Gesetzesinitiative:Grüne wollen Beschwerdestelle für polizeiliche Übergriffe

Fehler bei der Polizei? Der Umgang damit ist eine heikle Sache, Bürgerbeschwerden gegen Amtspersonen gelten als aussichtsloses Unterfangen. Nun wollen Gesetzesinitiativen in Bund und Ländern einen "Polizeibeauftragten" dafür schaffen.

Von Heribert Prantl

Jeder Jurist kennt den lustigen und entlarvenden Satz über die Dienstaufsichtsbeschwerde: Sie sei "formlos, fristlos und fruchtlos". Das heißt: Jeder kann zwar jederzeit Beschwerde einlegen gegen das Verhalten einer Amtsperson, zum Beispiel eines Polizisten; aber außer einem Antwortformbrief ("haben wir sorgfältig geprüft", "hat sich richtig verhalten") hat der Beschwerdeführer in der Regel nichts zu erwarten.

Behörden, zumal Polizeibehörden, blocken ab - auch dann und oft erst recht dann, wenn nicht nur eine Beschwerde vorgebracht, sondern Strafanzeige erstattet wird; oft sind sie völlig grundlos; manchmal nicht. Ganz selten gelangen Anzeigen zu Gericht: Vor einem Jahr wurde der frühere Chef der Polizeiinspektion Rosenheim wegen Körperverletzung bestraft, weil er einen Jugendlichen auf der Wache mit Faustschlägen traktiert hatte.

Die Behörden blocken meist ab, ganz selten gelangen Anzeigen vor Gericht

Der Umgang mit Fehlern der Polizei ist intern und extern eine heikle Sache. Auch innerhalb der Polizei ist nicht so klar, wie mit Fehlern verfahren werden soll. Oftmals wird von Kritikern über eine "Mauer des Schweigens" geklagt.

Die Grünen wollen nun eine "Beschwerdestelle" für polizeiliche Übergriffe einrichten. Irene Mihalic, innenpolitische Expertin der Grünen im Bundestag, eine frühere Polizeibeamtin, hat soeben einen solchen Plan für die Bundespolizei vorgestellt - auch als Konsequenz aus der grob fehlerhaften NSU-Polizeiarbeit, bei der einerseits die Opferfamilien diskriminiert wurden, zum anderen die interne Kritik an den einseitigen Ermittlungen nicht gehört wurde.

Vorschläge, eine Polizeibeschwerdestelle zu schaffen, gibt es seit Jahren. Der frühere Hamburger Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) hat schon vor längerer Zeit den Gesetzentwurf einer Expertengruppe der Humanistischen Union initiiert, in der ein Polizeibeauftragter nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten ernannt werden soll; den Wehrbeauftragten gibt es seit 1956, er hat sich - in und außerhalb der Truppe - viel Vertrauen erworben; er darf, zum Beispiel, jede Dienststelle jederzeit ohne Anmeldung besuchen.

Mediation statt Straf- und Disziplinarverfahren

Im genannten Gesetzentwurf wird für den neuen Posten eines Polizeibeauftragten folgende Formulierung vorgeschlagen: "Zum Schutz der Grundrechte, als Hilfsorgan des Bundestags bei der Ausübung der Kontrolle über das Polizeiwesen des Bundes sowie als Eingabe- und Beschwerdestelle für Bürger und Polizeibedienstete des Bundes wird ein Polizeibeauftragter berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz". Der Bundespolizei-Beauftragte soll auch Muster für Länderpolizei-Beauftragte sein.

Etliche Bundesländer sind da schon gerüstet. In Rheinland-Pfalz haben Grüne und SPD 2013 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen Bürgerbeauftragten für die Polizeiarbeit vorsieht. Ein ähnlicher Gesetzentwurf wird in Schleswig-Holstein vorbereitet. Und der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen in Niedersachsen sieht die Schaffung einer "unabhängigen Polizeibeschwerdestelle" vor.

Es geht um das Lernen aus Fehlern

Rheinland-Pfalz setzt stark auf Mediation. Die unabhängige Stelle soll, wenn sich Bürger von der Polizei unangemessen behandelt fühlen, den Sachverhalt im Rahmen einer Mediation so klären, dass am Ende möglichst alle Beteiligten den Konflikt als bewältigt ansehen. Der Ansatz könnte so weit gehen, dass eine erfolgreiche Mediation eventuell Straf- und Disziplinarverfahren gegen Polizeibedienstete ersetzt.

Es geht um das Lernen aus Fehlern. Der Bochumer Kriminalwissenschaftler Thomas Feltes meint dazu: "Der Lackmustest für eine demokratische und bürgernahe Polizei ist ihr Umgang mit dem eigenen Fehlverhalten." Die Beschwerdestellen sollen auch Anlaufstellen für Polizeibeamte sein. Jeder Street-Cop kenne, so schreibt der Leitende Kölner Polizeidirektor a. D. Udo Behrendes in der Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, "die gefährliche Mixtur aus Angst, Wut, Panik und Hilflosigkeit in tumultartigen, aggressiv aufgeladenen Situationen", die dann "zu reflexhaft affektiven Aktionen und Reaktionen" führe könne.

Auch solche Situationen sollten beim Polizeibeauftragten, abseits eines Klimas der Denunziation, aufgearbeitet werden können.

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