Bildungsfernsehen für Kinder:Vor dem Bildschirm lernen

sendung mit der maus

Klassiker wie "Die Sendung mit der Maus" sind nach wie vor ein Dauerbrenner.

(Foto: Repro: WDR)

Mit seichten Zeichentrickserien wie "SpongeBob Schwammkopf" oder "Kim Possible" erobern US-Produzenten Kinderherzen. Und doch kann sich das Bildungsfernsehen im Kinderprogramm behaupten - indem es zum Beispiel in die Türkei schaltet.

Von Marion Neumann

Was passiert eigentlich genau, wenn Giftstoffe in unseren Körper gelangen? Und welche Aufgabe erfüllen so genannte Ribosomen? Viel unterhaltsamer als der Biologieunterricht konnte das die Zeichentrickserie "Es war einmal... Das Leben" erklären: Lustig gezeichnete Zellkörper zogen dort in den Kampf gegen gemeine Schadstoffe, Viren und Bakterien.

"Es war einmal..." war aber nicht nur unterhaltsam, sondern erklärte tatsächlich ziemlich anschaulich, wie bestimmte Vorgänge im menschlichen Körper ablaufen. Auch andere Sendungen aus der französischen Zeichentrickreihe beschäftigten sich von 1978 bis 2008 mit wissenswerten Themen - zum Beispiel mit Zeitgeschichte, berühmten Entdeckern und Erfindern und dem Weltraum.

Weniger plattes Wissen

Sechs Jahre später werden zwar noch vereinzelt Episoden der kultigen Zeichentrickserie ausgestrahlt, aber die großen Zeiten von "Es war einmal..." sind vorbei. Doch wie sieht es ansonsten mit der Wissensvermittlung im deutschen Kinderfernsehen aus - ist das Programm wirklich geprägt von "SpongeBob Schwammkopf", "Kim Possible" und dem "Barbie Tagebuch", den US-Kinderserien, die bei Privatsendern wie Nickelodeon oder Super RTL den ganzen Tag über laufen, außer kindlichem Spaß aber wenig Lehrreiches zu bieten haben?

"Im Gegenteil", sagt Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen des Bayerischen Rundfunks und des "Prix Jeunesse International", einer Auszeichnung, die das beste Kinderprogramm der letzten 50 Jahre würdigt. "Seit etwa 14 Jahren steigt der Trend hin zur Wissensvermittlung. Aus der Tradition der 'Sendung mit der Maus' heraus hat sich das Bildungsfernsehen vermehrt zu den Kindern hin entwickelt."

Das heißt vor allem, dass auf platt vermitteltes Wissen verzichtet wird - Bildungsfernsehen gibt es heute meistens mit "realen" Menschen mit lokalem Bezug. Ein gutes Beispiel dafür ist die BR-Kindersendung "Willi wills wissen", in der Reporter Willi Weitzel Einblicke in die Arbeit eines Notarztes, Bauers oder Oberbürgermeisters gibt. Auch Episoden über das Leben als Sinti und Roma, als Blinder oder Hörgeschädigter gehören zur Reihe.

Mischung aus "Lach- und Sachgeschichten"

"Grundsätzlich gibt es kein Thema, das für Kinder nicht interessant sein könnte - aber es kommt auf die Aufmachung an. Eine Geschichte muss immer verständlich erzählt sein und emotional berühren", erklärt Götz. Eine Zeichentrickserie im Stil von "Es war einmal..." hält sie zwar für sehr gut gemacht, aber auch für veraltet: "'Es war einmal...' ist nach wie vor eine tolle Sendung. Allerdings stört man sich heute schnell an der Ästhetik."

Klassiker wie "Die Sendung mit Maus" sind dagegen immer noch ein Dauerbrenner. Das liegt vor allem an der gekonnten Mischung aus "Lach- und Sachgeschichten", die abwechselnd informieren und unterhalten sollen. Auch die geschickte Vertonung trägt dazu bei, dass Kinder das Gefühl haben, live dabei zu sein, wenn Moderator Armin Maiwald erklärt, wie zum Beispiel eine Jeans hergestellt wird.

Doch auch neue Formate wie die im KiKA ausgestrahlte Sendung "Erde an Zukunft" vermitteln vorrangig Wissen. Aufhänger ist jeweils der Wunsch eines Kindes für die Zukunft: "Ich wünsche mir, dass der Müll aus dem Meer verschwindet, weil dadurch viele Tiere sterben", sagt ein Schüler namens Gabriel. Anschließend wird dann ein junger "Zukunftsmacher" präsentiert, der für das bestehende Problem eine Lösung anzubieten hat. In diesem Fall ist das die 16-jährige Elif aus Istanbul, die es geschafft hat, umweltfreundliches Plastik aus Bananenschalen herzustellen.

Disney gegen "Die Sendung mit der Maus"

Doch auch, wenn genügend Angebot vorhanden ist - kommen Armins und Willis wirklich gegen Disney-Superhelden an? "Kinder müssen erst einmal erfahren, dass diese Art von Fernsehen attraktiv sein kann. Die Eltern müssen sie daran heranführen", erklärt Götz. Insgesamt liege Disney aber quotentechnisch weit hinter der "Maus", auch andere Wissenssendungen auf dem KiKA hätten oft höhere Einschaltquoten als "SpongeBob", auch wenn der "Schwammkopf" durch die ständigen Wiederholungen bei Nickelodeon omnipräsent erscheine.

Die Sorge, dass zu viel Wissen aus dem Fernseher Kinder überfordern würde, ist dabei völlig unbegründet, weiß die Medienwissenschaftlerin: "Wenn Kinder etwas nicht verstehen, schalten sie einfach ab. Bei emotionalen Sendungen können Kinder dagegen sehr schnell überfordert werden."

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