Jan Böhmermann im WDR:Comedy mit Tarantino-Idee

Der WDR möchte raus aus seiner Biederkeitsstarre. Dazu startet im Juli eine Comedysendung, die der Moderator Jan Böhmermann mitentwickelt. In der Pilotepisode soll sich alles um Frank Elstner drehen.

Von Hans Hoff

Jan Böhmermann wirkt genervt. Er schaut ein wenig grimmig, und irgendwie meint man zwischen seinen Worten ein Seufzen zu hören, weil er nun schon zum dritten Mal erklären muss, weshalb er dem WDR vertraut. "Man spürt, dass sich im WDR etwas tut", sagt er dann noch, und in einem solchen Moment ist es angebracht, sich die Augen zu reiben und das Thema des Gesprächs in Erinnerung zu rufen.

Es geht um eine neue Comedysendung, die Böhmermann als Gesellschafter der Kölner Bild- und Tonfabrik (BTF) mitentwickelt, bei der er aber nicht vor der Kamera stehen wird. Am 11. Juni wird sie aufgezeichnet, am 27. Juli soll sie im WDR-Fernsehen laufen und im Herbst sechs weitere Folgen bekommen. Die Pilotepisode trägt derzeit den Titel "Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von Frank Elstner".

Um die Ungläubigkeit des Fragenstellers zu verstehen, hilft es, einen Blick in die Unterhaltungsgeschichte des WDR zu werfen. Der war mal als der große Innovator in Showfragen bekannt, bevor er in eine Biederkeitsstarre verfiel, die vor allem bunte Quizabende mit Showbeamten der Marke Dr. Eckart von Hirschhausen zuzulassen schien. Seit der Einführung von Zimmer frei! in früher Fernsehsteinzeit brachte er keine nennenswerte Neuerung mehr zu Tage.

Genau dieser WDR scheint sich nun der BTF, der kreativsten Fernsehschmiede Deutschlands, bemächtigt zu haben. Die BTF hat Roche & Böhmermann erfunden, und hier in einem Hinterhof von Köln-Ehrenfeld feiert Böhmermanns Neo Magazin einen Achtungserfolg nach dem anderen. Will man das alles aufs Spiel setzen?

Will man natürlich nicht. "Keiner sollte bei diesem Projekt seine Seele verkaufen. Nicht das Ensemble, nicht die Produktion und nicht der WDR", sagt Philipp Käßbohrer, der mit Böhmermann und Matthias Schulz das junge Unternehmen leitet. Die Signale sind klar. Jene, die hier arbeiten, wissen, was sie tun. Sie kennen auch das Programm des WDR-Fernsehens. "Uns ist schon klar, was da normalerweise läuft. Dem WDR aber auch", sagt Böhmermann.

Viel wird nicht verraten über das Konzept. "Man darf sich das so vorstellen: Lokalzeit Duisburg meets WWF Club", witzelt Käßbohrer. Es gehe um absurde Situationen und um eine Portion Selbstironie, fügt er hinzu und spielt dann noch auf eine Spezialität der BTF an. "Die Sendung fühlt sich an wie aus der Zeit gefallen. Im besten Sinne", sagt er. So wie Roche & Böhmermann und das Neomagazin sich manchmal anfühlen wie direkt aus den 70er-Jahren importiert, soll auch die neue Show mit aktuellen TV-Gewissheiten aufräumen.

Neue Gesichter mit schauspielerischem Talent

Böhmermann zeigt ein Foto. Neun Gestalten sind da abgebildet. Neun Unbekannte. "Dem WDR und uns war es wichtig, neue Gesichter zu finden, die nicht ständig auf dem Bildschirm präsent sind oder irgendwo Stand-ups machen", sagt Käßbohrer. Wichtig für die Auswahl war, dass jeder schauspielerische, musikalische und komödiantische Talente mitbringt.

Ein funktionierendes Ensemble hat das deutsche Fernsehen lange nicht mehr gesehen. Bevorzugt wurde in den vergangenen Jahren stets die vom Moderator zusammengehaltene Show, bei der alle anderen Beiwerk sind. In der neuen WDR-Show dient der stets wechselnde Gast als thematische Klammer, muss sich aber gefallen lassen, dass mit den Daten seines Lebens sehr frei umgegangen wird.

"Da ist so eine Tarantino-Idee dahinter, dass man so jemanden wie Frank Elstner in einen Kontext steckt, den man nicht erwartet", erklärt Käßbohrer, der damit natürlich die Frage provoziert, ob denn die neun jungen Leute das Leben des Frank Elstner nachspielen. "Auf eine sehr phantastische Weise", sagt Käßbohrer.

Wieder Leidenschaft im WDR-Programm

Phantastisch im besten Sinne sollen auch die Bilder sein. Aufgezeichnet wird die Show vor Publikum in einem WDR-Komplex. Allerdings mit fremder Technik. "Wir arbeiten im Studio mit einem Multi-Kamerasystem, mit dem bisher in Deutschland nie gearbeitet wurde. Das hat sicher einen Einfluss auf die visuelle Qualität", verspricht Käßbohrer, und es klingt ein bisschen, als halte demnächst wieder Leidenschaft Einzug ins WDR-Programm.

"Wenn wir so ein Projekt machen, dann ist es eines, auf das wir hinterher stolz sein wollen", sagt Böhmermann und lobt die Atmosphäre in seiner 20-Mann-Firma. "Hier hat sich ein kleines Nerd-Orchester gefunden, das gut zusammen spielt", sagt er und berichtet dann von großem Luxus. "Wir leisten uns die Naivität, das, was wir tun, gut zu finden. Das ist womöglich noch hormonell bedingt", sagt er und grinst wieder sein berühmtes hinterhältiges Böhmermann-Grinsen.

Ja, er hat sich kurzfristig verunsichern lassen durch die Zweifel des Fragestellers an seinem Projekt. Nein, es hat nichts am Geist der BTF geändert. Man will hier viel, und man zweifelt auch gelegentlich, aber man weiß sich offenbar durchzusetzen. Hier wird Unabhängigkeit gelebt, was man nicht von vielen Produktionsfirmen sagen kann. "Das Fernsehen ist nicht auf uns angewiesen - und umgekehrt auch nicht. Wir haben alle auch richtige Berufe gelernt, zur Not. Alle Seiten sind also entspannt, und das beflügelt", sagt Böhmermann.

Jetzt fehlt nur noch die Sendung. Wenn die ein bisschen so wird wie der Geist der BTF, dann könnte man tatsächlich wieder mal beim WDR reinschauen.

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