Beckmann zu Whistleblowern:Greenwald in der Fastfood-Falle

Beckmann; Beckmann am 22. Mai 2014

Die Whistleblower-Runde von links: Gerhart Baum, Dr. Hanna Ziegert, Glenn Greenwald, Reinhold Beckmann, Brigitte Heinisch und Günter Wallraff.

(Foto: NDR/Morris Mac Matzen)

Wann rechtfertigt das öffentliche Interesse den Geheimnisverrat? In Reinhold Beckmanns Talk-Runde diskutieren Snowden-Enthüller Glenn Greenwald, Günter Wallraff und Betroffene über den Wert des Whistleblowings. Ein ernüchternder Abend.

Eine TV-Kritik von Johannes Kuhn

Reinhold Beckmann ist ein Dieb. Lebenszeit stiehlt er den Zuschauern in der ersten halben Stunde seiner Talkshow. Stellt dem US-Journalisten Glenn Greenwald demütig altbekannte Fragen zur NSA-Affäre ("Wie war das, als Sie Edward Snowden in Hongkong trafen?"). Führt mit seiner Moderation keinerlei Erkenntnisgewinn herbei, sondern verwaltet nur die Empörung.

Eine Schande sei es, dass die Bundesregierung nichts gegen digitale Überwachung unternehme, sagen der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum und der Enthüllungsjournalist Günter Wallraff unisono, nur brauchen sie dafür allzu viele Worte.

So weit, so erwartbar. Doch dann kommt der Moment, in dem man versteht, warum sich eine Diskussion über das Thema "Whistleblowing" bei "Beckmann" eigentlich lohnen würde. "Die Mächtigen dieser Welt brauchen die Überwachung, um die Protestbewegungen unter Kontrolle zu halten", sagt Altenpflegerin Brigitte Heinisch regungslos. Es ist ein unerhörter Satz, ein ungerechter noch dazu. Doch in ihm steckt der komplette Vertrauensverlust, der häufig zu den unangenehmen Nebenwirkungen des Whistleblowing gehört.

"Das Besondere ist, dass Sie durchgehalten haben"

Heinisch hatte 2007 mit einer Anzeige auf Missstände in einem städtischen Altenheim in Berlin hingewiesen. Ihr war daraufhin gekündigt worden, was deutsche Arbeitsgerichte bestätigt hatten. Erst der europäische Gerichtshof für Menschenrechte kassierte das Urteil, am Ende einigte sich Heinisch 2012 mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber auf einen Vergleich.

"Das Besondere ist, dass Sie so lange durchgehalten haben", sagt Wallraff anerkennend. Doch ist das nun die Gerechtigkeit, die Heinisch sich gewünscht hatte? Noch einmal erzählt sie ausführlich von ihrem Fall, vom "Berliner Sumpf" und den schlechten Bedingungen im Pflegewesen, von dem Verlust des Vertrauens in die Gerichte. Beckmann gibt ihr viel Zeit, die Details zerfasern das Gespräch. Und doch entsteht ein Bild: Wer sich mit den Institutionen anlegt, um Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen, zahlt einen hohen Preis.

Das könnte anders sein. Fehlende Gesetze, unklare Rechtsprechung und Lücken im Arbeitsrecht bescheinigt Transparency International der Bundesrepublik im Umgang mit Whistleblowern. Wie ließe sich das ändern? Die Antwort ist nicht einfach, auch wenn sich die Runde darauf verständigt, dass neue Gesetze durchaus hilfreich wären. "Sie sind die erste Verteidigungslinie", sagt Greenwald. "Wir brauchen Opferschutz für Whistleblower", fordert Heinisch.

Nicht nur eine Frage der Gesetze

Doch was ist, wenn das Recht nicht greift? Die Gutachterin Hanna Ziegert kann davon erzählen: Sie war im August 2013 in Beckmanns Talkshow zu Gast, mit ihr Gustl Mollath. Sie wisse nicht, ob sie sich selbst jemals begutachten lassen würde, sagte Ziegert damals. Die Auswahl von Gutachtern richte sich "zwar nicht immer, aber immer mal wieder" danach, welches Ergebnis der Auftraggeber hinsichtlich der Schuldfähigkeit wünsche.

Die Äußerungen sorgten für Aufsehen, die Münchner Staatsanwaltschaft beantragte daraufhin bei den Landgerichten München und Augsburg, Ziegert wegen Befangenheit abzulehnen. Dieser Versuch scheiterte zwar, doch seit ihrem Auftritt erhält die Gutachterin nach eigener Aussage in ganz Deutschland keine Begutachtungs-Aufträge von Staatsanwaltschaften mehr - trotz 30-jähriger Berufserfahrung. "Ich habe es unterschätzt", berichtet Ziegert, inzwischen sei sie vorsichtiger. "Ich sitze hier und habe das Gefühl, ich habe einen Maulkorb um."

Bei solch niederschmetternden Fallstudien bleibt es an Investigativ-Veteran Wallraff, von positiven Enthüllungs-Beispielen zu erzählen. Burger King habe nach seinen jüngsten Recherchen nun immerhin den Geschäftsführer eines umstrittenen Lizenznehmers entlassen und Besserung gelobt, erklärt er.

McDonald's, Wallraff und die Vegetarier

Aber wie war das mit Wallraffs Beraterjobs für den Konkurrenten McDonald's, bohrt Beckmann schließlich nach. Das sei kein Beraterjob gewesen, außerdem habe er den Unternehmensvertretern auf einer Veranstaltung der Fast-Food-Kette das Anti-Massentierhaltungs-Buch "Tiere essen" von Jonathan Safran Foer gegeben.

NSA-Affäre, Pflegenotstand, deutsche Gerichtsgutachter-Praktiken, Fastfood-Hygiene und dann auch noch die Frage nach der Integrität von Enthüllern. All das sind spannende Aspekte, doch sie sprengen die 75 Minuten Sendezeit. So bleibt nur ein diffuses Gefühl: Der Preis des Geheimnisverrats ist hoch - und daran dürfte sich vorerst wenig ändern.

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