Ausrichtung ESC 2015:"Österreichs Wurst ist die beste"

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Conchita Wurst ist glücklich über den Sieg beim ESC - und Österreich freut sich mit der Dragqueen.

(Foto: AFP)

Ist Conchita Wursts Garage der geeignete Ort für den nächsten Eurovision Song Contest? Österreich diskutiert bereits über den ESC 2015. Das Land ist aufgekratzt - und rührend dankbar.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

In Österreich hat das Rennen um die beste Startposition für 2015 begonnen. Wo soll, wo darf der nächste Eurovision Song Contest stattfinden? Conchita Wurst alias Tom Neuwirth hatte vorgeschlagen, er/sie (darüber kann man sich in Österreich nicht so recht einigen, aber der Trend geht zum sie) könne ja schon mal seine Garage ausräumen, da sei genügend Platz.

So viel Understatement gibt es andernorts nicht: In der Hauptstadt bringen sich alle möglichen großen, hässlichen Hallen ins Spiel, während die prunkvolle Wiener Hofburg, wo der Songcontest nach dem ersten und bislang vorletzten Sieg Österreichs ausgetragen wurde, für so ein technisch hochgerüstetes Spektakel wohl nicht mehr herhalten muss. Aber auch ein Open Air im Machtbereich des heimlichen Kaisers, des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll, eine Bespielung von Jörg-Haider-Gedächtnisruinen oder ein Wettbewerb im Atomkraftwerk machen als hübsche Ideen die Runde.

Ganz Österreich ist aufgekratzt - und rührend dankbar für diesen Promi, der mal nicht aus dem Skisport oder der Glitzerwelt der Kitzbüheler Geld-Schickeria kommt. Dass dieser Promi eine Dragqueen ist, die bisher nur im kleinen Österreich populär war und sich nach Jahren künstlerischer Semi-Erfolge mithilfe des ORF als Marke neu erfand, wird als Beweis für die Kreativität der lokalen Szene gewertet.

Ein teurer Sieg

Beim ORF kann man zwar derzeit eine gewisse Panik wegen der Millionenkosten nur schwer verhehlen, die auf den unter Sparzwang ächzenden Sender zukommen. Aber stolz ist man trotzdem auf den eigenen Mut - schließlich war Neuwirth alias Wurst vom ORF quasi auf eigene Rechnung und ohne Publikumsentscheid nach Kopenhagen geschickt worden. Jetzt drohen Kosten von 20 Millionen Euro, aber der Finanzdirektor sagt tapfer, der Sieg sei trotzdem unbezahlbar.

Erkennbar stolz ist man in Wien auch darauf, mal nicht mit Korruption und Bankendebakeln Schlagzeilen zu machen. Sondern mit einer Kunstfigur, die jeder für das nutzen kann, was ihm wichtig ist: als politische Botschafterin eines weltoffenen, toleranten, modernen Landes. Oder als Zeichen dafür, dass Österreicher über sich selbst lachen können. Und: Herr/Frau Wurst passe auch gut zum "Land der Wursteln und der Durchwurstler", verkündete der Sprachkünstler und Autor Franzobel launig, als Neuwirths Aufstieg begann. In einer "verkarsteten Gesellschaft", so Franzobel, in der die Leute eher "voten als wählen gehen, lieber für einen Kandidaten anrufen, als ein Bildungsvolksbegehren zu unterschreiben, würde die Wurstpartei, wenn man für sie simsen könnte, vielleicht sogar ins Parlament einziehen".

So weit ist es noch nicht, auch wenn der Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde bei der EU-Wahl ganz neue Möglichkeiten für ein Conchita-Wurst-Parteiprogramm eröffnen würde: Anstelle der aktuellen Wahlwerbung der FPÖ ("Österreich denkt um, zu viel EU ist dumm" oder "Wir verstehen Eure Wut, zu viel EU tut niemand gut"), die in Text- und Reimqualität sowie Grammatik in einer Liga mit den vielen schlechten Songs beim ESC anzusiedeln ist, könnte diese Neo-Partei künftig für Toleranz und europäische Einheit werben. Auch in der Kulinarik und im Tourismus dürfte das positive Image des neuen Austropop-Stars in Zukunft dankbar genutzt werden. Der Landwirtschaftsminister jubelte jedenfalls: "Österreichs Wurst ist die beste."

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