Kubanische Bloggerin Yoani Sánchez:Im Clinch mit den Castros

Kubanische Bloggerin Yoani Sánchez: Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez, 38, will eine neue Zeitung ins Netz stellen.

Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez, 38, will eine neue Zeitung ins Netz stellen.

(Foto: AFP)

Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez seziert in ihrer Kolumne "Generación Y" den kubanischen Alltag, selten zum Vorteil der Regierung von Fidel und Raúl Castro. Jetzt will sie eine Zeitung ins Netz stellen - und das staatliche Meinungsmonopol herausfordern.

Von Peter Burghardt

Kubas berühmteste Bloggerin wohnt in einem Hochhaus jugoslawischer Bauart in Havanna. Yoani Sánchez lebt und arbeitet im 14. Stock dieses Klotzes aus Zeiten sozialistischer Völkerfreundschaft, der sowjetische Aufzug blieb bis zum Umbau gerne stecken. Dann hieß es warten, reparieren oder Treppen steigen. Von ihrem Balkon aus erkennt die Autorin den Platz der Revolution mit dem Denkmal des Dichters José Martí, der Zentrale der Kommunistischen Partei und dem Innenministerium mit dem stilisierten Che Guevara. Man sieht das Transportministerium mit dem Motto "Hasta la victoria siempre" - "Immer bis zum Sieg". Frau Sánchez, 38, schreibt dagegen an, was die einen freut, andere nervt und sie weltbekannt gemacht hat.

In diesem Apartment entsteht seit 2007 gewöhnlich ihre Online-Kolumne Generación Y, die den kubanischen Alltag seziert, selten zum Vorteil der Regierung von Fidel und nun Raúl Castro. Oppositionelle Medien schleichen sich auf der Insel allenfalls ins Internet, ansonsten berichtet der Staat mit seinem Fernsehen und Blättern wie Granma und Juventud Rebelde. Bei letzterer Gazette war bis zum Bruch einst auch Yoani Sánchez' Mann Reinaldo Escobar beschäftigt.

Die Castros lassen das Ehepaar trotz allerlei Hürden gewähren. Unterdessen sind die Aufsätze prämiert worden, als Buch erschienen und auf der Website in 18 Sprachen lesbar. Jetzt will die Verfasserin eine Zeitung ins Netz stellen: Das Projekt heißt 14Ymedia. Es soll am 21. Mai in Betrieb gehen. Der Titel bedeutet Vierzehneinhalb und ist ein Wortspiel, in dem der Redaktionssitz und das Erscheinungsjahr vorkommen.

Kritiker vermissen eine politische Öffnung

Der Vorstoß soll das staatliche Meinungsmonopol herausfordern. Unter dem Pragmatiker Raúl Castro liberalisiert Kuba zwar seine Geschäfte und verkleinert das Beamtenheer, private Unternehmer und Investoren dürfen sich versuchen. Kritiker wie Frau Sánchez dagegen vermissen eine politische Öffnung und schreiten deshalb voran. Man hoffe, dass ihr Medium "der notwendigen Transition helfen und sie begleiten wird", erläutert die Gründerin. 14Ymedia sei "ein Platz, um Kuba aus Kuba heraus zu erzählen."

Die ersten Probleme scheinen technischer Art zu sein und verzögern das Debüt. Kuba ist deutlich weniger gewalttätig als andere lateinamerikanische Länder, in denen das Internet dem Mainstream zu Leibe rückt, aber elektronisch meistens langsamer. Dafür hat die studierte Philologin Sánchez jede Menge internationaler Helfer.

Ihre vielen Preise durfte sie nach anfänglichem Reiseverbot bei mehreren Tourneen abholen, früher hatte sie mal in der Schweiz gewohnt. Time-Magazin und andere Verehrer ernannten sie zu einer der einflussreichsten Menschen auf Erden. Auf Twitter folgen ihr 607 000 Interessenten. Gegner bezweifeln indes ihre Unabhängigkeit. 14Ymedia sei "nicht anti-castristisch, weil der Castrismo tot ist", sagte Yoani Sánchez kürzlich. Aber: "Es wird ein schwieriger Weg."

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