Papst Franziskus in Nahost:Friedensbotschaft aus dem politischen Minenfeld

Papst Franziskus in Nahost

Papst Franziskus auf seiner Nahost-Reise: Brücken bauen, an Mauern innehalten

(Foto: AP)

Er möchte Israelis und Palästinenser beim Gebet zusammenbringen: Bei seinem Nahost-Besuch beweist sich Papst Franziskus als Meister der Spontanität - und als Mann der klugen Präzision.

Ein Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Dieses Bild wird bleiben vom Besuch im Heiligen Land: Da steht der Papst an jener mächtigen Mauer für einen Augenblick der Stille versunken im Gebet. Doch diese Mauer ist nicht die Klagemauer in Jerusalem, die erst an diesem Montag im Reiseprogramm steht. Es ist der acht Meter hohe Betonwall in Bethlehem, der die Palästinensergebiete von Israel trennt.

Papst Franziskus hat hier am Sonntag einen unplanmäßigen Halt eingelegt auf dem Weg zur Messe am Krippenplatz. Innegehalten hat er unter einem "Free Palestine"-Graffito. Und mit diesem Bild ist klar, dass dieser Papst nicht nur als Pilger, sondern auch als Politiker in den Nahen Osten gekommen ist.

"Ausschließlich religiös", so hatte es der Vatikan vorher verlauten lassen, sei diese Reise angelegt. Zum Höhepunkt waren die Treffen mit Bartholomäus I., dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, und das gemeinsame Versöhnungsgebet in der Grabeskirche erklärt worden. Doch zum Glück ist der Papst sich treu geblieben - und hat keine Furcht davor gezeigt, seine Friedensbotschaft auch aus dem wahrscheinlich heikelsten Minenfeld der Weltpolitik heraus unters Volk zu bringen.

Der Papst klagt Bedürfnisse von Israelis und Palästinensern ein

Gewiss, auch Franziskus wird jenen Verhandlungsprozess nicht zu neuem Leben erwecken können, an dem gerade erst die weltliche Supermacht USA gescheitert ist. Er hat weder Druckmittel zur Verfügung noch Anreize zu bieten. Doch er versteht es meisterlich, seine "soft power" einzusetzen und die alte Botschaft von den "Schwertern zu Pflugscharen" mit neuer Hoffnung aufzuladen. Wenn Israelis und Palästinenser nicht miteinander reden wollen oder können, dann lädt Franziskus die beiden Präsidenten Schimon Peres und Mahmud Abbas eben zum gemeinsamen Friedensgebet in den Vatikan ein.

Als politischer Papst muss er sich allerdings auch vor zweierlei hüten: erstens davor, zu hohe Erwartungen zu wecken; und zweitens vor einer allzu großen Vereinnahmung. Die palästinensische Führung, die sich ansonsten nicht immer um den Schutz der christlichen Minderheit verdient macht, hat tatsächlich nichts unversucht gelassen, um den Schulterschluss mit dem Papst zu demonstrieren - angefangen von den riesigen Bannern, die Abbas und Franziskus samt Friedenstaube zeigen, bis hin zum Altarbild bei der Freilichtmesse, auf dem das Jesuskind in seiner Krippe auf einer schwarz-weiße Kefije gebettet ist.

Ein Meister der Spontaneität und ein Mann der klugen Präzision

Doch Franziskus scheint auch auf diesem schmalen Grat die Balance halten zu können. Von beiden Seiten verlangt er "Mut zum Frieden". Den Palästinensern billigt er ebenso das Recht auf den eigenen Staat zu wie den Israelis das Existenzrecht in sicheren Grenzen.

Er trifft in Bethlehem palästinensische Flüchtlinge, die 1948 im israelischen Unabhängigkeitskrieg ihre Heimat verloren hatten. Und er besucht in Jerusalem den Herzlberg, der nach dem Zionismus-Begründer Theodor Herzl benannt und mit seinem Heldenfriedhof ein Ort der steten Selbstvergewisserung des israelischen Staats ist. So wie seine Vorgänger auch stellt sich Franziskus in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem zudem noch der schwierigen Rolle des Vatikans in der Zeit des Holocausts.

Dieser Papst mag ein Meister der Spontanität sein, auf dieser Reise zeigt er sich auch als ein Mann der klugen Präzision. Dabei geht es nicht um eine rein prinzipielle und damit inhaltsleere Äquidistanz zwischen Israelis und Palästinensern, sondern um die Anerkennung der jeweiligen Bedürfnisse. Er gibt beiden Seiten, was sie brauchen, und kann so auch beiden zeigen, was ihnen fehlt. So will Franziskus Brücken bauen - und deshalb muss er auch an einer Mauer Halt machen, die den Weg versperrt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: