Parteitag der Linken in Berlin:"Das wäre eine Atombombe"

Parteitag Linke

Linken-Spitzenkandidatin Gabi Zimmer (2.v.li.) nach ihrer Rede auf der Bühne.

(Foto: dpa)

Beim Parteitag der Linken soll es vor allem um Politik gehen - die Lage in der Ukraine und die Europawahl. Doch es stehen auch Wahlen an. Und dann ist da noch diese Sache mit der Stasi-Vergangenheit.

Von Constanze von Bullion

Es sollte ein Parteitag der Friedfertigkeit werden, jedenfalls sah es das Drehbuch so vor. Keine Flügelkämpfe, kein Zwist über Auslandseinsätze, lieber eine kurze Debatte über die Ukraine und Europa nebst Wiederwahl der Parteichefs: So hatte die Linkspartei sich ihren Bundesparteitag vorgestellt, der am Freitag im Berliner Velodrom begonnen hat und bis Sonntag dauert. Nur - ganz so tiefenentspannt sollte es nicht werden.

Der Parteitag hat noch kaum begonnen in einer Radrennhalle im Osten Berlins, da setzt es schon Proteste. Die Delegierten wollen nicht so viel über Satzungsfragen diskutieren, sondern mehr über Krieg und Frieden in der Ukraine. Schließlich sei das ein Herzensanliegen der Linken, die "Verantwortung" trage, gerade jetzt, vor der Europawahl, ruft eine Delegierte.

Mehr Politik, weniger Organisationskram, das ist eine erste Botschaft an die Parteispitze, die sich zwei Wochen vor der Europawahl beim Parteitag vor allem der eigenen Stabilität versichern will. Man ist jetzt Oppositionsführer im Bundestag, und man will alles, nur nicht schriller Außenseiter bleiben. Zunächst aber gibt es beruhigende, um nicht zu sagen betäubende Worte von Gabi Zimmer, der Spitzenkandidatin der Linken im Europawahlkampf. "Ich denke, unsere Aufgabe wird es jetzt sein, in den Wahlkampfmodus runterzuschalten", sagt Zimmer. "Frieden ist nicht selbstverständlich." Oder: "Die Marktradikalität hat zu viele Gehirnzellen absterben lassen." Je länger sie spricht, desto öfter fragt man sich: Wie hat Zimmer es eigentlich zur Spitzenkandidatin gebracht?

Als sie zum Ende gekommen ist, wird in der ersten Zuhörerreihe höflich geklatscht. Hier sitzt Katja Kipping, die junge Parteichefin, die 2012 noch als Notlösung in aussichtsloser Streitlage gewählt wurde. Sie hat sich seither an der Parteispitze etabliert, wenn auch nicht wegen brillanter Reden. Sondern weil sie wenig polarisiert, trotz ihres Rotschopfs eher zu blass wirkt als zu poppig. Über die Gabe, sich unsichtbar zu machen und zu integrieren als zu spalten, verfügt aber auch der zweite Parteichef Bernd Riexinger. Weshalb er am Samstag mit Kipping wiedergewählt werden soll.

Stasi-Ermittlungen gegen Gysi vor dem Abschluss

Und auch ein neues Gesicht soll in der Parteiführung installiert werden. Statt der Frontfrau Sahra Wagenknecht will die junge Hessin Janine Wissler stellvertretende Vorsitzende werden. Sie kann reden, gilt als eine mit Verstand und Elan, ist links, aber weniger radikal als Wagenknecht, die sich nicht mehr zur Wahl stellt. Wird Wissler die neue Anführerin des linken Flügels, könnte das manchen Streit entschärfen.

Für Ärger beim Parteitag könnte dagegen die Kampfabstimmung über den Posten des Schatzmeisters sorgen. Der bisherige, Raju Sharma, gilt als so schwierig, dass die Parteichefs ihn loswerden wollen. An seine Stelle soll der ehemalige Brandenburger Parteichef Thomas Nord treten, ein Pragmatiker mit dicker Stasi-Akte. Nord hat vor der Wende Jugendliche an die Staatssicherheit verraten. Weil das lange bekannt ist und Nord sich damit auseinandergesetzt hat, gilt seine Bewerbung als korrekt. Mancher befürchtet aber, mit Nord könnte das Gespenst namens Stasi zurückkehren.

Nächste Woche will die Staatsanwaltschaft Hamburg ihre Ermittlungen gegen Gregor Gysi abschließen. Es geht um die Frage, ob er eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Sie steht im Zusammenhang mit einer ARD-Dokumentation über Stasi-Vorwürfe gegen Gysi. Würde nun ein Strafverfahren wegen der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung eröffnet, wäre Gysis Rücktritt nicht ausgeschlossen. "Das wäre eine Atombombe", heißt es in der Partei. Gysi, der alle Vorwürfe stets vehement bestritten hat, zeigt sich hingegen gelassen. Er sei sicher, dass die Ermittlungen eingestellt werden.

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