Linke und Außenpolitik:Mit Papier gegen Gekreisch

Die Linke vor dem Bundesparteitag

Wiedergewählt: Die Linke-Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger

(Foto: dpa)

Auf ihrem Parteitag einigt sich die Linke auf eine halbwegs ausgewogene Haltung zur Krise in der Ukraine. Die Frage der Regierungsfähigkeit ist damit noch lange nicht entschieden. Wohl aber die Frage, wer die Partei bis 2016 führt.

Eine Analyse von Thorsten Denkler, Berlin

So wie Parteichef Bernd Riexinger klingt, wird sich die Linke in Zukunft nicht über die Frage streiten müssen, ob sie mitregieren soll im Bund. Es gebe keinen Grund, die außenpolitischen Positionen der Linken "aufzuweichen", brüllt er ins Rund des Berliner Velodroms. "Auch nicht als Türöffner für irgendwelche Koalitionen." Und wem das als Klarstellung noch nicht reicht, der bekommt in aller Deutlichkeit zu hören: "Mit uns wird es keine Auslandseinsätze der Bundeswehr geben."

Riexinger hat am Samstagmorgen nur ein paar Sätze zur Außenpolitik der Linken fallen lassen. Aber die waren klar genug. Und weil Außen- und Friedenspolitik nicht erst seit der Ukraine-Krise zu den identitätsstiftenden Themen der Linken gehört, hat ihm das womöglich noch den letzten Schub gegeben für ein selten gutes Wieder-Wahlergebnis von 89,7 Prozent.

Riexinger hat sich den Luxus erlaubt, sich weit weniger als seine Co-Vorsitzende Katja Kipping an dem soeben beschlossenen Antrag der Partei zur Ukraine-Krise zu orientieren. Der ist erstaunlich ausgewogen, gemessen an dem, mit welch scharfer Anti-West- und Pro-Russland-Rhetorik manche Linke sich öffentlich äußern.

"Kein bisschen schlauer geworden"

Die Linke fordert etwa in dem Antrag "alle Konfliktparteien", also "auch die Nato, die Bundesregierung, die EU, die US-Administration und die russische Regierung - auf, auf weitere Eskalationen zu verzichten". Zwar sei "nicht in erster Linie" Russland für die Krise verantwortlich. Andererseits wird die Annexion der Krim deutlich als "völkerrechtswidrig" bezeichnet.

Kipping setzt hier an. Wenn sie sich "das Handeln der Verantwortlichen in Nato, EU, in der Ukraine und in Russland anschaue", dann müsse sie sagen: "Ihr seid kein bisschen schlauer geworden."

Die Linke hat damit - als Partei - verbal abgerüstet. Kipping kritisiert deutlich, das Menschen in Russland im Gefängnis landen, wenn sie harmlose Kundgebungen anmelden. Und sie spricht auch die Straflager an, in denen die Aktivistinnen von Pussy Riot gefangen gehalten wurden.

Putin sei "kein Linker" und Russland "alles andere als ein Musterland der Demokratie", sagt Kipping. Applaus bekommt sie hier für solche Sätze nicht. Am Ende wird sie mit 77,3 Prozent erneut zur Parteivorsitzenden gewählt und bekommt also mehr als zehn Prozentpunkte weniger als ihr Kollege Riexinger. Aber: Ihre Haltung ist jetzt Mehrheitsposition in der Partei.

Das Dilemma der Linken

Möglich ist die Neujustierung auch, weil die linke Betonfraktion auf Parteitagen nicht mehr automatisch Mehrheiten bekommt. Das hat sie auf dem Europa-Parteitag in Hamburg vor wenigen Wochen deutlich zu spüren bekommen.

Das Dilemma der Linken ist im Moment: Sie will sich als konsequente Friedens- und Anti-Kriegspartei profilieren. Ihre so wahrgenommene unverbrüchliche Freundschaft mit Russland aber isoliert sie in der öffentlichen Debatte. Der beschlossene Antrag könnte einen ersten Schritt heraus aus diesem Dilemma bedeuten.

Wenn sich denn alle dem Beschluss fügen würden. Wolfgang Gehrcke etwa, der den Arbeitskreis Außenpolitik in der Bundestagfraktion leitet. Er hat in der außenpolitischen Debatte auf dem Parteitag vier Kernforderungen aufgestellt. Die ukrainischen Sicherheitskräfte müssten sofort zurück in die Kasernen, Faschisten raus aus der ukrainischen Regierung, es müsse einen Waffenstillstand in der Ukraine geben. Und viertens: Deutschland solle Russland gegenüber mehr Respekt zeigen. Ende. Kein Satz zur Verantwortung Russlands an der Eskalation.

Chance auf mehr Glaubwürdigkeit

Oder Sevim Dagdelen, die auch für die Linke im Bundestag sitzt und gerne in russischen Staatssendern Russland verteidigt oder Bundespräsident Joachim Gauck als "Kriegstreiber" bezeichnet. Immerhin, Letzteres spricht sie auf diesem Parteitag nicht mehr aus. Eine "Kumpanei der Bundesregierung mit Faschisten" in der Ukraine sieht sie aber immer noch, sagt sie auf dem Parteitag. Und bedient damit - gewollt oder nicht - die Propaganda Russlands.

Linken-Politiker wie Gehrcke und Dagdelen machen es schwer, Deutschlands größte Oppositionspartei als ernstzunehmende außenpolitische Gesprächspartner wahrzunehmen. Und von ihrem Schlag gibt es noch einige mehr in der Fraktion. Wenn die weitermachen wie bisher, geht es mit Papier gegen ihr Gekreisch.

Auf einem ganz anderen Blatt steht eine Regierungsbeteiligung im Bund 2017. Es ist nicht ausgemacht, dass sich die Linke überhaupt auf den Weg machen will. Die Außenpolitik ist auch hier ein wichtiger Schlüssel. Keine Auslandseinsätze, das wird in einer Bundesregierung in dieser kategorischen Ablehnung schwer durchhaltbar sein. Mit Janine Wissler aus Hessen und Tobias Pflüger aber hat der Parteitag gerade zwei exponierte Verfechter dieser harten Haltung zu stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Mit der neuen programmatischen Grundlage hätte die Linke jetzt die Chance, zumindest in Sache Ukraine ihre Position differenzierter und damit glaubwürdiger in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Gelingen dürfte das aber wohl nur, wenn die Hardliner in der Bundestagsfraktion anfangen, den Kompromiss zu leben. Das ist nicht jedem gegeben.

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