweis, dass womöglich etwas nicht stimmt. Bald soll es deshalb einen "Notfall-Button" geben, der im entscheidenden Moment vom Heimgänger gedrückt werden kann. Etwa 2500 Downloads verzeichnete die App nach Angaben der Betreiber seit Beginn des Jahres.

Heimweg-Hilfe für Studierende: Der virtuelle Begleiter verfolgt den Weg von Tim, der ihn dazu berechtigt hat. Um die Karte ganz zu sehen, bitte klicken.

Der virtuelle Begleiter verfolgt den Weg von Tim, der ihn dazu berechtigt hat. Um die Karte ganz zu sehen, bitte klicken.

(Foto: bbw e.V.)

Neben solchen technischen Angeboten sind auch die Hochschulen in der Pflicht, für einen sicheren Heimweg der Studenten zu sorgen. Doch hier sind die Probleme je nach Lage und Größe der Universität so unterschiedlich, weswegen Susanne Schilden von der Hochschulrektorenkonferenz zentrale Lösungen ausschließt.

Als präventive Maßnahme haben viele Institute Selbstverteidigungskurse für Frauen in ihr Sportprogramm aufgenommen. Auf zahlreichen Homepages werden Tipps für das eigene Verhalten in als bedrohlich wahrgenommenen Situationen gegeben und Rufnummern für den Notfall aufgelistet. So kann beispielsweise auf der Internetseite der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf eine Sicherheitskarte mit allen Notfallnummern heruntergeladen werden; mit einem eigenen Alarmmelde- und Notfallreaktionssystem bietet die RWTH Aachen etwas Ähnliches an.

Co-Walker statt Polizeistreifen

Einige Hochschulen gehen noch ein Stück weiter: Die Universitäten Kassel und Hagen im Ruhrgebiet haben auf ihrem Gelände Notrufsäulen eingerichtet. An der Uni Heidelberg gibt es im Campusbereich einen Begleitservice zum Parkplatz, zur Bus- bzw. Straßenbahnhaltestelle oder zum Wohnheim. Gleichstellungsbeauftrage haben an einigen Hochschulen, darunter an der TU Dortmund, dafür gesorgt, dass auf dem Gelände dunkle Wege besser beleuchtet und Frauenparkplätze eingerichtet werden.

Besonders engagiert zeigt sich die Universität Konstanz. Im Jahr 2000 war es mehrmals zu Übergriffen auf Frauen im Hockgraben gekommen; dem Stück, das die Universität von den meisten Wohnheimen trennt. Auch hier sollen jetzt Frauenparkplätze und ein Frauentreffpunkt für ein höheres Sicherheitsgefühl sorgen.

An dem Treffpunkt, der gut sichtbar in der Lobby eingerichtet ist, können sich alle, die nicht alleine durch den Wald oder durch den Hockgraben gehen möchten - also auch Männer -, zu jeder halben und vollen Stunde treffen und sich dann gemeinsam auf den Weg machen. "Durch diese wechselseitige Begleitung tragen Sie aktiv und selbstorganisiert zur Erhöhung Ihrer eigenen Sicherheit und der Ihrer "Co-Walker" bei", heißt es auf der Internetseite.

Einst übliche Polizeistreifen sind selten geworden

In Berlin bietet das "Heimwegtelefon" einsamen Nach-Hause-Gängern Gesellschaft. Zwei junge Frauen, Anabell Schuchhardt und Frances Berger, nehmen Anrufe von Menschen aus ganz Deutschland entgegen, die nachts alleine unterwegs sind und sich dabei sicherer fühlen möchten.

Denn nicht jeder hat jemanden, mit der er nachts telefonieren kann. "Es geht vor allem darum, auf dem Weg nicht so viel nachzudenken", sagt Frances. "Damit man ein besseres Gefühl hat."

Die meisten Anrufer sind Frauen zwischen 16 und 35 Jahren. Zu Beginn des Telefonats teilt der Anrufer mit, wo er sich befindet und was sein Ziel ist. Anabell und Frances schauen sich bei Google Maps den entsprechenden Weg an, damit sie im Notfall reagieren und die örtliche Polizei verständigen können. Es folgt ein nettes Gespräch über Gott und die Welt, das die Laufzeit verkürzen soll. "Unsere Anrufer haben noch keine Panik, aber sie fühlen sich unwohl", sagt Frances.

Die Polizei begrüßt solche Initiativen. "Alles, was im Rahmen der Prävention passiert, verdient Unterstützung", sagt GdP-Sprecher Wolfang Schönwald. Einst übliche Polizeistreifen in den Gemeinden seien selten geworden. Denn auch an Polizeipersonal werde immer mehr gespart. Deshalb müssten Polizei, Universitäten und Kommunen Sicherheitsfragen verstärkt gemeinsam beantworten. Dennoch: "Sich frühzeitig selbst zu schützen, ist nie verkehrt".

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