Spähaffäre:NSA-Ausschuss will Zuckerberg laden

Edward Snowden NSA

Snowden-Sympathisanten demonstrieren vor dem Reichstagsgebäude in Berlin dafür, dass der Whistleblower nach Deutschland kommen kann.

(Foto: AFP)

Kommt US-Whistleblower Snowden nach Deutschland? Die Chancen schwinden, sagt der Chef des NSA-Untersuchungsausschusses. Snowdens Anwalt erklärt, Berlin antworte nicht auf die Frage nach freiem Geleit. Es gibt jetzt neue Fragen an die Bundesregierung. Und nebenbei werden Bosse von Facebook, Google, Apple und Microsoft vorgeladen.

Von Thorsten Denkler, Berlin, und Hans Leyendecker

Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), glaubt derzeit nicht, dass es zu einer Einigung im Streit um eine Aussage des US-Whistleblowers Edward Snowden vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages kommen wird. "Die Lage ist verfahren", sagte der Christdemokrat am Mittwoch in Berlin. Sensburg sieht zumindest "momentan keine Möglichkeit", Snowden "in Moskau direkt, per Video oder in Berlin" zu vernehmen. "Wir haben einen Stillstand", sagte der Ausschuss-Vorsitzende der Süddeutschen Zeitung.

Ähnlich äußerte sich der Obmann der Union im Ausschuss, Roderich Kiesewetter. Snowden werde "keine Entscheidung treffen, mit der er die Schwierigkeiten vergrößern würde, in den USA wieder als freier Mann leben zu können".

Sensburg bezog sich in seinen Äußerungen auf einen neuen Brief des deutschen Snowden-Anwalts Wolfgang Kaleck an den Ausschuss vom Montag dieser Woche. In dem Schreiben hatte der Snowden-Anwalt seine Position in der Angelegenheit abermals erläutert. Er macht darin auch den Standpunkt Snowdens klar: Der Untersuchungsausschuss erbitte von Snowden "mithin eine Leistung, zu der er nicht verpflichtet ist. Sie wollen etwas von ihm und nicht umgekehrt".

Kaleck macht darauf aufmerksam, dass eine Zeugenaussage Snowdens vor dem Ausschuss "in jedem Falle" die Gefahr der Strafverfolgung durch die USA erhöhen werde. Dennoch sei Snowden "um der Sache, der Aufklärung von systematischen Rechtsbrüchen und massiven Verletzungen von Bürgerrechten willen, grundsätzlich bereit, zu kooperieren und dieses Risiko auf sich zu nehmen".

Allerdings habe er "leider" auf seine Fragen an den Ausschuss, ob Snowden in Deutschland mit einer Festnahme rechnen müsse oder ob ihm sichereres Geleit zugesichert werde, bislang keine Antwort erhalten. Er verwahrt seinen Mandanten auch gegen Unterstellungen, Snowden verweigere sich einer Aussage. "Es ist unredlich, Herrn Snowden Verweigerung, Blockade oder sonst irgendeine Taktik vorzuwerfen. Es geht schlicht um seine Sicherheit", schreibt Kaleck in einer kurzen Stellungnahme an die SZ.

Ausschuss will Klarheit von Regierung

Der Ausschuss müsse dafür "endlich die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen schaffen, damit Herr Snowden als Zeuge in Berlin vernommen werden kann". Dies wären: sichere Passage, sicheres Geleit, ein sicherer Aufenthalt und die Zusicherung, ihn nicht auszuliefern. "Jetzt ist es Sache des Ausschusses, die offenen Fragen zu klären", schreibt Kaleck.

Der Ausschuss hat die Anregungen Kalecks aufgenommen und fordert nun die Bundesregierung auf, Klarheit zu schaffen. In dem entsprechenden Antrag, der der SZ vorliegt, geht es im Kern um drei Fragen: Ist Snowden in Deutschland zur Fahndung oder zur Festnahme ausgeschrieben? Muss Snowden damit rechnen, umgehend festgenommen zu werden, sobald er deutschen Boden betritt? Und ordnet die Bundesregierung den Verrat von NSA-Geheimnissen als poltische Straftat ein? In letzterem Fall müsste sie sich nicht verpflichtet fühlen, Snowden an die USA auszuliefern.

Diese Fragen soll die Bundesregierung "möglichst bis zum 2. Juni 2014" beantworten. Erst nach "Erörterung der offenen Fragen und Probleme werden wir in der Lage sein, uns zu einer möglichen Vernehmung in Deutschland zu äußern", schreibt Kaleck.

Befragung oder "Kennenlern-Gespräch" in Moskau

In einem früheren Gutachten hatte die Bunderegierung allerdings durchblicken lassen, dass sie an einer Vernahme Snowdens in Deutschland wenig Interesse habe.

Dessen ungeachtet wollen Union und SPD Snowden möglichst "noch vor der Sommerpause" in Moskau besuchen, sagte CDU-Obmann Kiesewetter. Die Grünen halten so eine Reise des Untersuchungsausschusses zwar nicht für hilfreich, werden aber "selbstverständlich" mitfahren, kündigte ihr Obmann Konstantin von Notz an.

Offen ist, ob es dann schon um eine Zeugenbefragung oder nur um ein "Kennenlern-Gespräch" gehen soll, wie Kiesewetter in Aussicht stellte. Ebenso unklar ist, ob Snowden an so einem Treffen interessiert wäre. Sein Anwalt Kaleck schreibt, dass Snowden nichts unternehmen werde, was seinen instabilen Aufenthaltsstatus in Russland gefährden könne.

Der Ausschuss tritt an diesem Donnerstag wieder zusammen. Auf der Tagesordnung stehen auch neue Zeugenvorladungen. Unter anderem sollen Facebook-Chef Mark Zuckerberg, Google-Chef Eric Schmidt und Apple-Chef Tim Cook als Zeugen vor dem Ausschuss vernommen werden. Microsoft soll von Vize-Chef Brad Smith vertreten werden. Nach Angaben von SPD-Obmann Christian Flisek habe dieser ihm gegenüber bereits seine Bereitschaft signalisiert. Sollten die Konzern-Chefs tatsächlich erscheinen, würde eine Befragung im kommenden Herbst in Betracht kommen.

Eine Liste mit 40 Namen

Außerdem stehen jetzt die ehemaligen Direktoren der NSA, Keith Alexander und Michael Hayden, auf der inzwischen 40 Namen umfassenden Liste. Die Grünen werden diesen Vorschlag nicht mittragen. Nicht wegen der Personen, sondern weil Union und SPD in ihrem Antrag offen gelassen haben, ob sie als Zeugen oder als Experten gehört werden sollen. Die Grünen bestehen darauf, dass sie, wenn überhaupt, als Zeugen vorgeladen werden. Union und SPD argumentieren, die Einladung als Experten würde es den Herren womöglich leichter machen, in Deutschland zu erscheinen.

In der ersten öffentlichen Sitzung des Ausschusses werden am Donnerstag zunächst Rechtswissenschaftler gehört. Neben dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier werden der frühere Verfassungsrichter Prof. Wolfgang Hoffmann-Riem und Matthias Bäcker von der Universität Mannheim erwartet. Sie sollen Auskunft geben über die rechtliche Einordnung des NSA-Skandals.

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