Niederlage bei der Europawahl:Hollande drängt auf Kurswechsel in der EU

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"Wachstum, Beschäftigung und Investitionen", das will Frankreichs Staatschef François Hollande in der EU (hier während seiner Ansprache im französischen Fernsehen)

(Foto: AFP)

Seine Sozialisten fuhren bei der Europawahl ein miserables Ergebnis ein, der rechtextreme Front National triumphierte. Nun zieht Frankreichs Staatschef Hollande erste Konsequenzen aus der Wahlschlappe. In einer Fernsehansprache fordert er eine Abkehr von der Sparpolitik in der EU.

Nach der verheerenden Wahlniederlage seiner Sozialisten fordert Frankreichs Staatschef François Hollande eine neue Schwerpunktsetzung in der EU. Der Schwerpunkt der Europapolitik müsse künftig auf "Wachstum, Beschäftigung und Investitionen" liegen und nicht mehr auf Sparpolitik, sagte Hollande in einer Fernsehansprache am Montagabend.

Die niedrige Wahlbeteiligung und der deutliche Sieg des Front National (FN) bei der Wahl am Sonntag seien ein Zeichen für das "Misstrauen" der Franzosen gegenüber einem Europa, "das mehr beunruhigt als schützt". Europa sei für viele fern und nicht mehr verständlich. "Europa muss einfach und klar sein, um dort effektiv zu sein, wo es erwartet wird, und sich da zurückziehen, wo es nicht gebraucht wird", sagte Hollande.

Der französische Staatschef kündigte an, dies bereits beim EU-Gipfel am Dienstag in Brüssel ansprechen zu wollen. "Europa kann ohne Frankreich nicht vorankommen, aber Frankreichs Zukunft liegt in Europa", sagte er.

Hollandes Sozialisten waren bei der Europawahl auf knapp 14 Prozent abgestürzt. Der rechtsextreme Front National gewann mit knapp 25 Prozent klar. Auf dem zweiten Platz landete die konservative Oppositionspartei UMP mit knapp 21 Prozent.

Staats- und Regierungschefs beraten in Brüssel

Als Reaktion auf den Ausgang der Wahl hatte am Morgen bereits Premierminister Manuel Valls eine Umorientierung Europas hin zu "mehr Wachstum und Arbeit" verlangt. Europa habe diese politischen Ziele "seit Jahren" vernachlässigt, kritisierte Valls. Auch er betonte, die Regierung werde an ihrem bisherigen Kurs wirtschaftsfreundlicher Reformen festhalten und weiter Steuern senken, um die Kaufkraft der Franzosen zu stärken. Eine Auflösung und Neuwahl des französischen Parlaments, wie sie FN-Chefin Marine Le Pen gefordert hatte, lehnte Valls ab.

In Brüssel beginnt am Dienstag nach der Europawahl der Poker um die politischen Spitzenposten in der EU. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen dort am Abend erstmals über die Nachfolge des scheidenden Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso beraten. Ein Kandidat werde dabei aber noch nicht bestimmt, sagten EU-Diplomaten.

Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) hatte am Sonntag die Europawahl gewonnen und beansprucht den Brüsseler Spitzenposten für ihren Kandidaten Jean-Claude Juncker. Aber auch der Sozialdemokrat Martin Schulz will Kommissionspräsident werden.

Das Verfahren ist kompliziert, denn das Vorschlagsrecht liegt bei den Staats- und Regierungschefs - doch das Parlament muss zustimmen. Das Erstarken populistischer und rechter Parteien erschwert eine Mehrheitsfindung. Kanzlerin Angela Merkel rechnet mit wochenlangen Verhandlungen über die Besetzung aller Führungsämter.

Treffen der Parteichefs der großen Koalition

In Berlin verständigten sich die drei Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD am Montagabend auf das weitere Vorgehen und über einige Projekte der großen Koalition. "Die Parteivorsitzenden haben sich über innenpolitische Fragen ausgetauscht und verständigt", hieß es am Abend aus Koalitionskreisen, ohne dass Details bekannt wurden.

Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) diskutierten demnach das weitere Vorgehen nach der Wahl. "Die Parteivorsitzenden sind sich einig, dass nach der Europawahl auf europäischer Ebene zwischen dem Rat, dem Parlament und den europäischen Parteienfamilien über Inhalt und Personalfragen gesprochen werden muss", hieß es.

Sowohl Bundeskanzlerin Merkel als auch Vizekanzler Gabriel hatten am Montag Gesprächsbereitschaft betont. Es gilt als wahrscheinlich, dass nur ein Bündnis der großen Fraktionen im Straßburger Parlament die nötige Mehrheit für die Wahl des Kommissionspräsidenten zusammenbekommen wird.

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