NSA-Ausschuss:Abgeordnete fordern neues BND-Gesetz

Drei Juristen, eine Meinung: Der Bundesnachrichtendienst handelt nicht auf dem Boden der Verfassung. Jetzt fordern Abgeordnete zügig neue Gesetze für die Arbeit des BND. Das könnte allerdings am Widerstand der Union scheitern.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Im Bundestag ist eine Debatte darüber entbrannt, die Gesetze für die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes grundlegend zu überarbeiten. "Wir müssen über ein neues BND-Gesetz nachdenken", sagte Christian Flisek zu SZ.de. Flisek ist Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Er fordert, das G-10- und das BND-Gesetz einer "schnellen Überarbeitung zu unterziehen". Das G-10-Gesetz regelt, inwiefern deutsche Geheimdienste in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingreifen dürfen. Das BND-Gesetz umreißt die Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes.

Für Flisek besteht nach der ersten öffentlichen Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses "dringender Handlungsbedarf". In der Sitzung am Donnerstag hatten drei renommierte Staatsrechtler dem BND vorgeworfen, er handele in Teilen grundgesetzwidrig. Hans-Jürgen-Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Wolfgang Hoffmann-Riem, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht, und Matthias Bäcker von der Uni Mannheim unterstellten dabei, dass:

  • Der BND Daten nutzt, die ihm etwa vom US-Geheimdienst NSA übermittelt werden. Die NSA saugt den Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden zufolge täglich millionenfach Daten aus dem Internet ab - wohl auch von deutschen Staatsbürgern. Eine solche "anlasslose, flächendeckende Speicherung von Daten" sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, die Verwendung der Daten daher "unzulässig".
  • Der BND im Ausland zu Aufklärungsmitteln greift, die etwa das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, die Achtung der Privatsphäre oder den Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses verletzen. All diese Grundrechte leiteten sich aus Artikel 1 des Grundgesetzes ab, der Unantastbarkeit der Würde des Menschen, erklärte Papier.

Die Richter kritisierten, der BND handele im rechtsfreien Raum. Sie empfahlen Änderungen des G-10- und des BND-Gesetzes. Für Flisek ist klar: "Das war ein erstes wirkliches Ergebnis des Ausschusses."

Unterstützung bekommt der SPD-Politiker von den Grünen. Konstantin von Notz, Obmann seiner Fraktion im NSA-Untersuchungsausschuss, sagte SZ.de, die Rechtsexperten hätten auf "einen prekären Zustand hingewiesen". Das müsse jetzt "zeitnah geregelt werden". Von Notz bot an, sich der Sache "gerne fraktionsübergreifend" annehmen zu wollen.

Er plädierte außerdem für eine Änderung des Grundgesetzes, die Wolfgang Hoffmann-Riem im Ausschuss vorgeschlagen hatte. Darin solle auch der Schutz von technischer Infrastruktur wie dem Internet und seiner Knotenpunkte als Staatsziel aufgenommen werden. Der Vorschlag wurde von Papier ausdrücklich befürwortet.

Roderich Kiesewetter, Obmann der Unions-Fraktion im Untersuchungsausschuss, warnte hingegen vor Schnellschüssen. Er bezweifle, dass es Nachsteuerungsbedarf in den Gesetzen gebe, sagte Kiesewetter SZ.de. Durch die Aussagen der Juristen sehe er zwar "sehr großen Prüfungsbedarf". Erst danach könne aber abgesehen werden, "ob sich Handlungen daraus ergeben".

Kiesewetter betonte, dass der BND "seit 1953 auf gesetzlichen Grundlagen arbeitet". Er könne sich "nicht vorstellen, dass sich seitdem alle Bundesregierungen fehlerhaft verhalten hätten." Es gelte, "klar abzuwägen für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland". Der BND müsse weiter auf Augenhöhe mit den anderen Diensten operieren können. Deutschland habe einen "Schutzauftrag für die Sicherheit seiner Bürger". Selbst wenn die Gesetze überarbeitet werden sollten, dürften dadurch die Befugnisse des BND auf keinen Fall eingeschränkt werden.

Also einfach weitermachen? Das kommt zumindest für die Linken-Obfrau im Ausschuss, Martina Renner, nicht in Frage: "Es ist nach alledem geboten, die Befugnisse der Nachrichtendienste zu begrenzen."

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