Die türkische Justiz will offensichtlich einen regierungskritischen Journalisten ins Gefängnis bringen. Sie fordert 52 Jahre Haft für den Reporter Mehmet Baransu wegen der Veröffentlichung eines geheimen Dokuments. Das geht aus einer Anklageschrift hervor, von der die unabhängige Zeitung Taraf berichtet, für die der Reporter arbeitet.
Für einen Kollegen von Baransu werde das gleiche Strafmaß verlangt. Baransu hatte im November unter Berufung auf das Dokument des Nationalen Sicherheitsrates berichtet, dass die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen überwachen lässt.
Gülen ist ein ehemaliger Unterstützer Erdogans, der inzwischen von Erdogan als Staatsfeind betrachtet wird. Die Erdogan-Regierung bestätigte die Echtheit des von Baransu veröffentlichten Papiers. Zugleich betonte die Regierung aber, der Beschluss zur Überwachung sei nie umgesetzt worden. Taraf-Anwalt Veysel Ok rechtfertigte die Veröffentlichung. Die Zeitung habe lediglich von der in der Verfassung garantierten Pressefreiheit Gebrauch gemacht.
Die hohe Strafforderung dürfte die Debatte über die Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei nun erneut anfachen. Erst vor ein paar Tagen bekam ein Reporter des Spiegel Morddrohungen, weil er nach dem Grubenunglück in Soma kritisch über die Regierung berichtete. Anfang Februar schob die Türkei zudem einen Journalisten wegen zwei regierungskritischer Tweets ab.